Der Reiterhof läuft, die Security Firma läuft, Adrya ist wieder daheim und auch Kiki ist wohlbehalten wieder da – also hat Codo keine Entschuldigung mehr sich nicht mit dem Chef der Triumpho Company zu beschäftigen.
Heute war der Tag, heute würde er nicht mehr entkommen. Er war schon viel zu lange auf der Flucht. „Damek, bist du bereit?“, seine Stimme klang so piepsig. So hell. So ungewohnt. Er starrte auf den Bildschirm, der sein blasses Gesicht widerspiegelte. „Na, na, na, wer macht sich denn hier in die Hose? Du siehst aus, als würdest du gleich in Tränen ausbrechen oder einfach tot umfallen!“ Damek stieß ein dunkles Lachen aus und amüsierte sich sichtlich. Er hatte Codo wirklich selten so kränklich gesehen. „Damek, das ist kein Tavernenbesuch, bei dem wir höchstens einen Schlag auf die Nase bekommen! Wir treffen den ominösen Chef einer Organisation, die Magier sammelt, wie Kinder Murmeln oder Steine! Sie haben schon ziemlich viele Magier einfach eingesammelt und niemand hat etwas dagegen getan! Das ist gefährlich!“ „Ja, aber der einzige Grund, warum sich niemand gegen diese Typen gewehrt hat, ist, dass es nicht genug Magier gibt, die sich gegen eine Magierarmee zusammenschließen. Und wenn es welche gibt, sind sie so weit verstreut, dass sie sich nicht organisieren können. Außerdem weiß kaum jemand von dieser geheimen Organisation. Und wie kann man etwas bekämpfen, das man nicht kennt?“ So logisch das auch war, das machte die Sache für Codo nur noch gefährlicher. „Die werden uns bestimmt auch einsacken! Und was machen wir dann?“ Damek packte Codo am Arm und zog ihn erbarmungslos in Richtung des magischen Tors. „Heute werden wir nur ein Gespräch mit ihrem Chef führen. Da wird schon nix passieren, und wenn doch, bin ich als Leibwächter dabei.“ Wie konnte Damek nur so ruhig bleiben? Wusste er denn nicht, was auf dem Spiel stand? Doch bevor Codo weiter protestieren konnte, hatte Damek ihn schon zum Tor gezerrt und einfach durchgeschoben. Na toll. Jetzt befand er sich hier, entgegen seiner Vorstellung in einem gar nicht so regnerischem Schottland, auf dem Weg, der zu einem Schloss führte. Einem Schloss. Ganz klassisch, ein reicher Mann in einem Schloss. Wunderbar, um den Gegner allein durch die Größe der Räumlichkeiten einzuschüchtern. „Komm schon.“ Codo spürte eine Hand in seinem Rücken, die ihn sanft anstupste. Gemeinsam gingen die beiden Männer auf das große Tor zu und läuteten.
Das Tor schwang von selbst auf, und ein Diener öffnete die prächtige Eingangstür. „Mr. Snyder erwartet Sie bereits.“ Codo wollte in das Gebäude eilen, aber Damek hielt ihn zurück. „Wir hams nicht eilig. Außerdem sieht man die deine Nervosität immer noch an – und genau das wolltest du doch vermeiden, oder?“ Was Damek alles im Hinterkopf behielt, das war schon phänomenal! Na gut, dann eben nicht so schnell. Langsam betraten die beiden die große Eingangshalle, die mit alten Rüstungen gefüllt war und an deren Wänden Bilder von Rittern, Schlachten und Magiern hingen. „Hier weiß man zumindest gleich, woran man ist.“ flüsterte Codo Damek zu, der einen kurzen Blick in die Halle warf und dann zurückflüsterte. „Aber wenigstens sieht es hier nicht nach versteckten Meuchelmördern aus. Snyder scheint ehrlich zu sein. Das ist schon mal ein Anfang.“ Sie sahen sich vorsichtig um und folgten dem Diener die Treppe hinauf und einen langen Flur hinunter zum Büro seines Chefs, an dessen Tür er kräftig klopfte. „Herein.“
Codo hätte mit allem gerechnet. Vom jungen Schnösel, der sich vor Papa beweisen wollte und in einem schicken, modernen Büro saß, bis zum rüstigen Opa, der das Büro einschüchternd dekoriert hatte und mit seinen Trophäen prahlte – aber bestimmt nicht mit dem Mann Mitte 40, der in Pullover und Stoffhose an seinem Schreibtisch stand und sich aufrichtig zu freuen schien, dass seine Einladung angenommen worden war. „Wie schön, dass Sie sich doch noch entschlossen haben, mit mir zu sprechen! Bitte, nehmen Sie Platz, während ich den Papierkram erledige.“ Er deutete auf die Couchecke, die einen nicht geringen Teil seines Büros einnahm. Es sah mit der Couch und den Bücherregalen an den Wänden eher wie das typische Zimmer eines wohlhabenden Psychiaters aus als das Büro des Leiters einer geheimnisvollen Organisation. Codo und Damek setzten sich und sahen sich um. „Familienbesitz?“, wollte Codo wissen. Ein guter Anfang für Smalltalk, dachte er. „Wahrscheinlich gehörte es irgendwann einmal einer Familie, bevor ich es gekauft habe.“ Snyder legte die Papiere in eine Schublade und setzte sich. Allerdings nicht, ohne vorher ein Wasser für seine Gäste bereitzustellen. „Hagen Snyder ist mein Name, du kannst mich Hagen nennen.“ Codo runzelte die Stirn und Hagen lachte. „Ja, ich weiß, das klingt sehr persönlich, aber so machen wir das.“ „Wer ist wir?“, musste Damek nun fragen. Meinte er seine Organisation? „Na ja, ich und Levi.“ Unverständnis in den Gesichtern der Besucher. „Levi Carroll? Kommt schon Leute. General Carroll?“ Nur noch mehr Unverständnis. „Na ja, ihr wisst schon. Oberbefehlshaber der Armee, in der fast alle eure Kinder zur Schule gehen… “ „Ach, der Oberbefehlshaber heißt Carroll?“ Damek und Codo sahen sich an und zuckten mit den Schultern. „Bitte sagt mir nicht, dass ihr ihn nicht kennt.“ „Nun …“, begann Codo. „So weit sind wir noch nicht gekommen. Ich bin gerade noch bei Direktor Logan.“ Hagen lachte. „Oh ja, das habe ich gehört. Übrigens, herzlichen Glückwunsch, dass du eine so tapfere Tochter hast.“ Codo war mehr als verwirrt. Der Typ war so freundlich! Aber er hatte den Angriff auf die Guardians angekündigt, nicht wahr? Hagen grinste: „Warum ist der Kerl so freundlich, wo er doch meine Jungs angegriffen hat? Und warum haben Caroll und seine Leute so ein Problem mit ihm, wenn er so freundlich ist?“ „Hagen, was für ein Spielchen spielst du da? Man hat mir gesagt, dass du ein skrupelloser Mann bist, der alles tun würde, um sein Ziel zu erreichen, und dann empfängst du mich hier wie einen alten Geschäftspartner, obwohl ich…“ Codo wusste nicht, wie er fortfahren sollte. „Obwohl du zur Gegenseite gehörst?“ Hagen trank einen Schluck. Codo nickte. „Oh, versteh die Jungs und Mädels nicht falsch, ich BIN rücksichtslos und skrupellos. Mein ganzer Reichtum kommt nicht von harter Arbeit. Außerdem bin ich machthungrig.“ „Du willst mir also sagen, dass du alle Magier einsammelst, die du kriegen kannst, nur weil du mächtig sein willst?“ „Erstens nicht alle, und zweitens – was soll ich denn sonst tun. Ich will Macht, ich will mich in die Geschicke von Welten und Dimensionen einmischen. Ich bin bereits unsterblich, warum sollte ich also nicht auch jetzt nach Macht und Einfluss streben?“
Codo biss sich auf die Zunge. Jetzt blos nix falsches sagen. „Nein, ich bin nicht verrückt. Ich bin ein Narzisst. Und ich habe bestimmte Vorstellungen davon, wie meine Welt aussehen soll, und ich arbeite hart daran.“ „Wenn du bereits alle meine Fragen kennst und weißt, auf welcher Seite ich stehe, warum hast du mich dann hierher bestellt? Hätte ein Brief mit einer Kriegserklärung nicht gereicht?“ Codos Hand krampfte sich um das Wasserglas. „Kriegserklärung? Junge, was denkst du denn von mir? Wenn ich dich vernichten wollte, bräuchte ich keine Nachricht zu schicken, dann wärst du schon längst von der Bildfläche verschwunden. Nein, der Zweck meines Angriffs war es, aus erster Hand zu erfahren, woraus du und deine Leute gemacht sind. Du weißt schon, sei deinen Freunden nahe, aber deinen Feinden noch näher.“ „Was willst du von mir, Hagen? Ich verstehe das alles nicht.“ gab Codo entmutigt zu. Was wurde hier gespielt? „Ich erklär dir, worauf du dich eingelassen hast. Du weißt doch sicher nicht, dass Carroll, sobald du einen Fuß auf auch nur in seine Nähe gesetzt hattest, freudig verkündet hat, dass ich mich jetzt warm anziehen kann, dass er jetzt fähige Magier auf seiner Seite hat?“ Codo schnappte nach Luft. „Nimms ihm nicht übel. Nachdem ich alle fähigen Magier zusammen hatte, blieb für Levi nicht mehr viel übrig – und jetzt hat er endlich jemanden, der sich mir entgegenstellt.“ Jetzt mischte sich Damek ein. „Das heißt, Levi und du sind Rivalen?“ Hagen schüttelte den Kopf. „Nicht wirklich. Levi verfolgt mich nur, weil ich ab und zu Kinder entführe und sie zu Soldaten ausbilde. Leider waren da ein paar Kinder aus seiner Organisation dabei, und das hat ihn wütend gemacht.“ Das war verständlich. „Die Quintessenz ist folgende. Levi und sein Militär greifen nach den Sternen, wollen technische Entwicklung um jeden Preis und wollen einfach nur die Weltverbesserer sein, die der Welt ewigen Frieden bringen. Ich dagegen strebe nach Magie, und anstatt zu den Sternen zu blicken und auf Außerirdische mit fortschrittlicher Technologie zu hoffen, strebe ich nach Magie, anderen Dimensionen und danach, eines Tages der mächtigste Mann auf meinem Heimatplaneten zu sein. Und wenn Levis Vorgänger mir nicht in die Quere gekommen wäre, hätte ich das schon geschafft. Leider sind deine Freunde mehr auf Freiheit und Demokratie aus, als auf einen Imperator, der die ganze Welt regiert.“ Na, wenn sonst nichts war… Das erklärte zumindest, warum die beiden Feinde waren. So einfach und doch so furchtbar kompliziert. „Und was willst du von mir?“ fragte Codo, der immer noch nicht recht wusste, was er damit anfangen sollte. „Ich will wissen, wo du dich siehst. Is ja ganz nett mit deiner Sicherheitsfirma und dem Stall, den du hast, aber du wirst nicht darum herumkommen, dich zu positionieren. Ich kenne deine Vergangenheit und ich weiß, dass du keine saubere Weste hast. Deshalb biete ich dir an – willst du nicht für mich arbeiten? Mit mir die Welt erobern?“ Nur das leise Atmen der drei Männer war zu hören, als Codo überlegte. Eine verlockende Option, die sicherlich spannend wäre und ihm einige Aufstiegschancen bieten würde. Aber nein. „Ich danke dir für das Angebot.“, er nahm einen großen Schluck Wasser. „Aber ich habe mich verändert. Ich bin nicht mehr der, der ich einmal war, und ich kann es nicht mit meinem Gewissen vereinbaren, für eine Person zu arbeiten, die alle anderen unterdrückt. Die Welt gehört allen, nicht nur dir allein.“ Hagen seufzte. „Das ist schade. Du hast so viel Potenzial… Aber gut, wenn das deine Entscheidung ist, dann ist es so und ich muss sie akzeptieren.“ So einfach? „Ich dachte, du wärst machthungrig.“ „Ja, das bin ich. Aber ich brauche deine Hilfe nicht, um meine Ziele zu erreichen.“ Autsch, das war ein Volltreffer. „Und was jetzt?“, fragte Codo leicht beleidigt. „Das, Codo, ist allein deine Entscheidung. Mein Angebot gilt, bis ich es widerrufe. Entweder du gehst jetzt zurück nach Hause und lebst dein glückliches Leben wie bisher. Du kannst dich mir natürlich immer noch anschließen. Oder, die dritte Möglichkeit wäre, dass du mit Levi redest und mit seiner Unterstützung gegen mich in den Kampf ziehst, um mich aufzuhalten.“ „Und wenn ich allein gegen dich kämpfe?“ Damek neben ihm schnappte nach Luft. „Bist du denn noch zu retten?!“, zischte er. „Alleine, das wäre sehr unklug. Denn ich bin definitiv stärker als du und deine kleine Truppe. Aber du kannst es natürlich versuchen, dann habe ich wenigstens noch ein bisschen Spaß, bevor ich mich wieder in den Alltag stürze.“, abrupt stand Codo auf. „Hagen, ich danke dir für deine Offenheit und Ehrlichkeit. Allerdings kann ich dich nicht einfach ungehindert weitermachen lassen, mein Gewissen lässt das nicht zu. Bereite dich sich und Ihre Kommandeure darauf vor, dass der Kampf von nun an nicht mehr so einfach wird, wie ihr das gewohnt seid.“ Hagen nickte und konnte sich gerade noch ein Grinsen verkneifen. Ehrgeiziger Junge. „Also gut, dann ist das so. Solltest du es dir jemals anders überlegen, weißt du, wo du mich findest.“
Hatte Codo zuvor noch ein wenig gehässig gelacht, als Damek Sophie in den Pferdestall gesperrt hatte, auf dass sie sich mit ihren Problemen beschäftigte anstatt vor ihnen davon zu laufen, so war ihm jetzt nicht mehr zum Lachen zumute. Denn auch Damek hatte ihn immer wieder unter Druck gesetzt, damit er seiner Therapie und seinen Pflichten, wie er es genannt hatte, nachkam. Seit dem Gespräch mit Hagen Snyder war einige Zeit vergangen, und statt darüber nachzudenken, wie er mit der Situation umgehen sollte, hatte er sich lieber auf seine Pferde und das Stallleben konzentriert. Geschickt hatte er auch die Anweisungen seines Psychiaters ignoriert, der ihn immer wieder gedrängt hatte, mit Levi Caroll zu sprechen, dem dritten Mann in dem Krieg, in den Codo unfreiwillig hineingezogen worden war. Zum Glück ließen Levi und Hagen ihn völlig in Ruhe. Weder waren Codos Leute angegriffen worden, obwohl er sich gegen Hagens Machenschaften ausgesprochen hatte, noch hatte ihn jemand von Levis Leuten darauf angesprochen. Und wenn es nach Codo gegangen wäre, hätte das Ganze fröhlich weitergehen können. Aber leider hatte Damek nach Sophies Behandlung eine solchen Energieschub bekommen, dass er sich hinter Codos Rücken mit Dr. Quartz zusammengesetzt hatte. „Es ist nur zu deinem Besten!“ Zu seinem eigenen Besten! Ja, klar, sonst noch Wünsche? Damek hatte für Codo einen Termin bei Levi gemacht. So sehr Codo seinen ehemaligen Ausbilder auch schätzte und er so etwas wie ein großer Bruder für ihn geworden war, er, Codo Macaulay, war der Boss und niemand hatte ihn so hinters Licht zu führen. Missmutig starrte er auf den Tisch vor sich, als er das vertraute Geräusch der sich öffnenden Tür hörte. „Ah, Admiral Caroll! Herzlich Willkommen! Bitte nehmen Sie auf einem der Sofas Platz, der Tee wird Ihnen gleich gebracht.“ Sophie ließ sich die Gelegenheit natürlich nicht entgehen, für das passende Ambiente zu sorgen. Einerseits wollte sie sich für Codos Spott revanchieren, andererseits war sie einfach furchtbar neugierig und wollte nichts von dem Gespräch verpassen. Damek hatte alle anderen unter Androhung drakonischer Strafen davon abhalten können, den Gemeinschaftsraum zu betreten – nur Sophie hatte sich nicht beeindrucken lassen.
Codo stand auf, um den Gast zu begrüßen. Eigentlich hatte Damek es nur gut gemeint, das Gespräch in eine Umgebung zu bringen, in der Codo sich sicher fühlte – aber jede Medallie hat zwei Seiten. Und die zweite Seite dieser Medaille war eine geschäftige Umgebung, in der man vielleicht nicht so ungestört war, wie man es sich wünschte.
„Ah, die junge Lainely, wie schön, dich wiederzusehen! Soweit ich sehen kann, steht der Stall noch – ich darf also annehmen, dass du dich gerbessert hast?“ In Carolls Stimme lag ein scherzhafter Unterton, aber Codo war Sophie gegenüber sehr misstrauisch. „Ich dachte, das Schlimmste, was du getan hast, war, mitten in der Nacht in Lucys Internat einzubrechen?“, fragte er misstrauisch, was Sophie und Admiral Caroll zum Lachen brachte. „Wenn du nur wüsstest, Codo…. „, sagte Sophie vergnügt und stellte den fertigen Tee auf den Couchtisch. „Ich muss allerdings zugeben, an der Einbruchsstory wäre ich auch interessiert.“ Wie bitte? Der Admiral wusste nicht, was damals passiert war? Es gab tatsächlich ein so gut gehütetes Geheimnis in dieser Armee? Codo konnte es nicht fassen. Aber Sophie schüttelte nur den Kopf. „Ich fürchte, dafür habe ich keine Erlaubnis, Admiral. Sie müssten direkt mit Lucy verhandeln, und sie um Freigabe der Story bitten.“ Der Admiral nickte. „Dann werde ich das später tun. Aber erst einmal – hallo Codo!“ Er schüttelte die Hand des verblüfften Codo. Es stimmte also, dass man sich in gewissen Kreisen einfach mit dem Vornamen anredete – wie Hagen angedeutet hatte. „Hallo Levi, bitte, nimm Platz.“ Einen so hochrangigen Offizier, den er heute zum ersten Mal sah, mit seinem Vornamen anzusprechen, fühlte sich irgendwie falsch an. Er hatte sich früher in ziemlich hohen Kreisen bewegt, aber das war eine andere Welt und eine andere Zeit gewesen. Im Moment fühlte er sich, als wäre er ein paar Ränge höher befördert worden – ohne dass er sich dafür beworben hatte. Levi nahm Platz und schenkte sich in aller Ruhe eine Tasse Tee ein, bevor er sich wieder an Codo wandte. „Muss ziemlich verwirrend sein, die ganze Sache. Eine Organisation, die Magier sammelt, um die Welt zu übernehmen und auch andere Dimensionen zu erobern. Auf der anderen Seite eine unabhängige Militärnation, die über die sieben Weltmeere schippert und nach den Sternen und außerirdischer Technologie greift, anstatt die Welt zu beherrschen. Und beide liegen im Clinch miteinander, und zwar so, dass der Rest der Menschheit es nicht einmal zu bemerken scheint.“ Codo nickte. „Das kommt ungefähr hin. Ich bin mir allerdings nicht sicher, was deine Motive angeht, Levi. Immerhin tut Hagen es aus reinem Eigennutz – und du? Hagen nannte dich einen notorischen Weltverbesserer, oder so ähnlich. Sind deine Motive wirklich so edel?“ Levi lachte laut auf: „Ich hätte mir denken können, dass Hagen so etwas sagen würde. Aber bei ihm ist jeder, der nicht so egoistisch ist wie er, ein Weltverbesserer.“ Levi wurde wieder ernst. „Sagen wir es mal so: Ich glaube, dass jeder, der das will, die Möglichkeit haben sollte, über die menschlichen Grenzen hinauszugehen. Ob das nun die Lebensspanne ist oder etwas anderes. Außerdem glaube ich, dass viele der heutigen Probleme mit besserer Technologie gelöst werden könnten. Natürlich sollte man sie zunächst in kleinem Maßstab testen und sie dann ganz langsam in die Welt bringen, damit die Menschen nicht überfordert werden. Denn im Gegensatz zu Hagen möchte ich kein Despot werden, der mit Angst regiert, sondern ich möchte mein eigenes Paradies schaffen und es mit anderen teilen. Denn ich glaube nicht an die Einsamkeit, dafür bin ich zu gesellig. Wie du siehst, verfolge ich auch den Plan, die Welt so zu gestalten, wie ich sie mir wünsche. Ich habe auch eine Armee geschaffen, genau wie Hagen. Ob ich gut oder böse bin, liegt im Auge des Betrachters.“
Codo nahm einen Schluck von seinem Tee. „Heißt das, du bist genauso unsterblich wie Hagen?“, fragte er. „Unsterblich… Ich altere nicht mehr, das ist richtig. Offiziell schätze ich mein Alter auf 40 bis 50. Inoffiziell bin ich schon weit über 100. Aber weder Hagen noch ich sind unverwundbar. Natürlich sind wir beide gut bewaffnet, und wenn du jetzt einen von uns abstechen würdest und unser Leben und unseren Krieg beenden wolltest, würden unsere Körper sterben – aber wir würden beide als die Person weiterleben, die wir sind.“ Im Hintergrund hörte man einen undefinierbaren Laut von Sophie. Es klang zunächst etwas kompliziert, aber die Grundaussage dahinter war leicht zu verstehen – weder Hagen Snyder noch Levi Caroll würden mit den üblichen Mitteln vollständig ausgelöscht werden können, wie es bei normalen Menschen der Fall war. „Dann weiß ich wenigstens, woran ich mit euch beiden bin.“ Codo fasste seine Gedanken kurz zusammen. Dann schaute er Levi mit einem ausdruckslosen Blick an. „Wie stehen meine Chancen, zu sagen, dass ich mit eurem Krieg nichts zu tun habe und nicht hineingezogen werden will?“ Levi ließ die Frage ein paar Sekunden unbeantwortet, bevor er seufzte und nach den richtigen Worten für eine Antwort suchte. „Weißt du Codo… ich würde es mir wünschen dass du dich einfach aus der Sache raushalten kannst. Und ich nehme an, wenn du kein Kampfmagier wärst, wäre Hagen auch nicht an dir interessiert, und du könntest einfach sagen: „Lass mich in Ruhe, bitte.“ Ich wünsche es mir wirklich für dich, deine Jungs und die Kinder. Aber du bist sind meine letzte Hoffnung, das Blatt im Krieg gegen Levi noch irgendwie zu wenden. Mir gehen die Möglichkeiten gegen ihn aus, da er wirklich starke Magier auf seiner Seite hat, und ich fürchte, es ist nur eine Frage der Zeit, bis er tatsächlich einen Weg findet, in andere Dimensionen zu reisen und von dort noch stärkere Krieger zu holen, um seinen Plan durchzusetzen. Wahrscheinlich auch aus der Welt, aus der du kommst. Willst du eure Heimat wirklich der Gefahr aussetzen?“ Codo schüttelte stumm den Kopf und blickte zu Boden. Ja, auch er stammte aus einem Königreich, in dem lange Zeit ein Despot regiert hatte, und er hatte gesehen, was das mit den Menschen gemacht hatte. Das wünschte er niemandem, weder in dieser noch in einer anderen Welt. Und schon gar nicht wieder für seine Heimatwelt. „Siehst du, ich kann dich nicht gehen lassen, Codo. Ich muss dich an meiner Seite haben, ob ich will oder nicht.“ Codo biss sich auf die Lippe und sah auf. Schließlich nickte er. „Kannst du also für unsere Sicherheit garantieren? Im Kontext eines Krieges? Besonders für die Kinder, für die Kleinen, die noch nicht einmal in der Schule sind?“, fragte er. Hagen dachte einen Moment darüber nach. „Im Krieg gibt es niemals Sicherheit, Codo. Sicherheit ist immer ein Trugschluss. Aber ich kann dir jede Unterstützung anbieten, die du brauchst. Sag mir, was du brauchst, und du wirst es bekommen, solange ich in der Lage bin.“ Levi streckte Codo die Hand entgegen. „Ich biete dir deinen alten Rang an. Arbeite für mich und werde meine rechte Hand. Ich werde dich zum General machen und du wirst alles bekommen, was wir dir bieten können, um den Feind zu besiegen.“ Codo blickte auf seine Hand. Wenn er jetzt zuschlug, würde sich das Leben aller hier Anwesenden entscheidend verändern. Würden sich alle hinter ihn stellen? Natürlich würden seine Jungs ihm folgen, wie sie es immer getan hatten. Und auch Adrya und ihre kleine Schwester würden ihn unterstützen, was auch immer kommen mochte – das hatte er vor langer Zeit mit ihnen vereinbart. Aber was war mit Sophie, Sam und Lucy? Codo warf einen Blick zu Sophie – und sah ein verständnisvolles Lächeln und ein leichtes Nicken. Es sah so aus, als wären die drei auch mit von der Partie. Codo ergriff seine Hand. „In Ordnung. Wir sind dabei. Ich werde das heute Abend mit meinen Leuten besprechen und dann morgen bei dir vorbeikommen und sehen, was schon da ist und was wir noch brauchen, um eine Chance zu haben.“
Am selben Abend rief Codo alle Bewohner des Mühlenhofs zusammen. Mit ernster Miene erklärte er ihnen die Situation, wie sie ihm von Levi geschildert worden war. Schließlich schaute er in die Gesichter seiner Familie. Auch wenn er immer darüber gescherzt hatte, waren inzwischen alle auf dem Hof seine Familie, ob blutsverwandt oder nicht.
An den Tischen, an denen sie alle saßen, herrschte Schweigen. Codo lehnte an der Küchentheke, sein Gesicht war traurig. Es gefiel ihm nicht, sie alle vor vollendete Tatsachen zu stellen, aber Levis Worte hatten ihm klar gemacht, was passieren würde, wenn sie sich weigerten. Levi würde keinen von ihnen gehen lassen. So hatten sie wenigstens noch die Freiheit, ein halbwegs normales Leben zu führen. Solange der Krieg so kalt blieb, wie er war. Es hatte schon lange keine Kämpfe mehr gegeben, hatte Sophie ihm erzählt. Seit einigen Jahren gab es eine Art „Wettrüsten“, was immer das auch heißen mochte.
„Ich bin raus.“, kam es nach kurzer Zeit von Gina, Diamos Ehefrau. „Natürlich kann und will ich Diamo nicht verbieten, an deiner Seite zu kämpfen. Aber ich will das nicht für mich und Baldur.“ Und eigentlich auch nicht für Beth, aber jeder wusste, dass die junge Frau ihren eigenen Kopf hatte und es ihre Entscheidung war. Rein theoretisch wäre Beth durchaus magisch begabt, und sie hatte auch einige Jahre mit Lana an der Militärakademie Sandsturm verbracht – von der Ausbildung zur Soldatin zur Ausbildung zur Kriegsmagierin war der Schritt nicht allzu weit. Dennoch lag es an ihr. Weder sie noch Baldur waren als Magier bekannt – und wenn sie nicht mitkämpfen wollten, würde Codo dafür sorgen, dass sie es auch blieben. Und auch Beth schüttelte den Kopf. „Leute, ihr wisst, dass ich immer hinter euch stehe, aber ich habe einen Freund, ich habe meine Pferde, meine Familie – das einzige, was ich euch bieten kann, ist emotionale Unterstützung. Ich kann es mir nicht leisten, das Leben, das ich mir aufgebaut habe, leichtsinnig aufs Spiel zu setzen, nur weil ich ein bisschen magisch begabt bin und von euch zugegebenermaßen mehr als freundlich aufgenommen wurde.“
Zustimmendes Lächeln und Nicken von allen. Jeder verstand nur zu gut, wie Beth sich fühlen musste – und niemand machte ihr einen Vorwurf, dass sie sich nicht auf die heikle Situation einlies.
„Dann möchte ich euch drei bitten, jetzt zu gehen.“ Codos klang ernst, und für einen kurzen Moment schien es, als sei er beleidigt. Doch sein anschließendes warmes Lächeln zerstreute alle Bedenken. „Ich hoffe, ich kann euch aus all dem heraushalten. Ich kann es nicht versprechen, ich kann nicht hellsehen und weiß daher nicht, was noch kommt. Aber ich verspreche, dass ich mein Bestes gebe um euch da rauszuhalten.“ Er atmete einmal tief ein und aus. „Und genau deshalb möchte ich, dass ihr jetzt geht. Je weniger ihr wisst, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit dass ihr zum Ziel werdet.“ Gina und Beth nickten und standen auf, nur Baldur zögerte ein wenig. „Heißt das, ich kann Papa nicht helfen?“ „Genau, was ist mit uns?“, warf Elina ein. Sie wusste noch nicht wirklich viel über die Welt, aber sie vermutete, dass es nicht richtig war, Kinder in einen Krieg zu verwickeln. Codo musste lächeln. Das war es, was er an dem kleinen Mädchen mochte. Auch wenn sie so oft vorlaut und unglaublich frech war, ihren eigenen Willen durchsetzte und ihre Meinung lautstark kundtat – sie hatte keine Angst, Probleme anzusprechen, wenn sie sie sah. „Wer sagt denn, dass du nicht helfen kannst?“, fragte Codo mit einem Augenzwinkern. Baldurs Augen begannen zu leuchten. „Das bedeutet, dass wir auch den bösen Mann bekämpfen dürfen, der uns alle zu seinen Sklaven machen will?“ Codo war nicht der Einzige, der eine Augenbraue hochzog und den Jungen kritisch betrachtete. Da hatte er sich so viel Mühe gegeben, das irgendwie kindgerecht zu erklären, und das hatte der Junge davon behalten? „Ja, ja, ich weiß“, fuhr Baldur fort. „Ich habe verstanden, dass die Wahrheit eigentlich viel komplizierter ist. Typisch Erwachsene. Einfach gibts bei euch nicht. Aber!“ und er grinste sein typisches Lausbubengrinsen. „Ich finde, meine Version klingt viel besser. So wie in der Fernsehserie. Da müssen die Helden immer die Bösewichte besiegen. Und solche Abenteuergeschichten mag ich.“ „Ja!“ Briar war sichtlich erfreut. Diese Idee gefiel ihr viel besser als die ernste Version, die Codo beschrieben hatte. „Und genau wie die Helden im Fernsehen werden wir den Bösewicht besiegen!“
Die „Helden“ tauschten besorgte Blicke aus. Es wäre schön zu glauben, dass man einfach so, mit einem Fingerschnippen, gewinnen würde. Aber das würde nicht klappen. Wenn es so einfach wäre, befänden sie sich nicht in einer so verzwickten Situation. Codo riss sich zusammen. „Ihr wollt also den Bösewicht besiegen. Und wie? Ihr nehmt eure Holzschwerter, marschiert zu Hagen ins Schloss und zwingt ihn mit den Holzschwertern in die Knie, bis er aufgibt?“ „Pah, Holzschwert! Mach dich nicht lächerlich, Onkel Codo. Natürlich werden wir unsere Schwerter schmieden!“ Elina alberte ein wenig herum, bevor sie wieder ernst wurde. „Aber wie sollen wir denn helfen können, wenn wir nicht kämpfen dürfen?“, eine berechtigte Frage. „Indem ihr Lucy unterstützt.“, der Blick wanderte zu der jungen Frau, die sich ohnehin die ganze Zeit gefragt hatte, was sie hier zu suchen hatte. „Lucy, ich weiß, dass du mir die Pferde aus einem bestimmten Grund verkauft hast. Ich weiß, dass du keinen Stall mehr willst. Aber ich brauche dich hier. Der Mühlenhof braucht jemanden, der ein Auge auf die Tiere und die Ställe hat, wenn wir nicht da sind. Lucy, bitte, sei meine Unterstützung. Ich weiß, es ist viel verlangt, und es ist auch egoistisch von mir, jemanden zu bitten, sich um mein… nun ja, ‚Hobby‘ zu kümmern, aber…“ Lucy winkte ab. „Jeder, der loszieht, um die Welt zu retten, hat jemanden, der ihm den Rücken freihält. Ich verstehe schon. Ich habe auch kein Problem damit. Ich mache das gerne. Und wenn du mir zusätzlich zu Elina, Briar und Baldur auch noch die Zwillinge zur Seite stellst, sollte das ganz gut klappen.“ Jetzt war es an der Zeit für Lucy, ein verschmitztes Lächeln zu zeigen. „Aber es wird dich etwas kosten, mein Freund.“ Codo schluckte. „Und was genau?“ „Ich werde nicht still und leise im Hintergrund verschwinden. Wenn es darum geht, die Lorbeeren zu ernten, will ich meinen Anteil davon bekommen.“ Erleichtert ließ Codo die Luft, die er unbewusst angehalten hatte, aus seiner Lunge. „Natürlich, Prinzessin. Du wirst den Ruhm bekommen, den du verdienst.“ Mit einem entschlossenen Nicken stand Lucy auf. „Dann ist das geklärt. Kommt, Kinder. Lasst uns mal sehen was es in unserem neuen Königreich alles zu tun gibt.“ Wenn Codo sie eine Prinzessin nannte, dann würde sie sich auch wie eine verhalten. „Unser Königreich?“, fragte Briar schüchtern, als sie den anderen nach draußen folgte. „Na ja, so lang die Erwachsenen nicht hier sind, gehört der Hof uns.“ „Juhu, wir können tun, was wir wollen“, jubelte Elina, bevor sich die Tür hinter ihr schloss und die „Helden“ allein ließ.
„Weißt du schon mehr?“, fragte Damek direkt und sah dabei so gelassen aus, als hätte Codo ihnen gesagt, dass sie von nun an Sonntags im Stall ein Kaffeekränzchen abhalten würden. Der Chef schüttelte den Kopf. „Ich habe morgen früh ein Treffen mit Levi, wo er mir sagen wird, wie ernst die Lage ist, wie weit die andere Seite ist und was wir noch tun können. Genauso wie ich erst dort erfahren werde, welche Kampfkraft uns noch zur Verfügung steht und was wir an Ressourcen erhalten haben.“ Codo rieb sich die Schläfe. „Kiki, was machst du noch hier?“, fragte Merlin verwirrt. „Du bist ein Kind, du hast hier nichts mehr zu suchen!“ „Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass ich euch allein in die Schlacht ziehen lasse, oder?“, fragte Kiki unbeeindruckt. „Kiki, mein Schatz, ich weiß, dass du helfen willst. Aber ich möchte dich nicht in diese Gefahr bringen. Bitte, hilf mit deinen Geschwistern, deiner Mutter und deiner Tante hier im Stall!“ „Nein!“ Kiki blieb standhaft, egal wie flehentlich ihr Vater sie ansah. „Kimberley Kinsey!“, begann Safar in einem ungewöhnlich scharfen Ton, wurde aber von seiner Schwester unterbrochen. „Ihr werdet mich brauchen. Vor allem du wirst mich brauchen, lieber Bruder.“ In den Gesichtern der Umstehenden war Unverständnis zu lesen. „Meine Güte, Leute. Das ist doch klar.“ erklärte Kiki. „Die meisten von euch werden an der Front sein. Die Älteren früher, die Jüngeren unter euch am besten, wenn ihr soweit seid. Belenue wird wahrscheinlich die meiste Zeit hier bleiben, um sich um die Verwundeten zu kümmern. Glaubt ihr, dass er das allein schafft? Genauso wie Safar wahrscheinlich irgendwann wieder hinter dem PC verschwinden wird, um von dort aus Technik mit Magie zu verbinden. Die beiden werden froh sein, mich zu haben!“ Erstauntes Geraune ging durch die Gruppe. Was wusste Kiki, was die anderen nicht wussten? „Oh je, Leute, habt ihr euch nie gefragt, wie eine Organisation, die sich auf Militär und Technologie verlässt, es schafft, eine Organisation mit skrupellosen Kriegsmagiern zu bekämpfen?“ Ja, natürlich hatten sie das, aber einige hatten gedacht, dass sie es irgendwann herausfinden würden, andere hatten es einfach als gegeben hingenommen. „Dad, morgen, wenn du und Levi fertig seid, nehme ich dich und Safar mit und zeige euch ein paar Schmuckstücke, die uns schon einmal gute Dienste geleistet haben und die Safar mit etwas außerirdischer Technologie aufrüsten kann, damit Hagen nicht merkt, was ihn getroffen hat, wenn wir ihn in den Boden stampfen.“
Der nächste Tag begann für Codo vor allem mit Kopfschmerzen. Kein Wunder, so wie er sich gestern den Kopf zerbrochen hatte. So viele Fragen! Angefangen von „Was wäre wenn?“ über „Können wir das schaffen? Wie viele Verluste werden wir haben?“ bis hin zu „Woher weiß Kiki das alles?“ waren alle dabei gewesen. Er hoffte wirklich, dass seine Tochter ihm sagen würde, woher sie ihre Informationen hatte – hoffentlich war sie nicht irgendwo eingebrochen, wo sie es nicht hätte tun sollen. Das war ihr und ihrer Neugierde zuzutrauen. Ganz zu schweigen von ihrer spielerischen Ignoranz, die sie sehr gut zu nutzen wusste.
Und – was trug ein General in Levis Armee? Sollte er in förmlicher Kleidung erscheinen oder spielte das keine Rolle? Er konnte kaum klar denken, als Adrya von der Tür zurückkam. Die Türglocke hatte geläutet, und Codo hatte sich gefragt, wer zu dieser unheiligen Stunde läutete. Es war gerade einmal viertel nach sechs! „Das war ein Bote von Levi. Er schickt dir ein starkes Schmerzmittel gegen deine Kopfschmerzen und deine neue Arbeitskleidung.“ Die blonde Frau war begeistert. „Er denkt wirklich an alles.“ Sie begann, die Kleidung auszupacken, die Levi mitgeschickt hatte. „Sehr schick!“, dachte sie und bewunderte vor allem die Mütze. „Die wird dir gut stehen!“
Codo, der in der Zwischenzeit die Schmerztablette eingenommen hatte, trank sein Glas Wasser aus und war überrascht, wie schnell die Pille wirkte. Normalerweise dauerte es bis zu einer halben Stunde, bis sie wirkten – jetzt fühlte er sich auf einen Schlag besser! Was für ein Wundermittel war das? In der Zwischenzeit las Adrya die Notiz, die Levi beigelegt hatte. „Ich habe aus zuverlässiger Quelle gehört, dass du kein Seemann bist – deshalb habe ich dich einer anderen Abteilung zugeordnet. Wenn es dir nicht gefällt, können wir später darüber reden.“ Adrya schaute ihren Mann erstaunt an. „Kein Seemann?“ Codo seufzte und erinnerte sich an seine erste und letzte Reise auf einem Schiff, damals, als er noch Rekrut gewesen war – es war kein kleines Kriegsschiff gewesen, und doch hatte es ihm viel abverlangt. Die meiste Zeit des Tages hatte er über dem Rehling gehangen und war auf der Krankenstation gelandet – schon damals war er kein Kandidat für die Marine gewesen. „Sagen wir es mal so… Ich kann einen Tag auf dem Schiff mit Hilfe von Pillen überleben, und je größer das Schiff, desto weniger merkt man, dass man auf dem Meer ist. Aber ich fühle mich viel wohler, wenn ich festen Boden unter meinen Füßen habe. Und ja, es war sehr ungemütlich für mich als ich vor kurzem kurzzeitig auf einem Schlachtschiff wohnen musste.“ Adrya kicherte und reichte ihrem Mann die Uniform. Er sah sie sich an. Dunkel, das passte ganz gut – nur der Braunton gefiel ihm nicht so sehr. Aber gut, damit konnte er sich abfinden. Und wie würden das blaue Hemd und die blaue Krawatte dazu aussehen? Sie würden seinen blauen Augen sicherlich schmeicheln. Und die silbernen Schulterpolster waren so typisch Levi – warum Gold nehmen, wie es jede andere Armee auf der Welt tat, wenn man auch Silber nehmen konnte? Der Mann war schon ein wenig extravagant. Aber gut, da war nichts zu machen. Testweise setzte sich Codo den beiliegenden Hut auf den Kopf – oh, wie förmlich er mit dieser Kopfbedeckung war, die vom Schnitt her sehr an eine Kapitänsmütze erinnerte. „Sehr, sehr schick“, sagte Adrya und lächelte Codo an. Der nickte und zog sich seine Alltagskleidung an. Als Erstes frühstückten sie.
Nach und nach füllte sich die Küche, und Codo war sehr froh über Levis Tablette, denn er hätte diesen Lärmpegel nie ertragen können. Aber so konnte er das Essen genießen. Pfannkuchen. Was für eine Köstlichkeit, um den Tag zu beginnen!
So konnte er sich auch an den Gesprächen beteiligen, die um ihn herumwirbelten wie Blätter im Wind. Hier ein kleiner Plausch über Schule und Unterricht, dort ein wenig über die neuen Aufgaben der Sicherheitsfirma und das eine oder andere Gespräch über Haustiere war auch dabei. Und so schnell, wie sich die Küche gefüllt hatte, leerte sie sich auch wieder. Bald war jeder mit etwas anderem beschäftigt, und auch Codo konnte es nicht mehr aufschieben. Mit einem Seufzer stand er auf und stellte sein Geschirr in die Spüle. Zeit, in die Uniform zu schlüpfen – ein Unterfangen, bei dem Adrya ihm gerne half. Bewundernd stand sie vor ihrem Mann und zupfte an der Uniform herum, bevor sie ihm auf die Schulter klopfte. „So etwas Schickes kannst du öfters tragen. Das gefällt mir!“
Nicht dass er viel Zeit gehabt hätte zu überlegen – dennoch stand Codo jetzt vor Levis Tür und verfluchte sich warum er auf dem Weg hierher sich keine Gedanken gemacht hatte. Was sollte er jetzt tun? Anklopfen und einfach reingehen? Und dann? Wie verhalten? Förmlich wäre so der professionelle Standard gewesen, das sagte ihm zumindest seine längst zurückliegende Ausbildung. Auf der anderen Seite schien Levi jetzt nicht so wirklich ein förmlicher Mensch zu sein, zumindest nicht ihm gegenüber.
Zum Glück wurde ihm die Entscheidung abgenommen und Levi öffnete die Tür “Wie viele Jahre willst du dir denn noch die Beine in den Bauch stehen?” fragte er, nicht unhöflich aber auch nicht begeistert über Codos Zögern. Codo betrat das recht schmucklose Büro. “Dein Cousin hats mehr mit protzen, oder?” Levi lachte amüsiert. “Hagen hat schon immer den Prunk vergangener Tage geliebt. Ich bin mehr so fürs futuristische, schlanke Design.” Levi lehnte sich gegen seinen Schreibtisch, währen Codo sich noch einen Augenblick umsah. Er seufzte. “Tja, das wars dann wohl mit der Freiheit. Levi, hiermit melde ich mich zum Dienst.” Codo beschloss jetzt einfach mal alle Vorsicht und Bedenken in den Wind zu schießen. Wenn Levi ihn schon zwangsverpflichtete, dann konnte er sich auch was rausnehmen. Rotzfrech lehnte er sich neben seinen neuen “Chef” an den Schreibtisch und sah ihn an. “Und? wie sieht der Schlachtplan aus?” Levi grinste. “Da ist aber jemand recht schnell in seine neue Rolle hineingewachsen.” Er überlegte kurz und meinte dann “Eigentlich ist der Schlachtplan nur Hagen zu besiegen. Wie, das ist komplett dir überlassen.” zumindest ein wenig Freiheit. Levi fuhr fort. “Alles was ich besitze steht dir zur Verfügung. Wenn du mehr Einheiten brauchst, dann sag was, dann kriegst du welche. Ansonsten kannst du dich umschauen und alles was du brauchst, gehört dir.” Codo blinzelte und überlegte. “Das klingt ja fast als wär ich nur einen Fingeschnippen von deinem Posten entfernt.” “Willst du ihn denn?” Codo stockte kurzzeitig der Atem. Ja war das denn die Möglichkeit?! Levi grinste. “Die Möglichkeit ist verlockend, nicht wahr? Aber ich weiß genau, dass du ihn nicht willst. Ansonsten hätte ich dich nicht zwingen müssen mir zu helfen.” Codo biss sich auf die Lippe. Wie konnte Levi nur so genau wissen was er dachte. Levi lachte lauthals. “Glaubst du ernsthaft ich hätte das hier alles ohne Magie auf die Beine stellen können?” Er grinste spitzbübisch. “Ich kann dir versprechen es hat was, Magier und Telepath zu sein.”
Als Codo seine Sprache wieder gefunden hatte, murmelte er: “Das erklärt einiges.” Levi löste sich wieder vom Schreibtisch. “Sonst noch fragen, oder kann ich dir einfach alle relevanten Daten per mail schicken? Den Rest zeigt dir dann eh Kiki. Die wartet mit Safar schon sehnsüchtig auf dich.” “Ehhh… Wenn ich irgendwas mit dir absprechen muss? Dann erreich ich dich auf deinem Handy?” Levi nickte und auch Codo stand auf und ging zur Tür. Kurz bevor er sie öffnete drehte er sich um. “Du weißt dass dich die ganze Sache mehr kosten wird als ein paar warme Worte?” Levi nickte. “Erstmal schlagen wir die Schlacht. Und danach stellst du mir deine Dienste in Rechnung.”
Gespannt folgten Codo und Safar Kiki in einen der Storage Rooms. Während Codo noch in Gedanken beim vorherigen Gespräch festhing freute sich Safar sichtlich auf das, was vor ihm lag.
Zielsicher führte Kiki die beiden zu einer bestimmten Lagereinheit und noch bevor sich Codo über die Selbstsicherheit seiner Tochter wundern konnte, hatte diese schon eine Tür geöffnet und begann eine schwere, längliche Kiste herauszuziehen.
Safar half seiner Schwester und schnell stand die Kiste im Gang und wurde geöffnet. Safar schnappte nach Luft. „Ist das etwa das, was ich denke?!“ Er holte eine der Waffen die in der Kiste lagen heraus und staunte nicht schlecht. „Tatsächlich! Die TMW 3.5! Ich dachte die ham nach der 2.7 aufgehört und die 3.5 sei ein Gerücht!“ Kiki grinste. „Du hast schon mitbekommen dass es inzwischen schon die 6.3 gibt? Zwar nur auf dem Papier, aber immerhin.“ Safar schnappte nach Luft. „Was?! Wer?“ „Der letzte der dran rumgewerkelt hat war Mecki. Kam dank meiner Hilfe auch Recht weit.“ sie räumte ein wenig in der Kiste herum und fand schließlich den USB Stick den sie brauchte. „Bitteschön, hier die Daten. Levi meinte du kannst eines der kleineren Labore haben um die Theorie Realität werden zu lassen.“
„Du weißt schon dass es Respektlos ist über Erwachsene zu reden und sie einfach so beim Vornamen zu nennen, ja?“ fragte Codo. Safar lachte und Kiki zuckte mit den Schultern. „Hört mich zum einen ja keiner und zum andren – macht Robin auch und du ebenso – warum sollte ich also nicht? Außerdem isses dem Chef eh egal. Hat er mir sogar gestern erst bestätigt. Als deine Tochter hab ich Narrenfreiheit.“ Safar grinste. „Respekt, Schwesterherz. So weit hats noch keiner von uns gebracht.“
Codo konnte gerade noch so verhindern dass ihm die Kinnlade herunter klappte. Seine Tochter hatte definitiv eine steilere Karriere hingelegt als er – und das obwohl sie eigentlich noch zur Schule ging.
Er sah zwischen seinen Kindern hin und her und entschied sich zuerst seine Neugier zu stillen. „Und ihr habt an der Waffe geforscht? Ihr lernt also im Unterricht Waffen zu bauen?“ fragte er vorsichtig nach, doch Kiki winkte ab. „Nur in der Theorie.“ Safar nickte. „Ist sowas wie Referate in jeder normalen Schule. Du kriegst die Waffe einmal gezeigt, dir wird die Funktionsweise erklärt und du darfst einmal unter Aufsicht damit feuern. Dann wird die Waffe wieder verstaut und du kriegst alle Daten die zur Waffe gehören auf einem USB Stick, inklusive Zugang zu richtig tollen, teuren und leistungsstarken PC Programmen in denen du deine Weiterentwicklung der Waffe in einer simulierten Umgebung testen kannst. Solche Projekte haben Lana und mir ein ums andre Mal die Note in diversen Fächern gerettet.“ Codo verschränkte die Arme und betrachtete die Waffe. „Also sowas wie eine Extraarbeit die du machen kannst um deinen Notendurchschnitt zu heben?“ „So ähnlich.“ bestätigte Kiki und das reichte Codo. „Ich bin mir nicht sicher ob ich mich darüber freuen soll dass ihr hier so viele Möglichkeiten habt oder ob ich Angst haben soll weil ihr mit äußerst teuren und gefährlichen Sachen herumspielen könnt. Und offensichtlich uneingeschränkten Zugang dazu habt.“ „Mach dir nicht ins Hemd, Dad. Ich hab nur ne Sondergenehmigung. Normalerweise komm ich hier nicht einfach so rein. Lass dir lieber von deinem schwerbegeisterten Sohn erklären was die Waffe so besonders macht.“ Codo nickte und Safar legte sofort los. „Eigentlich ist es wie jede andre Schusswaffe auch. Munition einglegen, schießen und Ziel treffen. Aber hier ist die Munition das besondere. In jeder einzelnen Patrone ist ein Zauberspruch, der wirkt, sobald die Patrone das Ziel trifft.“
Jetzt hatte er Codo. „Also der Zauber wurde schon vorher in die Patrone getan? Kein langatmiges Zaubersprüche aufsagen mehr und kein Energieverbrauch für den Zauber?“ Safar nickte. „Im Gefecht musst du nur noch schießen und den Gegner treffen. Und natürlich die richtigen Patronen dabei haben.“ Codo war begeistert. „Das klingt tatsächlich brauchbar. Damit lässt sich arbeiten.“
Nicht lange danach hatte Codo auch schon die erste Einsatzbesprechung mit seinen neuen “Kollegen”, allesamt Generäle wie er, abgesehen von Levi natürlich, der sich gerade noch freundlich mit dem Keksknabberer unterhält, als würden sie hier nicht gleich die Einsatzstrategie besprechen, wie man die Welt vor dem bösen Despoten retten kann.
Von links nach rechts:
Codo, der sich echt unsicher ob seines neuen Jobs ist.
Neben ihm sitzt Elin Trang, zuständig für die Luftwaffe, genauso wie Daniel Vilhelms, der sich Keks naschend mit Levi Caroll unterhält.
Levi, im Übrigen hat sich selbst der Marinedivision zugeordnet, die er zusammen mit Kai Gudbrandt überwacht, das ist der, der rechts neben Codo sitzt..
Und zu guter letzt haben wir in der selben braunen Uniform wie Codo, Luka Miklavž. Die beiden sind zuständig für die Division der sogenannten “Bodentruppen.”
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Endlich. Nach einigen unglaublich langen Tagen hatten sie alles fertig vorbereitet. Fertig für den ersten Angriff. Alle Truppen auf Vordermann gebracht, bestens ausgerüstet und bereit den ersten Angriff auszuführen. Jetzt galt es nur noch zu entscheiden, wo sie als erstes zuschlagen sollten, denn sie hatten gleich mehrere Ziele zur Auswahl.
Während Elin und Kai noch eifrig am debattieren waren, hatte Luka ganz eigene Pläne. Deswegen schnappte er sich Codo und versuchte ihn auf seine Seite zu ziehen. Der war sehr unsicher ob er überhaupt eine Aussage treffen sollte. Immerhin war er neu in diesem berteits offensichtlich gut eingespielten Team. Und so ganz wohl fühlte er sich in seiner Position immer noch nicht. Aber wie sollte er das nur rüberbringen ohne dass die andren dachten er wäre ein kompletter Vollidiot? “Luka, deine Idee klingt wirklich gut, aber bist du sicher dass du ausgerechnet meine Stimme brauchst?” Luka grinste. “Aber natürlich! Du bist das Zünglein an der Waage!”
Lana rieb sich fröstelnd über die Arme. Kalt war es in so einem Laderaum einer Transportmaschine. War ihr nie aufgefallen – normalerweise saß sie ja auch auf dem Pilotensitz. Der Platz, an den sie ihr Vater vermutlich auch hinverfrachtet hätte, hätte Levi nicht höchstpersönlich überwacht dass alle Soldaten die er für diese Mission ausgewählt hatte, auch in das Flugzeug stiegen. Zu wichtig war ihm diese Mission, endlich hatte er eine Chance gegen seinen Cousin. Auch Codo fröstelte es ein wenig, doch er fühlte sich viel zu angespannt um sich auch nur eine Regung zu erlauben.
Eigentlich war Levi ja nicht begeistert gewesen, dass Codo auch mit aufs Schlachtfeld zog, aber zum einen hatten sie nicht genug Magier, zum anderen hatte Codo klipp und klar gesagt dass er seine Jungs nicht alleine in die Schlacht ziehen lassen würde. Innerlich schmunzelte er, als er an das Gespräch dachte. Denn kurz nach seinem Wiederspruch hatten beide an die Frau im Team der Magier gedacht und dass Lana es vermutlich als Ehre empfinden würde, wüsste sie, dass sie ohne Zweifel zu den Männern gezählt worden war. Lana, die fähigste Kriegsmagierin der Truppe und zudem auch die Jüngste des Teams, der man die Aufregung ins Gesicht geschrieben sah.
Ein kleines Luftloch ließ die Bäuche grummeln und schon begann der Pilot den Sinkflug. Jetzt wurde es ernst. Nicht mehr lange, und der Pilot würde sie nahe eines der Stützpunkte des Feindes absetzen, den es zu infiltrieren galt.
Keiner von ihnen hatte auch nur den Hauch einer Ahnung wie es dort aussehen würde, alles was die Aufklärung ihnen hatte bieten können war eine Karte der Umgebung und eine Konstruktionszeichnung des Gebäudes.
Aber so wussten sie zumindest, wo sie eindringen konnten.
Der Kommandant der Spezialeinheit riss Lana aus seinen Überlegungen. Dann war es jetzt wohl an der Zeit, sich fertig zu machen. Alle schnallten sich ab und stellten sich in einer Reihe auf. Zuerst ein Teil der Spezialeinheit, dann die Magier und nochmal Spezialkräfte zum Schluss.
Nicht dass die Guardians hätten beschützt werden müssen, doch Levi hatte darauf bestanden. Ihm war es wichtig seinen wertvollsten Trumpf zu schützen.
Da öffnete sich auch schon die Ladeluke des Transportflugzeugs und lautlos sprang einer nach dem anderen von der Laderampe und landete weich im hohen Gras.
Lana gähnte amüsiert. Es war mitten in der Nacht und sie schlichen hier mitten über ein Feld, ewigst weit entfernt von irgendwem, der sie sehen könnte.
Die Transall war schon längst wieder im dunklen Nachthimmel verschwunden und eigentlich hätten sie auch gemütlich übers Feld schlendern können, das hätte auch keinen Unterschied gemacht.
Aber so tastete sich die dreißig Mann starke Truppe von Deckung zu Deckung auf ein kleines Wäldchen zu, das von einem Elektrozaun umgeben war, der beständig vor sich hin surrte.
Lana war schon gespannt darauf wie sie den Stromzaun überwinden wollten. Denn einfach durchschneiden war bei einem Starkstromzaun nicht die beste Idee.
Und dennoch… Da hieß es auch schon stehen bleiben. In der Dunkelheit konnte sie gerade noch schemenhaft den Anführer ihres Trupps ausmachen, der ihnen bedeutet hatte, dass sie stehen bleiben sollten.
Ein bisschen albern fand sie es ja schon, aber wer wusste, wofür es gut war. Schon im Training hatte sie gelernt wie schnell eine Situation kippen konnte und dann kam es teilweise wirklich drauf an, wie gut man Befehle befolgen konnte. Also gut, dann stehen bleiben. Fasziniert ließ die junge Magierin sich nach vorne Winken und sah ihrem Vater über die Schulter, der schnell, aber auch ruhig und konzentriert einen Zauber auf den Zaun wirkte. Und dann noch einen. Wenn sie es sich recht überlegte, sie hatte ihn eigentlich nie Magie wirken sehn und was er da tat, sah schon spektakulär aus. Irgendwie hatte Flan es geschafft, die Materie des Zauns zu manipulieren und an einer klar definierten Stelle schien die Luft nun zu schimmern.
Unbeeindruckt trat der Mann vorsichtig durch die schimmernde Stelle und kam unversehrt auf der anderen Seite wieder zum Vorschein. Fasziniert streckte Lana die Hand durch den schimmernden Zaun. Nein, da fühlte man gar nichts. Fast schon enttäuschend! Schnellen Schrittes war sie durch den Zaun und auf der anderen Seite auf dem Gelände, das auch sehr enttäuschend wirkte. Nicht dass sie sich etwas außergewöhnliches vorgestellt hätte, aber mehr als nur zwei Betonbunker hätten es schon sein können. Gerade weil der Chef der Gegenseite dafür bekannt war, den Prunk zu schätzen. Aber hier hatte er wohl Funktionalität vorgezogen.
Nach und nach kam die gesamte Truppe durch den Zaun und nachdem sich alle wieder gesammelt hatten, ging es weiter, direkt auf einen der Betonbunker zu. Dieses Mal schickte ihr Vater sie vor. Sie sollte eine gute Stelle ermitteln, um in das Gebäude hinein zu kommen. Sie atmete tief ein und aus, um ihre Gedanken zu sortieren und kniete sich auf den Boden. Wie war das gleich nochmal? Ach ja. Kopf freimachen, Hände auf den Boden, Zauberspruch und – zack. Lana fühlte sich, als hätte sie eine Röntgenbrille auf. Undurchsichtige Mauern? Gab es nicht mehr. Klar und deutlich nahm sie alles im Gebäude wahr. Räume, Gänge, und – war das etwa eine Ratte? Nein, viel zu klein. Dann war es wohl eine Maus, die sich an irgendeiner Nahrungsquelle gütlich getan hatte. Lana war so fasziniert davon dass sie selbst den Mageninhalt der Maus sehen konnte, dass sie darüber beinahe vergaß, weswegen sie das hier eigentlich machte. Ach ja, geeigneten Zugang finden. Erstmal das Gebäude nach Patrouillen scannen – im näheren Umkreis keine vorhanden. Sehr schön. Dann am besten… Ach ja, dort. Sie löste den Zauber und stand auf. „In etwa zwei Meter nach rechts, da kommen wir bequem hinein.“ flüsterte sie und ihr Vater nickte.
Zwei Meter weiter wendete er den selben Trick an, den er schon beim Zaun angewendet hatte und Lana und ihre Kameraden wurden angewiesen, sich nun ihre Brillen aufzusetzen. Freudig setzte sich Lana die Brille auf. Darauf hatte sie den ganzen Abend schon gewartet, dieses unscheinbare, aber sehr nützliche Gadget auszuprobieren. Vom Aussehen her wie eine normale Lesebrille mit schwarzem Rand, jedoch mit einigen Spezialfunktionen. Sofort merkte die junge Frau, warum die anderen so begeistert von der Brille gewesen waren. Ihre Kollegen waren verzeichnet, mit Namenskürzel, dann gab es auch noch die Möglichkeit, sich sein Ziel einblenden zu lassen und jede nicht registrierte Wärmequelle wurde als potentieller Gegner angezeigt.
Und vermutlich gab es noch mehr Spielereien, doch um die auszuprobieren fehlte ihr einfach die Zeit. Sie sah sich um und stellte fest dass die Brille sie zur Fledermaus machte – obwohl es stockdunkel war, wurden ihr Gegenstände, die ihren Weg blockierten, genauestens angezeigt.
Und Gegenstände gab es genug.
An den Wänden schienen lauter Zettel zu hängen, bequeme Sitzmöglichkeiten überall und vereinzelt lagen Spielzeug und Plüschtiere in der Gegend herum. Es sah eher aus wie das unaufgeräumte Wohnzimmer einer Familie, anstatt wie eine Militärbasis. Waren sie am Ende im falschen Gebäude eingestiegen?
Auch der Truppführer hob eine Augenbraue und schien sich zu fragen was zum Teufel hier vorging. Aber sie hatten ja niemanden den sie einfach fragen konnten, deswegen machten sie sich auf den Weg, die scheinbar endlosen Korridore entlang. Nicht jedoch ohne immer mal wieder in eines der vielen Zimmer zu sehen.
In vielen fanden sie nur noch mehr Spielzeug, in etlichen auch Bauklötze vor. Was machten die hier mit so vielen Bauklötzen? Alles in allem sah es nicht danach aus, als würden hier Soldaten trainiert, mit deren Hilfe die Weltherrschaft an sich gerissen werden sollte.
Doch nicht nur an Kinderzimmern kamen sie vorbei, sondern auch an einigen Büros mit vielen Akten. Lana schenkte ihnen keinen zweiten Blick, während die Kollegen sie sicher in den Robotern verstauten, die sie zu ihrer Basis wieder zurück bringen würden. Immerhin war das nicht das Hauptziel, sondern nur ein kleiner, aber willkommener Nebeneffekt.
Ihr eigentliches Ziel wartete wo anders. Hinten, bei den Schlafsälen der Kinder. Lana hatte bei der Einsatzbesprechung vergessen zu fragen warum sie ausgerechnet ein bestimmtes Kind hier raus holen sollten, aber eigentlich war das auch nicht wichtig. Auftrag war Auftrag.
Es dauerte nicht mehr lange und sie waren dort angekommen und brachten sich in Position. Vorsichtig wurde die Tür geöffnet und leise wie eine Katze bewegten sich 2 Leute des Trupps in den Schlafsaal hinein und kamen mit einem in etwa 10 Jährigen Mädchen wieder hinaus. Lana verstand es immer weniger. Selbst der Schlafsaal war hübsch eingerichtet und wenn sie selbst noch jünger gewesen wäre hätte sie sich bestimmt sehr wohl hier gefühlt. Außerdem – die Kinder würden hier ja nicht so tief und fest schlafen, wenn sie sich nicht wohlfühlen würden, oder?
Gerade wollte sie die Türe hinter ihren Kameraden schließen, als sich eines der Mädchen im Bett aufsetzte und sie mit großen Augen anstarrte. Verdammt! Das hatte gerade noch gefehlt, dass das Mädchen sie nun verriet!
Doch anstatt Alarm zu schlagen füllten sich ihre Augen mit Tränen. „Bitte – lasst mich nicht hier!“ wisperte sie kaum hörbar.
Blicke wurden gewechselt und dann wurde genickt und das Mädchen sprang leichtfüßiger aus dem Bett als man es bei dieser bequem aussehenden Matratze vermutet hätte. Auch die schwere, dicke Bettdecke schien sie kein bisschen zu behindern, sie schob sie beiseite als wäre es eine Feder. Stark für so ein kleines Mädchen, das maximal acht Jahre sein konnte. Auch schien sie mehr über den Boden zu schweben als zu laufen, wie Lana mit Staunen bemerkte. Wie konnte jemand so stark sein, was bestimmt eine große Muskelmasse erforderte, und zugleich so leise und leicht?
Erleichtert verließ das Mädchen den Schlafsaal und schloss geräuschlos die Tür hinter sich. Sie sah die Soldaten ohne Angst an und sagte mit leiser Stimme „Ich weiß, dass ich ungeplant bin. Und es ist vermessen zu fragen ob wir noch zwei Kinder retten können. Aber ich biete wertvolle Informationen im Tausch an!“
Einen kurzen Moment nahm der Truppführer sich Zeit, bevor er nickte und sich von dem Mädchen beschreiben ließ, wo er die wichtigen Akten finden würde.
Lana wurde dem Team zugeteilt, das die beiden anderen Kinder retten sollte.
Innerlich seufzte sie. Na toll. Noch mehr Kinder aus einem Gebäude schmuggeln das explizit auf die kleinen Bewohner ausgerichtet schien. Ob das Kind wusste dass die Betten in seinem neuen Zuhause nicht so bequem waren?
Die Kleine führte sie zuerst in einen Schlafsaal in dem offensichtlich Jungen untergebracht waren. Auch hier sahen die Betten groß und bequem aus, jedes Kind hatte sein eigenes und dazu einen großen Kleiderschrank und eine Truhe, in der es offensichtlich die eigenen Habseligkeiten verstauen konnte. Auch der Junge schien nicht allzu tief zu schlafen, schnell war er aufgeweckt und bereit sein derzeitiges Heim zu verlassen. Nichtmal persönliche Sachen schienen die Kinder mitnehmen zu wollen, was Lana zwar wunderte, allerdings war es ihr auch Recht. Weniger Zeug zu tragen.
Sie blickte sich noch einmal um, als der Junge die Tür schloss. Der wandte sich an den nächstbesten Soldaten und auch wenn Lana nicht hörte was die beiden besprachen, so war der Schlachtplan klar, als die Truppe sich in Bewegung setzte und trennte. Drei von ihnen brachten die beiden Kinder raus und der Rest machte sich auf, das dritte Kind zu suchen. Quatsch, suchen! Lana schüttelte innerlich den Kopf. Suchen! So Zielstrebig wie sie voran gingen, hatte zumindest einer von ihnen einen genauen Plan wo sie hinmussten.
Durch mehr Gänge, die erstaunlicherweise immer karger wurden. Keine gemütlichen Sitzgelegenheiten mehr, kein Spielzeug mehr auf dem Boden – hier wirkte es mit all den Reagenzgläsern und komischen Kästen mehr wie in einem Krankenhaus oder einem Labor. Waren sie etwa auf der Krankenstation gelandet?
Noch bevor Lana den Gedanken zu Ende denken konnte, wurde sie auch schon vorgewunken. Ach! Türe auf Sicherungsmechaniken untersuchen! Ja klar, wenn sonst nichts war? Ein kleiner Aufspürzauber zur Auflockerung kam ihr gerade Recht. Keinerlei Sicherheitsvorkehrungen. Diesmal schüttelte sie wirklich den Kopf. Hier hinein zu kommen war ein Spaziergang, warum hatten sie nicht einfach am Tor geklopft? Was auch immer hier war, so schlecht wie das gesichert war, konnte es ja nichts wichtiges sein. Fast schon gelangweilt machte sie die Tür auf, warf einen Blick in den Raum – und wurde beinahe vom Schlag getroffen. Auch ihren Kollegen, die eigentlich den Raum sichern sollten, verschlug es den Atem.
Seltsame Apparaturen standen hier, alle eindeutig dafür geeignet einen Menschen zu beherbergen. Angefangen von Tanks, wie man sie aus Science Fiktion Filmen kannte auch einige, von denen dicke Kabel zu Batterien führten und bei denen es nicht klar war, ob sie Energie entnahmen, oder zuführten. Auch hing in einer Apperatur eine Art Kettenhemd, zusammen mit Handschellen und Fußfesseln, die eindeutig dafür sorgen sollten, dass derjenige, der sich darin befand, nicht wegbewegen konnte. An einigen Apperaturen waren seltsam wirkende Helme angebracht, die fast zu massiv und schwer wirkten um sie zu tragen. Das hier schien eindeutig ein Forschungslabor zu sein. Lana liefen kalte Schauer über den Rücken. Ganz so hübsch wie sie gedacht hatte, schien es hier wohl doch nicht zu sein. Sie löste ihren Blick von den Apperaturen und sah sich suchend um. Wo war denn das Kind dass sie hier raus holen sollten? Sie machte ein paar Schritte in den Raum hinein – nur um gleich wieder zurück zu hüpfen und beinahe bei einem Kollegen in die Arme. Aus der Dunkelheit lösten sich glühende Augen und es war Kettenrasseln zu hören. Eine Hand war schemenhaft in der Dunkelheit auszumachen, langsam schob sie sich vor, getrocknetes Blut an den Fingern.
Eigentlich war Lana ja nicht schreckhaft, aber das hier erinnerte sie sehr stark an einen Horrorfilm. Die Szene wirkte zu unwirklich um wahr zu sein.
Schwer atmend blieb Lana stehen, Hände erhoben um sich jederzeit verteidigen zu können.
Langsam kristallisierte sich ein Mensch aus der Dunkelheit heraus. Ein Mädchen, Lana hätte sie auf etwa vierzehn Jahre geschätzt. Schlank, schwarze Klamotten und dunkle, kurz geschorene Haare. Im düsteren Licht der Notbeleuchtung konnte Lana nicht allzuviel ausmachen, nur dass das Mädchen eine Art Visier trug. Eine Art dunkler Streifen, der das Gesicht um die Augenpartie herum abrundete und dem Kind ein gruseliges Aussehen verlieh.
Offensichtlich war das Visier mit Schrauben direkt am Kopf befestigt worden, denn unterhalb des Visiers waren kleine, getrocknete Blutrinnsale zu sehen, die bis zum Kinn gingen.
Ein schneller Blick nach hinten zeigte ihr, dass auch ihre Kollegen einen gehörigen Schrecken bekommen hatten, denn sie standen da wie erstarrt. Das war ungünstig, denn es war jederzeit möglich, dass sie entdeckt wurden. Lana schnappte sich die Person die am nähesten bei ihr stand und zog sie mit sich in Richtung des Mädchens. Ihre Angst verflog zwar langsam, aber für den Fall des Falles wollte sie nicht alleine da stehen.
Je näher sie dem Mädchen kamen, desto mehr wich Lanas Angst purem Mitgefühl.
In Ketten gelegt stand das junge Mädchen da, ruhig, so als hätte sie sich schon aufgegeben.
Obwohl die Ketten, die sie hielten, noch länger länger waren, schien sie sich nicht mehr bewegen zu wollen.
Lana ging inzwischen nicht mehr davon aus, dass das Mädchen eine Gefahr für sie darstellte. Den kalten Schauer, der ihr immer noch über den Rücken lief, ignorierend, sprach sie das Mädchen an. „Wir sind hier um dich hier rauszuholen. Nicht erschrecken, ich nehm dir jetzt die Fesseln ab.“ sagte Lana so ruhig wie es ihr möglich war.
Zögerlich öffnete das Mädchen den Mund, überlegte kurz, biss sich auf die Lippe und flüsterte dann: „Habt ihr einen Magier dabei?“ Lana blinzelte. Da sprach die Kleine ja gerade mit der richtigen. „Steht vor dir, warum?“ antwortete sie mit gedämpfter Stimme. „Sei vorsichtig. Die Handschellen solltest du aufbekommen, die Fußfesseln sind mit einem stillen Alarm belegt und mit einem Abwehrzauber.“ Lana stockte kurz, doch erinnerte sich dann an das was ihr Vater sie gelehrt hatte, wie man nach Zaubern sucht und einen Gegenzauber fand. Damals hatte sie es belächelt, heute war sie froh darum. Sie hatte gesehen was ein Abwehrzauber anrichten konnte und eine stillen Alarm triggern wollte sie erst Recht nicht. Wenn die Leute hier schon so mit Kindern und Jugendlichen umgingen, wollte sie lieber nicht wissen was ihr blühte, sollte man sie hier entdecken.
Schicht um Schicht untersuchte sie den Zauber und begann ihn aufzulösen, während ihre Kollegen sich zögerlich umsahen, darauf bedacht nichts zu berühren. Die erste Fußfessel war ab, da fiel dem Mädchen noch etwas ein. „Bitte – können wir noch meine Augen mitnehmen?“ und Lana musste sich bemühen nicht zusammen zu zucken. Aus dem Augenwinkel nahm sie wahr, wie ein Kollege einen Behälter aus einem Regal nahm und einsteckte. Ein kurzer Blickwechsel, ein Daumen hoch und auch die zweite Fußfessel war ab. „Die Augen haben wir. Bleibt nur noch eines…“ meinte Lanas Kollege mit gedämpfter Stimme. „Musst du getragen werden?“ Das Mädchen schüttelte den Kopf. „Sehen kann ich.“
Mit einer Sicherheit, die ihr in der Verfassung keiner zugetraut hätte, führte sie die Soldaten sicher durch das Gebäude zu einer unverschlossenen Hintertür und bald waren sie auch wieder durch den Zaun geschlüpft, sodass Flan den Zauber aufheben konnte. Zurück ging es durch die Wiesen zu einem Flugzeug das bereits auf sie wartete. Lana gähnte. Sie fühlte sich, als hätte sie mehrere Tage am Stück durchgemacht und freute sich auf ihr Bett. Doch was sie gesehen hatte ließ sie nicht los. Was trieben die Gegner da nur? Sie würde unbedingt diese Akten in die Hände bekommen müssen…
Die Akten hatte Lana zwar nicht in die Hände bekommen, dafür aber genug aufgeschnappt um sich selber ein Bild machen zu können, dass es bei der Gegenseite nicht so rosig zuging, wie sie sich das zuerst gedacht hatte.
Und dieses Labor konnte sie auch nicht vergessen, bis in die Träume hinein hatte es sie verfolgt. Ein Grund mehr etwas gegen diese Leute zu unternehmen!
Gerade las sie in einem Bericht, den ihr Codo kommentarlos weitergereicht hatte. „Versteh ich nicht.“ gab sie unumwunden zu. „Die wissen doch, dass wir sie beobachten. Warum rüsten sie sich so offensichtlich für den Kampf? Wäre ein Hinterhalt nicht besser geeignet wenn sie uns angreifen wollen?“ und gab Codo den Zettel zurück. „Hagen denkt nicht im Traum daran dass wir ihm etwas entgegen setzen könnten. Für ihn sind wir fette, leichte Beute.“ Lana lachte laut auf. „Na der wird sich noch umschauen! Wann werden sie denn bei uns eintreffen und wie sieht die Verteidigungsstrategie aus?“ wollte sie wissen und lehnte sich gemütlich in ihrem Stuhl zurück. „Also von dem was die Berichte hergeben bin ich mir nicht so sicher ob Hagen daneben liegt.“ meinte Codo und runzelte die Stirn. Lana verdrehte die Augen. „Ja, ja, ich weiß.“ Sie nahm eine theatralische Haltung ein. „Du hast dem Killer in dir abgeschworen und bist zur Seite der Guten gewechselt!“ sie verdrehte die Augen. „Gut sein bedeutet aber nicht, dass man nicht auch mal die härtere Variante wählen darf, das weißt du?“ Codo sah sie verständnislos an. „Nicht mal Helden wie der fiktive Robin Hood waren durch und durch gut. Auch der hat, um seine Ziele durchzusetzen, ordentlich auf den Putz gehauen.“ Codo zog eine Augenbraue nach oben. Robin Hood, von dem hatte er schonmal gehört.
Eher noch von Zorro, seine älteste Tochter war immer noch ein großer Fan des fiktiven Helden. „Robin Hood, Zorro und Consorten in unsere Lage mit hinein zu bringen ist dann doch ein bisschen weit hergeholt, meinst du nicht?“ Lana schüttelte den Kopf und Codo bedeutete ihr, ihm zu folgen. Zeit nachzusehen, ob die Vorbereitungen nach Plan liefen.
Lana zuckte mit den Schultern. „Ich glaub nicht, dass es weit hergeholt ist. Wenn du dir die Originalfassungen der Geschichten ansiehst, isses das gleiche wie bei uns. Genauso wie in jeder Abenteuer Fernsehserie und so weiter. Es gibt nen Bösewicht, der die Erde oder gleich das gesamte Universum unterjochen will, und auf der Gegenseite steht eine Heldentruppe die sich dem Bösewicht tapfer entgegen stellt.“ Codo biss sich auf die Lippe. „Ist das nicht ein bisschen einfach gedacht?“ Lana schüttelte den Kopf. „Nö. Grundsätzlich gesehen ist das Konzept so alt wie die Menschheit selber. Die Menschen leben in Frieden, kommen mit sich selber und der Umgebung klar und dann kommt jemand der will mehr und fängt an alles daran zu setzen mit seinem Anspruch durchzukommen. Und entweder es gelingt ihm, oder er wird aufgehalten.“
Die beiden betraten das Deck des Schiffes auf dem sie sich gerade befanden. Levi hatte keine Kosten und Mühen gescheut und die beiden Flugzeugträger, die er erworben hatte, nicht nur zum wohnen, sondern auch zur Verteidigung ausgerüstet. Diese Verteidigungsmaßnahmen hatten die Soldaten bereits seit den frühen Morgenstunden in Position gebracht und warteten jetzt geduldig auf ihren Einsatz. Codo und Lana staunten nicht schlecht. Mobile Geschütztürme an der Rehling, mittig waren ein paar FLAK Geschütze aufgetaucht, die bereits schwer beladen schienen. Wenn etwas aus der Luft kam, dann würden die Gegner nicht weit kommen. Allerdings fiel Lana auf, dass neben den normalen Geschützen auch noch andere aufgebaut waren – mit merkwürdiger Munition, die sie genauer in Augenschein nehmen musste. Das leichte Glühen kam ihr bekannt vor. Und sie lag mit ihrer Vermutung goldrichtig – Magie. Genauer gesagt aufgerollte Netze, die entweder komplett aus Magie bestanden oder aus irgendeinem sehr durchsichtigem Material und mit Magie verstärkt.
„Wir machen Gefangene?“ fragte sie Codo der seufzte. „Also wenn du wirklich mal meine Nachfolge antreten willst, musst du schon humaner werden, das ist dir klar?“ Lana verdrehte die Augen. „Ich ging nicht von der Option aus, dass wir die Gegner töten! Aber ich war eigentlich der Meinung wir wollten sie nur zurück schlagen.“ Codo lachte. „Das wäre ja eine schöne Verschwendung!“ Lana runzelte die Stirn. „Brauchen wir denn noch mehr Informationen?“ Codo grinste „Je mehr Infos man kriegt, desto besser. Aber denk mal einfacher.“ Lana strengte sich an, aber kam einfach nicht drauf, was Codo wollte. Der grinste selbstzufrieden. „Je weniger Soldaten Hagen hat, desto leichter ist er am Ende zu schlagen.“ Lana stockte und beinahe wäre ihr Mund offen gestanden. Einfach und brilliant – wenn es denn klappte. „Außerdem -„ fügte Codo hinzu „habe ich große Hoffnungen dass sich die gegnerischen Soldaten uns anschließen werden, nach alledem was Hagen ihnen angetan hat.“ Lana knurrte und schmollte. „Ganz toll. Du darfst Infos haben, die dich hoffen lassen und mich lässt du im Dunkeln! Ich will auch wissen welche krassen Experimente Hagen macht!“ Codos Blick verfinsterte sich. „Die Akten darfst du lesen, wenn ich mir sicher sein kann dass du die Experimente nicht nachmachst!“ Die beiden kannten einander inzwischen schon viel zu gut um die Augen davor zu verschließen, dass Lana nicht die Hemmungen hatte, die Codo zurück hielten und gerne mal etwas über die Strenge schlug und auch die ethischen Regeln sehr weit dehnen würde, ließe man sie. Lana seufzte nur und zuckte mit den Schultern. Wenn es nach Codo ginge, dann wäre sie nie bereit dazu. Dabei hatte sie sich gut im Griff, wie sie fand. Bis auf einige eher im Sozialbereich angesiedelte Experimente hatte sie Menschen in Ruhe gelassen und sich für die schulischen Experimente auf Mäuse und später Hamster beschränkt, als man ihr dann die Mäuse weggenommen hatte. Und ganz zum Schluss hatte sie dann gar keine Experimente an lebenden Organismen durchführen dürfen, was sie immer noch ärgerte, wie Codo unschwer an ihrem Gesicht ablesen konnte. „Lana?“ fragte er mit mahnender Stimme. „Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Moral und Ethik…“ „Sind immer noch Verbrechen, auch wenn man die Versuchsobjekte mit Schmerzmitteln und Opiaten vollstopft.“ brummelte Lana verärgert, wurde aber abgelenkt von ein paar Punkten, die am Horizont auftauchten.
„Ich glaube es geht los!“ meinten sie und die Sirene, die alle auf ihre Posten berief. Schon wollte die junge Frau an die Rehling laufen und einen genaueren Blick auf die Szenerie werfen, wurde jedoch von Codo zurück gehalten. Mit tiefem Seufzen blieb sie an ihrem Platz stehen und beobachtete das Geschehen.
Codo warf einen Blick auf seine Begleiterin, die voller Eifer und Tatendrang dastand und sich vermutlich direkt in den Kampf geworfen hätte, hätte er sie nicht aufgehalten. Natürlich, denn sie wollte etwas beitragen und sie kannte den Krieg und kriegerische Handlungen maximal aus Büchern und Videospielen. Wie sollte sie wissen, dass die Realität nichts erstrebenswertes war? Fast schon beneidete er sie um die Unschuld die sich hier zeigte, die Überzeugung unbeschadet aus dem Kampf hervorzugehen, wenn man seine Sache nur richtig machte… Er wurde von einem dumpfen Schlag und einem Zittern, dass durch das Schiff lief, aus seinen Gedanken gerissen. Lana sah fasziniert auf das Metall unter sich. „Wow! Wenn die es schaffen nen Flugzeugträger so zum wackeln zu bringen, dann müssen die aber ordentliche Geschosse haben!“ stellte sie fest und warf einen genaueren Blick auf die Boote, die sich näherten und nicht alle von den Verteidigungskräften auf Abstand gehalten werden konnten. Es waren reine Truppentransporter, keine Kriegsschiffe die mit Waffen ausgestattet waren. Zumindest konnte Lana keine erkennen. „Können sie dem Schiff etwas anhaben?“ fragte Codo nervös. Mit einem Mal konnte er es nicht mehr verdrängen, dass er auf dem Meer war. Auf einem Boot. Zugegebenermaßen ein großes Boot, aber auch dieses war nicht unsinkbar. Lana zuckte mit den Schultern. „Da mir Informationen vorenthalten wurden, hab ich keine Ahnung. Ich weiß zwar dass die Schiffe einen magischen Schutz haben, aber wie lange der hält – keinen blassen Schimmer. Unsinkbar ist unser Boot hier jedenfalls nicht.“
Ja, es war gemein Codo das jetzt so hinzuknallen, aber sie war immer noch beleidigt, dass er ihr nicht zutraute sich im Griff zu haben. Immerhin war sie keine Schülerin mehr und sie hatte die letzten Jahre durchaus bewiesen, dass sie mit den ihr anvertrauten Menschen achtsam umging.
Ein erneuter Angriff traf das Schiff, dieses Mal nicht am Rumpf, sondern an Deck. Und Lana verstand, warum die Gegenseite ihre Boote nicht mit Waffen bestückt hatte.
Sie hatten es einfach nicht nötig. Magie reichte ihnen vollkommen aus, um eine Bedrohung zu sein. Lana hüpfte einen Schritt zurück, als die Ausläufer der Attacke sie zu berühren drohten. Es sah aber auch sehr gefährlich aus. Aus einer Art Energieball hatten sich viele kleine Blitze gelöst, die jetzt über den Boden zuckten, direkt aus Codo und Lana zu. Codo sah dem ganzen gelassen entgegen. Fast schon neugierig ging er in die Knie und sah wie die Blitze nach und nach verblassten und schließlich nichts mehr von ihnen übrig war. „Wie kannst du so ruhig bleiben?!“ fragte Lana aufgebracht und Codo drehte sich zu ihr um. Er antwortete mit einer Gegenfrage. „Was hast du gesehen?“ „Blitze?!“ antwortete sie entgeistert. „Blitze die dich grillen können!“ Ganz wollte Codo das offensichtlich nicht gelten lassen. „Ist dir sonst nichts aufgefallen?“ hakte er nach und Lana schüttelte verblüfft den Kopf. Was sollte ihr schon aufgefallen sein, außer dass ihre Gesundheit in Gefahr war? Codo warf einen prüfenden Blick zu den Angreifern. „Zu nah…“ murmelte er und machte sich für einen direkten Kampf bereit, während die ersten magischen Attacken um sie herum einzuschlagen begannen. „Ihre Magie funktioniert anders als die unsrige.“ rief er Lana zu. „Sie ist schwächer und hat hat eine limitierte Reichweite!“ Mehr konnte er ihr nicht mit auf den Weg geben, denn rund um ihn brach das Chaos aus, das kriegerische Auseinandersetzungen mit sich brachten.
Auf beiden Schiffsdecks tauchten Magier auf und auch von den Gegnern hatten es einige aufs Deck geschafft, alle hatten die Geschütze nicht abfangen und aufhalten können. Und die Guardians waren nicht nur mit dabei, sondern kämpften so gut sie konnten direkt an vorderster Front.
Links und rechts von ihm schlugen magische Angriffe unterschiedlichster Art ein, während Codo versuchte, sein magisches Schild zu stabilisieren und gleichzeitig die Gegner zurück zu drängen. Trotz des Trainings der letzten Tage war er immer noch gewaltig aus der Übung. Und dennoch konnte er sich behaupten. Endlich. Das Schild war stabil und in einer ruhigen Sekunde konnte er sich versichern, dass seine Leute alle noch standen. Zeit einen Angriff zu starten! Kurz zuckte er zusammen und dachte an das letzte Mal, als er einen Kampfzauber versucht hatte. In seinem Übermut hatte er nicht auf die richtige Ausführung geachtet und sich und seine Einheit in eine andere Dimension befördert. Was sie schließlich auch in dieses Schlamassel hier gebracht hatte. Noch einmal würde ihm so etwas nicht passieren! Er stellte sich breitbeinig hin und beruhigte seine Atmung. Kurz schloss er die Augen und zog, wie er es vor so langer Zeit gelernt hatte, die Magie in sich zusammen. Konzentriert auf einen Punkt in seiner Handfläche hielt er sie noch ein wenig zurück, öffnete die Augen und sah sich um. Gerade war wohl eine neue Welle von Gegnern gekommen und ein kleiner Stich durchzuckte ihn. Verdammt sahen die jung aus! Nicht ansatzweise alt genug um auch nur an so etwas wie Kämpfe denken zu müssen! Aber sie schienen wild entschlossen. Eines der Mädchen hatte ihn entdeckt und rief ihren Kameraden zu, sich ihn zu schnappen. Das kam ihm und der Attacke entgegen. Langsam sprach er den Spruch, der seine Magie entfesseln würde, wartete mit dem letzten Wort noch etwas, bis genug Gegner auf ihn zurannten und rief das letzte Wort laut hinaus.
Mit dem Zauberspruch ließ er auch die Magie los und wie ein gewaltiger Hammer sauste die Magie auf die Teenager und jungen Erwachsenen hinab, die ihre Beute schon sicher gewähnt hatten. Mit gewaltiger Kraft wurden sie zu Boden geworfen und konnten sich nicht mehr aufrichten. In Panik sahen sie sich um. Was zum Teufel war dieses Energiefeld, dass sie zu Boden drückte?
Auch Lana hatte die Attacke beobachtet und staunte nicht schlecht. Das konnte sie noch nicht! Sie würde Codo, wenn das hier vorbei war, fragen müssen wie er das angestellt hatte. Während Jubelrufe an ihr Ohr drangen und sie Rufe wie „Sie ziehen sich zurück!“ durch die Luft schallten, stand die junge Frau noch vor einem Problem. Dieses schätzte sie auf ungefähr siebzehn bis neunzehn Jahre alt und so gut ausgebildet, dass es ihr die Hölle heiß machte. Während die Kameraden ihres Angreifers inzwischen fast alle gefangen genommen waren oder am Boden lagen, hatte es sich dieser junge Mann wohl vorgenommen, den Spieß umzudrehen und Lanas habhaft zu werden. Ansich keine schlechte Strategie, dann hätte er vermutlich einen Trumpf im Ärmel, doch Lana hatte keine Lust darauf, eine Geisel zu werden und wehrte sich mit Leibeskräften.
Inzwischen waren die beiden von der Magie zum reinen Faustkampf übergegangen und Lanas Gegner war langsam verzweifelt. Offensichtlich hatte man ihnen nicht gesagt dass die Gegner derart wehrhaft waren. Dem jungen Mann wurde es offensichtlich zu bunt und er versuchte sich den langen Zopf seiner Gegnerin zu greifen. Lana bemerkte wie Finger durch ihre Haare glitten und ein Grinsen, dass viele als „verrückt“ eingestuft hätten zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab. Der Gegner spielte nicht fair? Dann war sie auch nicht mehr dazu verpflichtet. Mit schneller Drehung wandte sie sich um und packte den jungen Mann am Ohr. Nicht das beste, aber das erste, was sie zu fassen bekam. Sie zog kräftig daran und schaffte es, den Gegner aus dem Gleichgewicht zu bringen und setzte zur finalen Attacke an. Nicht unbedingt nachahmungswürdig, aber immerhin effektiv schaffte sie es, ihrem Gegner die Beine wegzuziehen und ihn mit einem heftigen Stoß gegen die Brust nach hinten umkippen zu lassen. Beinahe wäre sie auch noch mit umgekippt, wurde aber von Damek, der ihr gerade zu Hilfe geeilt war, aufgefangen. Gemeinsam war der junge Mann kein Problem mehr und es dauerte nicht lange und die Gegner waren alle festgesetzt.
Während die Soldaten der Gegenseite unter Deck gebracht wurden, suchte sich Lana eine Wand zum dagegen lehnen. „Das nächste Mal lass ich das mit dem selber zaubern sein. Dauert ja viel zu lang und is damit echt ineffizient. Vor allem wenn wir Waffen haben die man mit verzauberten Patronen befüllen kann!“ meinte sie. „So unzufrieden mit deiner Leistung?“ wurde sie von Damek gefragt, der sich neben sie an die Wand lehnte. Codo stieß zu ihnen. „Wie zum Teufel hast du das vorhin gemacht?!“ wollte Lana wissen. „Kannst du mir das auch beibringen?“ ihre Augen begannen zu glitzern. Codo lächelte. „Ach das… Das ist gar nicht so schwierig. Ich zeige es dir bei Gelegenheit.“ Er runzelte die Stirn. „Wenn ich mir dich so anschaue, dann wohl eher früher als später!“ Der Kampf war an Lana nicht spurlos vorbei gegangen und jetzt, wo das Adrenalin nachließ, merkte sie selber wo es überall weh tat. Nicht nur blaue Flecken, sondern auch einige Platzwunden und ein paar Verbrennungen zierten Hände, Arme und Gesicht. Sie sah sich Damek und Codo an, welche – bis auf eine minimale Verbrennung auf Dameks Wange offensichtlich keinen Schaden davon getragen hatten. Und sie verstand, was Codo ihr vor nicht allzu langer Zeit erzählt hatte. Zuerst hatte sie sich nichts darunter vorstellen können als Codo ihr erzählt hatte, dass der Job der Guardians es gewesen war, die Leute, die sich gegen den König gewandt hatten auf möglichst abschreckende Art und Weise aus dem Weg zu räumen, damals, als sie noch in ihrer Dimension gewesen waren. Zusammen mit dem was sie heute gesehen hatte ergab das durchaus Sinn, genauso wie die weißen Uniform, die jeder der alten Generation noch im Schrank hängen hatte. Wenn sie es geschafft hatten, dass diese niemals schmutzig geworden war, egal wie sehr sie gekämpft hatten, dann hatte es bestimmt eine starke abschreckende Wirkung gehabt, alleine den Trupp zu sehen. Genau wissend wie scheinbar mühelos es für diese Männer war, ihre Gegner aus dem Weg zu räumen…
Sie räusperte sich. „Also ihr müsst ja nicht wirklich auf die Krankenstation. Aber hättet ihr Lust mich zum Arzt zu begleiten und mir ein paar Fragen zu beantworten?“ Damek und Codo wechselten kurz einen fragenden Blick, nickten dann jedoch. „Sicher. Was möchtest du denn wissen?“ fragte Damek freundlich und hielt die Tür auf, durch die sie ins Schiffsinnere gelangten. Lana schlüpfte hindurch. „Wieso ist deren Magie anders als unsere? Was ist der Unterschied?“ wollte sie wissen. Codo und Damek wechselten einen vielsagenden Blick und Damek nickte. Schon immer war er gut im erklären gewesen und auch Codo hatte er damals ausgebildet. Daher war es nur verständlich, dass sein ehemaliger Schützling sich jetzt auf ihn verließ. „Dir ist es also noch nicht aufgefallen?“ fragte Damek und Lana winkte ab. „Was? Dass die Sprüche, welche die Leute von hier draufhaben, unterschiedliche Stärken haben, je nachdem in welcher Sprache sie gesprochen werden? Dass hier die Stärke und Reichweite nicht über die Menge an Magie, die man freisetzt, gesteuert wird?“ fragte Lana und zog eine Augenbraue nach oben. Das hatte sie doch schon lange gemerkt. Während sie gelernt hatte, die Energie die sie zur Verfügung hatte in magische Energie umzuwandeln und dann mit Hilfe der passenden Sprüche freizusetzen, war die Magie für die Menschen dieser Welt nur über die entsprechenden Sprüche zugänglich, wenn man es ihnen nicht anders erklärte. Je älter die Sprachen, in denen die Zaubersprüche aufgesagt wurden waren, desto stärker war auch der Zauber. Etwas, das Lana schon immer seltsam gefunden, jedoch hingenommen hatte.
Damek grinste. „Also doch nicht blind. Sehr schön.“ Lana grummelte. Als wenn ihr das entgangen wäre! „Was für Zaubersprüche haben denn die Gegner verwendet?“ Lana überlegte und dachte an den Kampf zurück. Abrupt blieb sie stehen und ihre Augen wurden groß. Sie konnte sich nicht erinnern, überhaupt einen gesprochenen Zauberspruch gehört zu haben! „Aber… Wie?!“ fragte sie verwundert. Codo seufzte. „Tja, das Geheimnis gilt es jetzt zu lösen.“
Als sie sich zwei Tage später zur Lagebesprechung trafen, war Codo immer noch nicht schlauer. Gemeinsam mit Lana hatte er sämtliche Unterlagen gewälzt, derer er hatte habhaft werden können, jedoch keinen Hinweis darauf gefunden, wieso die Gegner so gar keine Zaubersprüche verwenden mussten, um Magie freizusetzen. Entnervt ließ er sich auf seinen Stuhl fallen und seufzte laut.
Nicht nur Levi sah ihn fragend an. „Ist doch gut gelaufen bisher? Warum bist du nur so derart frustriert?“ wollte Elin wissen. „Weil mir im Kampf einige Dinge aufgefallen sind, die keinen Sinn ergeben und auf die ich auch keine Antwort gefunden hab.“ Luka sah ihn mitleidig an. „Du hast also auch keine Antwort darauf warum Hagens Leute eine andere Magie einsetzen als wir?“ Wenngleich Luka aus dieser Welt kam und in anderer Magie unterrichtet war wie Codo, so hatte doch auch er den signifikanten Unterschied bemerkt. Codo hob eine Augenbraue. „Du hast also auch nachgesehen?“ Luka seufzte. „Ja, allerdings war ich wohl immer einen Schritt hinter dir. Die Unterlagen, die ich brauchte, hattest immer du.“ „Warum hast du nichts gesagt?! Wir hätten zusammen nachschauen können!“ „Weil ich mir nicht sicher war und erstmal nachforschen wollte, bevor ich mich in der Runde hier blamiere.“ Levi seufzte. „Also, wenn wir über den Status noch nicht hinaus sind, frag ich mich, ob wir Hagen überhaupt entgegen treten sollen.“ Kai schnaubte und sah sich ungläubig um. Codo war schon zu Ohren gekommen, dass der rothaarige General für seine Arroganz und Überheblichkeit bekannt war. Er erwartete schon das Schlimmste, wurde aber von bestechender Logik überrascht. “Müssen wir denn überhaupt wissen, wie sie ihre Magie freisetzen?” fragte er in die Runde und erntete verwirrte Blicke. “Nicht falsch verstehen, wäre schon schön, das Ganze zu verstehen, aber um diesen Krieg zu gewinnen, brauchen wir das Wissen nicht unbedingt, solange unsre Magie wirkt und wir uns zur Wehr setzen können?” Leere Gesichter um ihn herum, deren dazugehörige Gehirne diese Aussage erstmal verarbeiten mussten. Doch sobald die Nachricht angekommen war, sah man Köpfe nicken. Rational und präzise und es nahm die Verantwortung von den Schultern, die eh schon drohten, unterzugehen. Die Rettung der Welt wirkte im Fernsehen und in Büchern immer deutlich leichter, als sie das in echt war. Daniel mampfte vor Erleichterung erstmal einen seiner geliebten Kekse. “Also, solang wir noch die Oberhand behalten, ist es kein Problem, dass wir die Details nicht kennen? Dann müssen wir aber trotzdem bald an mehr Informationen kommen. Lange werden sich unsre Truppen nicht mit “Wir haben leider noch keinen blassen Schimmer.” hinhalten lassen, denn wenns uns aufgefallen ist, dann ist es auch ein paar schlauen Köpfen unter den Soldaten aufgefallen. Und die haben meiner Meinung nach ein Recht darauf zu wissen, gegen was für eine Art von Magie sie da antreten.” “Das sowieso.” meinte Levi und starrte auf die Tischplatte als würde sie ihm die gewünschten Antworten geben, würde er nur intensiv genug darauf starren. “Und wir haben wirklich alle Möglichkeiten ausgeschöpft, um an Infos zu kommen?” “Wenn du nicht grad jemanden dort einschleusen willst, der Undercover ermittelt, dann ja.” meinte Elin und Codo lief ein kalter Schauer über den Rücken, als er sich daran erinnerte, was er in der einen Nacht gesehen hatte. Levi schüttelte den Kopf. “Also eins ist sicher, diesen abartigen Experimenten setz ich meine Leute nicht aus.” Selbstverständlich hatte er die Akten gelesen die damals in der Nacht und Nebel Aktion mitgenommen worden waren und wenn es ihn nicht gerade gegruselt hatte, dann hatte er sich gefragt wie sein Cousin, der doch in der selben Familie wie er selber aufgewachsen war, Menschen nur derart als Ressource sehen konnte. Vor allem als nachwachsende.
“Dann sollten wir mit dem nächsten Punkt weiter machen.” kam es von Lukas. “Hagen hat den Erstschlag ausgeführt – wie erwidern wir ihn?” Das traf sich, Codo war gestern Nacht nochmal durch die ihnen vorliegenden Fakten gegangen und hatte einen Schlachtplan ersonnen, den er selber als brilliant bezeichnet hätte, aber das wollte er lieber nicht hinaus posaunen, nicht dass man ihn für zu abgehoben hielt. “Der nächste Schritt wird euch gefallen, Leute.“ Codos Augen blitzten vor Freude. “Erinnert ihr euch, dass die IT sagte, sie kommt nicht weiter wegen Hagens starker Firewall?” Nicken und fragende Blicke um sie herum. Codo grinste. “Hagen höchstpersönlich wird sie für uns ausschalten.” “Diese Aussage halte ich aber für sehr gewagt.” meinte Levi zögernd und Codo grinste noch breiter. “Am Wochenende ist in Cornwall ein kleines Springturnier für Kinder, zu dem Hagen als Besucher gehen wird, denn er ist einer der Sponsoren. Wir werden auch vor Ort sein, ihm dort einen USB Stick unterjubeln auf dem sich ein Trojaner befindet der seine Firewall ausschaltet.” Was ein geníaler Plan!
“Und wieso sollte er einen fremden USB Stick verwenden?” fragte Lukas. Alles was Recht war, aber so blöd, dass er die gängigen IT Sicherheitsregeln nicht beachten würde war Hagen nicht. “Und selbst wenn das klappt – seine IT wird den USB Stick doch prüfen, oder? Und da fällt so ein Programm doch auf.”
Breiter konnte Codos Grinsen nicht werden, so sehr er sich auch daran versuchte. “Nicht laut der IT. Die haben das passende Virus schon auf diesem USB Stick, der mir auf dem Turnier ganz unversehens aus der Tasche fallen wird.” er legte einen USB Stick auf den Tisch, auf dem das Logo der Militärakademie prangte. “Nicht schlecht. Und was wird Hagens Crew auf dem Stick finden?” fragte Daniel misstrauisch. Er hatte eigentlich keine Lust, auch nur ansatzweise wichtige Daten an den Gegner weiterzugeben, aber es musste ja auch irgendwo glaubwürdig sein. Codo schluckte und versuchte, einen Gesichtsausdruck aufzusetzen, der ihn irgendwie edel und reich aussehen lassen würde. “Alles wissenswerte zu Kois. Zur Haltung, zur Fütterung und von welchen Züchtern man seltene und teure Exemplare bekommt.”
Stille machte sich im Raum breit. “Kois.” fragte Levi nur und hob eine Augenbraue. “Und das ist weshalb glaubwürdig, wenn du den Stick verlierst? Ich meine, ja, du hast Pferde, aber von Pferden zu Kois isses doch ein etwas weiterer Weg.” Codo schüttelte den Kopf und schmunzelte. “Nicht wenn man in Betracht zieht, dass ich vor kurzem ein Luxus Reitzentrum erworben habe, in dessen Hotel sich ein Koiteich befindet.” Levi nickte. Ok, das ergab irgendwo Sinn. Elin grinste. “Stellt euch mal die Gesichter der IT vor, wenn sie die Files öffnen. Und dann genauso dumm gucken wie wir. Ich kann das fragende “Kois?” schon fast hören.” Das brachte den Rest des Trupps auch zum schmunzeln. Die Vorstellung war schon erheiternd.
“Bleibt nur noch eine Frage.” stellte Kai fest. “Was zum Teufel machst du mit dem USB Stick in Cornwall?” Codo lächelte entspannt. “Ich habe Pferde. Und ich habe Kinder auf dem Hof die mir in den Ohren liegen, sie wollen unbedingt mehr Turniere reiten. Und so als Pferdebesitzer muss ich doch gucken, wie gut meine Pferde abschneiden, oder nicht?”
Der Plan hatte herausragend geklappt und Codo war auch noch in den Genuss einiger Platzierungen gekommen. Gut, das war nicht sein Verdienst, aber er rechnete es trotzdem in den Erfolg seines Planes mit rein. Endlich hatte er das Gefühl, dass etwas vorwärts ging, als er mit Lana ein letztes Mal die Waffen überprüfte, die sie für den bevorstehenden Einsatz brauchen würden.
Dadurch, dass sie die Firewall der Gegner geknackt hatten, hatten sie, bis auf ein Forschungslabor, alle Standorte gefunden, an denen Hagen sein Unwesen trieb und waren gerade dabei, einen Standort nach dem nächsten dem Erdboden gleich zu machen.
Die Lager waren als erstes dran gewesen, diese hatten sie super einfach überfallen und leerräumen können. Danach noch gezielt sprengen und der Albtraum, der ihnen da entgegenstand, verlor immer mehr von seiner furchteinflößenden Wirkung. “Bin ja mal gespannt, was die ohne ihren Nachschub überhaupt noch anstellen können!” meinte Lana und lud das letzte Reserve Magazin für ihre Waffe. Schnell war es an ihrem Gürtel angebracht und sie sah den letzten Soldaten nach, die gerade zur Tür rausgingen. Nun waren nur noch die Magier im Raum, welche zwar mit zum Schlachtfeld sollten, aber nur zur Not eingesetzt werden sollten. Denn auch die nicht magischen Soldaten waren mit Waffen ausgestattet, die mit magischen Attacken geladen waren, und sollten somit den Magiern der Gegenseite genug entgegenzusetzen haben. Codo sah auf die futuristisch anmutende Waffe in seiner Hand. Ob das alles so funktionieren würde, wie sie sich das vorstellten? Um ihn herum machten sich seine Freunde bereit, um mit den andren Magiern in das Transportflugzeug zu steigen, das sie an ihren Zielort bringen sollte. Er spürte eine Hand auf der Schulter. “Na, worüber denkst du jetzt schon wieder nach?” Damek, der ihn ausgebildet hatte und sowas wie ein großer Bruder für ihn geworden war, sah ihn freundlich an. “Ach, über nichts wirklich wichtiges. Eigentlich drücke ich uns nur die Daumen, dass alles gut läuft.” Damek klopfte ihm nur auf die Schulter und Codo folgte seinen Kameraden nach draußen
Im Flugzeug angekommen nahmen sie alle auf den Sitzen Platz, die in der Transall angebracht worden waren und noch während sie sich anschnallten, startete die große Maschine. Nur keine Zeit verlieren, hieß die Devise.Schweigend hing jeder seinen eigenen Gedanken nach und nur ab und an wurden ernste Blicke getauscht, bis die Transall langsam und kaum merklich in den Tiefflug ging. Zeit sich abzuschnallen und sich zu positionieren. Das Flugzeug würde nicht landen, sondern langsam und tief genug fliegen, dass sie herausspringen können würden.
Direkt vorweg stand Lana, die sich schon ungemein darauf freute, all das gelernte in die Tat umsetzen zu können. In den Sinn, in welcher Gefahr sie sich befand, kam ihr nicht, sie fühlte sich unbesiegbar. Sie war eine Kriegsmagierin, verdammt gut und bisher hatte ihr noch kaum einer das Wasser reichen können. Was sollte denn schon groß passieren?
Die Ladeluke öffnete sich und sie nahm Anlauf und sprang einfach hinaus, mitten ins Getümmel.
Um sie herum Ohrenbetäubender Lärm, die Transall hatte sie nicht Nahe des Kampfgeschehens abgesetzt, sondern mittendrinnen. Anstatt erst die Lage zu sondieren und dann dahin zu laufen, wo sie hinmusste, war sie genau in einen Kampf hinein gesprungen. Sie konnte sich gerade noch zur Seite retten, bevor sie ein Feuerball beinahe zu Asche verwandelt hätte. Blitzschnell sprang sie zur Seite, gewann einen kurzen Überblick über die Situation. Auf dem Gelände, das an ein verlassenes Fabrikgelände mit mehreren Hallen erinnerte, tobten mehrere Kämpfe. Sie hörte aus dem Headset “Linke Flanke, aufschließen!” und lud die Waffe. “Squad M eingetroffen” hörte sie eine bekannte Stimme aus dem Headset und sogleich eine Anweisung. “M 5 nach Rechts zum Eingang! Backup!” Damit konnte sie doch was anfangen! M 5 war das Dreierteam, das aus ihr, Keraco und Faris bestand. Da rannte auch schon Keraco an ihr vorbei und sie freute sich. Schön, einfach nur hinterherrennen, dann musste sie sich nicht orientieren. Allzu groß war der Platz vor dem Gelände nicht, also mussten sie auch nicht so weit laufen. Wieso waren die Älteren eigentlich immer so besorgt? Klappte doch alles, was wollten sie denn?
In einem Moment hatte sie sich das noch gedacht, im nächsten wurde sie von einer Windböe erstmal gut ein, zwei Meter zurückgeschleudert und hatte Mühe auf den Beinen zu bleiben. Wo war das denn hergekommen? “Lana!” Huch, Keraco klang doch sonst nicht so verzweifelt? Sie sortierte sich und sah, wie Keraco immer tiefer in den Betonboden gezogen wurde. Wo zum Teufel steckte denn Faris, wunderte Lana sich, als sie, so schnell sie konnte, zu Keraco eilte, der noch versuchte auszumachen, wo der Gegner steckte, der ihn im Boden versinken ließ. Fast hatte Lana ihn erreicht, als sie plötzlich von etwas schwerem zu Boden geschleudert wurde.
Codo öffnete die Augen, nachdem er einen tiefen Atemzug genommen hatte und versuchte, das Chaos um ihn herum auszublenden. Er hörte die Anweisungen in seinem Headset und sah die magischen Attacken um ihn herum wirbeln. Es brauchte nur wenige Sekunden, bis das Chaos sich zu einem Verteidigungsplan zusammenfügte. Die Gegner konzentrierten sich hauptsächlich darauf, das Gebäude auf der rechten Seite zu schützen, und auch dort zog es die meisten von Levis Leuten hin. Der Verdacht lag aber auch nahe, dass dort etwas schützenswertes war. Doch auch vor den anderen Gebäuden warteten vereinzelt Gegner, die versuchten Levis Leute vom eindringen abzuhalten. Da diese aber kein großes Problem darzustellen schienen, scannte Codo das gesamte Gebiet. Das war wesentlich organisierter, als sie es vermutet hatten. Vorbereitet waren die Gegner zwar nicht gewesen, dafür waren sie dann doch zu unorganisiert, doch sie schienen einen guten Strategen zu haben, der das Ganze überblickte und entsprechende Anweisungen gab. Und genau den galt es jetzt auszuschalten. Wo mochte er sein? Also garantiert nicht bei den Kämpfenden, er musste weiter oben stehn oder sitzen, von wo aus er das Ganze beobachten konnte. und dann sah Codo ihn. Ein junger Mann mit strohblonden Haaren, der mit Argusaugen über das Feld wachte und immer mal wieder Befehle in sein Headset sprach. Gelassen stand er da, so als würde er gerade mit einem Freund telefonieren und nicht eine Masse an Soldaten befehligen. Na dem würde er jetzt einheizen. Codo hatte es schon immer gehasst, wenn die Leute wirkten, als würden sie ihm in einem Kampf nicht die nötige Aufmerksamkeit entgegen bringen. Zeit dem Bengel da oben ordentlich einzuheizen! Er begann auf das Gebäude zuzurennen, hörte hinter ihm noch Damek rufen, fluchen und ihm dann noch Leute hinterherschicken. Er konnte sich lebhaft vorstellen, was sein Freund von ihm dachte, doch das war ihm egal. Er hatte sein Ziel klar vor Augen, wich auf seinem Weg Feuerbällen und Erdbrocken aus, die seinen Weg zu kreuzen drohten und fühlte, dass Adrenalin durch seinen Körper strömen.
Lana hatte sich zum Glück schnell wieder aufrappeln können, denn sie spürte wie der Boden unter ihr bereits weich wurde. Eine absurde Situation, hatte sie Beton doch eigentlich als hartes, beständiges Material kennengelernt – jetzt war darauf kein Verlass mehr. Beizeiten musste sie lernen, wie man den Boden verflüssigte, doch jetzt galt es erstmal, Faris aufzuhelfen, den man nach ihr geworfen hatte. Faris hatte sich zum Glück gut abfangen können und kaum Verletzungen davon getragen. Zeit Keraco aus seiner Misere zu befreien, der schon bis zur Hüfte im Beton steckte. Schnell war sie bei ihrem Freund und lud eine Windkugel in ihre Waffe. Gut genug gezielt würde der gespeicherte Windstoß Keraco hoffentlich aus dem Boden herausheben, so dass er freikommen würde. Vorsichtshalber eine zweite Windpatrone nachladen, Ready? Aim – und fire!
Der Plan funktionierte leider nicht so schön wie angenommen, fast riss es Keraco von den Beinen und so weit ging der Windstoß auch nicht in die zähe Masse, dass es ihn komplett rausbekommen hätte. Also nochmal nachladen, schießen und – verdammt, immer noch bis zu den Knöcheln im Beton! Sie fühlte, wie Faris sie beiseite schob, es dauerte ihm zu lange. Auf so einem Schlachtfeld zählte jede Sekunde, vor allem weil sie ja eigentlich als Backup gedacht waren, nicht erst ewigst mit sich selber beschäftigt sein sollten! Er wies auf die anderen Soldaten, die nahe genug an den Gegnern waren, um von ihnen handgreiflich attackiert zu werden. Viel zu nahe, um eine großflächige Attacke zu machen. Verdammt, da half auch die schöne Schusswaffe nicht weiter, die Patronen beinhalteten großflächige magische Angriffe. und es waren auch keine Pflanzen da, deren Ranken oder Wurzeln man hätte beschwören können… Lana gingen die magischen Ideen aus. Wenn keine Magie möglich war, dann musste sie halt anders rangehen. Sie sicherte ihr Gewehr und ließ es dann in seinem Gurt baumeln, der über ihre Schulter verlief und schnappte sich die Pistole die sie mitgenommen hatte. Sie entsicherte die Waffe und stürmte auf die Gegner zu. Ein ungläubiger Schrei kam ihr zu Ohren, als das erste Gummigeschoss sein Ziel fand. Damit hatte bestimmt keiner gerechnet, dass hier jemand mit normaler Munition zu einem Kampf zwischen Magiern auftauchte. Noch drei Schüsse und sie hatte genug Zeit für ihre Kollegen rausgeholt, dass diese sich befreien und die Gegner handlungsunfähig machen konnten. Lana wurde zur Bewachung der Gegner abgestellt, während ihre Kollegen in das Gebäude eindrangen. Faris und Keraco positionierten sich nicht weit von ihr, das Schlachtfeld im Auge behaltend, für den Fall, dass andre Magier der Gegenseite angreifen würden. Und so traute sie ihren Augen nicht, als sie einen ihr wohlbekannten Mann sah, wie er durch die Menge an Kämpfen rannte. Was zum Teufel tat Codo da?
Codo war in seinem Element. Nur ein Gegner auf den er sich konzentrieren musste, war genau seine Kragenweite. Natürlich hatte der Blondschopf ihn schon bemerkt und ahnte wahrscheinlich, dass Codo ihn anvisierte. Doch das konnte ihn trotzdem nicht vor seinem Ende retten, so wie er da auf dem Präsentierteller stand. Codo grinste, stoppte und gab seinen ersten Schuss ab. Und gleich danach noch einen zweiten. Erst ein relativ ungefährlicher Wasserball und danach aber gleich noch eine Blitzkugel hinterher. Das würde dem Typen den Rest geben! Codo konnte froh sein, dass Damek ihm ein paar Leute mitgeschickt hatte, die sämtliche Gegenangriffe für ihn aus dem Weg räumten, sonst wäre sein Plan nie im Leben aufgegangen. Dennoch staunte er nicht schlecht als der Blondschopf sich blitzschnell einfach zur Seite bewegte und dem Angriff einfach auswich! Na gut, dann eben nochmal! Diesmal nicht nur mit Betäubungsabsicht, sondern aufs Ganze. Der Feuerball würde ihm schon beibringen, dass man Codo nicht einfach so auswich!
Auch der nächste Schuss lief nicht so wie Codo sich das gewünscht hätte. Denn der gegnerische Befehlshaber wich erneut aus. Noch während Codo sich überlegte, welchen Angriff er als nächstes durchführen sollte und ob er von den einfachen magischen Angriffen der Schusswaffe zu komplizierterer selbst ausgeführter Magie wechseln sollte, klappte ihm die Kinnlade nach unten. In Ruhe setzte der Blondschopf sein Headset ab und öffnete aus dem nichts heraus mit einem Fingerschnippen ein Portal. Zeitgleich erschienen überall in der Nähe ihrer Gegner Portale, durch welche diese den Rückzug antraten. Innerhalb weniger Minuten blieben nur noch wenige gegnerische Magier übrig, nur die, die man zuvor schon festgesetzt hatte. So intensiv der Kampf gewesen war, so still war der Rückzug geschehen und Codo war sich nicht sicher, ob sie das nun als Sieg verbuchen konnten oder nicht.
Auch am nächsten Tag war sich Codo absolut unsicher, ob man die gestrige Attacke als Erfolg verbuchen konnte und so hatte er sich zusammen mit Lana in einem von Levis Laboren eingefunden, in welchem Safar an einem Prototyp einer neuen Waffe bastelte. Auch wenn er, wie er selber sagte, nur in der IT mitarbeitete, war Codo die Sichtweise seines Sohnes wichtig.
Lana hatte es sich auf einem der Laborstühle bequem gemacht und drehte sich gerade lustlos hin und her. “Also ich bin mir ja nicht sicher, ob wir da gestern überhaupt was gerissen haben.” Auch Codo seufzte hörbar und starrte Gedankenverloren an die Decke. “Also es ist grundsätzlich nie verkehrt, mehr Leute dabei zu haben. Aber so einen großen Unterschied haben wir nicht gemacht, glaub ich.” Safar sah vom Bildschirm auf. “Dann müsstet ja ihr beiden eine extreme Minderleistung abgeliefert haben. Der Rest der Guardians sind heute schon beim nächsten Stützpunkt.” Lana und Codo sahen einander an und runzelten die Stirn. Was das wohl zu bedeuten hatte?
Die Tür ging auf und ein wohlbekanntes Gesicht zeigte sich. “Hier seid ihr also! Da kann man ja lang suchen…” “Levi, was treibt dich denn hierher?“ wollte Codo wissen und Safar murmelte, seine Augen wieder fest auf den Bildschirm gerichtet. “Der ist bestimmt wegen euch hier. Ich hab bisher nur Bestleistungen abgeliefert.” Das Schnauben Lanas ignorierte er gekonnt. “Solltest du mich nicht auf Händen tragen?” grummelte Lana und Safar warf ihr einen Luftkuss zu. “Wir wissen beide, dass es eher andersrum wäre, meine Liebste. Für dich die Muckis, für mich die Schokolade.” Lanan knurrte nur noch mehr, wohlwissend, dass Safar darauf anspielte, dass sie auf ihre schlanke Linie achten musste, wollte sie ihre Fitness beibehalten, und es missfiel ihr. Levi kam herein und machte eine beschwichtigende Geste. “Ich seh schon, das nächste Mal muss ich ein Memo mitschicken, wenn ich nicht die gesamten Guardians rausschicke.” “Hrmmmm.” kam es von Codo. “Wäre schon nett zu erfahren, was du so denkst.” Levi lachte. “Beruhig dich, ich hab nur gesehen, dass meine Leute gut genug ausgebildet sind, dass ich die Magier wirklich nur als Backup brauche. Und dass ich meine Generäle nicht aufs Schlachtfeld mitschicken muss, sondern hierbehalten kann.” Lana meldete sich zu Wort. “Er ist der General, nicht ich. Warum bin ich nicht draußen mit den Truppen?” Hatte Faris sie angeschwärzt, weil sie ihm gestern zu viel Zeit damit vertrödelt hatte, Keraco zu retten? Doch Levi nahm ihr die Ängste. “Na, bist du nicht Codos selbsternannte Stellvertreterin und Nachfolgerin? Klar machst du dich auf dem Schlachtfeld bestimmt gut, aber wärs nicht besser, dich hier zu haben, für den Fall, dass Codo was passiert?” “Und was sollte ihm passieren?” meinte Lana misstrauisch und stand auf. War das etwa eine versteckte Drohung? “Reg dich ab! Mir ist klar, dass Codo hier sicher ist, aber eine Erkältung kann er trotzdem bekommen. Oder eines seiner Pferde rennt ihn über den Haufen und dann muss er sich erstmal einen Tag ausruhen.” “Oh” Lana ließ sich wieder auf den Stuhl sinken. Ja gut, das wäre im Bereich des Möglichen und dann hatten noch nicht mal Levi oder Hagen etwas damit zu tun. Zumindest vermutlich. Lana traute den beiden nicht so Recht über den Weg, so freundlich sie auch waren.
Levi wandte sich an Safar. “Schön dich hier zu sehen! Ihr habt mit dem Virus ja einen grandiosen Schachzug möglich gemacht. Wirklich fantastische Arbeit von euch…” er hielt inne und Safar warf ihm einen fragenden Blick zu. “Tut mir Leid, mir fällt gerade kein guter Begriff für das Team ein, das sich darum gekümmert hat. Ich weiß, dass ihr keine Computer Zauberer seit, ihr seit verdammt gut ausgebildete Fachleute, auch wenns mir wie Magie vorkommt was ihr da vollbracht habt.” Levis Blick drückte echtes Bedauern aus und Safar widmete sich wieder seinem Computer Bildschirm. “Verstehe. Na ja, ein bisschen Wertschätzung wäre nicht schlecht… Ein paar Tage Wellness Urlaub nach der harten Arbeit würde den “Computer Zauberern” gut gefallen.” Levis Blick hellte sich auf. “Nichts leichter als das, sollt ihr haben. Ich werde mich noch heute darum kümmern!” “Nicht so schnell.” hielt Lana ihn davon ab sofort wieder aus dem Labor zu stürmen. “Ich hätte da noch eine Frage.”
“Hm?” Levi sah sie fragend an und sah in ein misstrauisches Gesicht. “Werden uns hier Informationen vorenthalten?” Codo und Levi machten erstaunte Gesichter. “Ehhh… Wie kommst du bitte darauf?” wollte Codo wissen. Er war es zwar gewohnt dass Lana alles hinterfragte, im speziellen auch hinsichtlich des Krieges von Levi und Hagen, aber dass sie ihr Misstrauen so offen äußerte, das war neu. “Ich dachte, Portalmagie beherrschen nur noch ganz wenige in dieser Welt und die, die sie beherrschen stellen sie nicht kriegerischen Leuten wie uns zur Verfügung, da wir viel zu viel Blödsinn damit anstellen würden? Aber der Typ gestern konnte definitiv ein Portal aus dem nichts heraus erschaffen. Also muss Hagen wissen, wie man Portale macht. Und du dementsprechend ebenso, denn ihr habt dieselbe Magie gelernt.” Codo nickte bedächtig. “Stimmt, das mit dem Portal gestern war schon seeeehr auffällig. Bei weitem nicht das einzig merkwürdige, aber auf jeden Fall das Detail, das am meisten Aufsehen erregt hat.”
Levi zuckte mit den Schultern. “Also mir liegen keine anderweitigen Informationen vor.” Er hob abwehrend die Hände. “Schaut mich nicht so kritisch an! Ich hab wirklich keine Ahnung wie Hagen es geschafft hat an die Portalmagie zu kommen oder wie “seine” Magie funktioniert. Und aus den Unterlagen und Soldaten, die wir gestern in die Hände bekommen haben, sind wir noch nicht schlau geworden.” “Wird langsam mal Zeit, dass wir an diese Infos kommen.” grummelte Lana unzufrieden.
Auch die dritte Basis von Hagen war nach wenigen Tagen eingenommen und zerstört worden. “Jetzt fehlt nur noch eine!” frohlockte Lukas, der sich mit Codo in der Kantine zusammen gesetzt hatte und genüsslich seinen Salat mampfte, während Codo eine Karte aufgeschlagen hatte und darüber brütete, während er sein Sandwich verschlang. “Irgendwo muss die Basis doch sein…” Er grübelte schon den ganzen Morgen darüber, wo die letzte und laut den Informationen auch wichtigste Basis ihres Gegners versteckt sein konnte. Denn darüber war bisher nicht viel in den Unterlagen zu finden gewesen. “Zermarter dir nicht das Hirn, freu dich lieber, dass wir so weit gekommen sind! Viele Möglichkeiten zum verstecken hat Hagens Armee nicht mehr.” Codo schnaubte. “Nur die gesamte, verdammte Welt. Aber nein, ist ja nicht viel. Und dank uns hat er auch nicht mehr so viele Leute die er verstecken muss.” Lukas gluckste erfreut. “Wir haben seine Armee ganz schön reduziert, nicht wahr? Übrigens, ich hab gehört dass deine Jungs und Mädels auf dem Schlachtfeld echt gute Arbeit leisten. Die meisten Gefangennahmen haben wir deinen Leuten zu verdanken.” “Das ist.. schön? Gut? Spricht dafür, dass meine Leute gut ausgebildet sind. Leider auch dafür, dass wir hier so schnell nicht aus der Sache rauskommen. Apropos rauskommen – mich wundert, dass noch keiner den Versuch gemacht hat, die Gefangenen zu befreien.”
Auf Codos Worte folgte ein dumpfer Ton von oben auf dem Schiff. Und nochmal einer, diesmal heller. Lukas seufzte schwer. “Du musstest es ja unbedingt heraufbeschwören, oder?” “Glaubst du wirklich, das sind Hagens Leute, die nach den ihrigen suchen?” Lukas sah mit Bedauern auf sein Mittagessen. “Ich trau mich sogar zu Wetten. Und das wos heute in der Kantine so was leckeres gibt!” “Na dann iss doch auf?” meinte Codo mit Schulterzucken. Lukas war sehr erstaunt. “Willst du nicht mitkämpfen?” Codo schnappte sich das nächste Sandwich. “Wozu? Wenns tatsächlich Hagens Leute sind, dann sind sie eh nicht genug, um eine ernste Bedrohung darzustellen. Und außerdem haben wir selber mehr als genug fähige Leute, um mit ihnen fertig zu werden. Außerdem würde Lana mich wahrscheinlich umbringen, wenn ich mich einmischen würde. Ich hab ihr versprochen, dass sie sich als Teamleader versuchen darf, wenn nochmal ein Angriff von Hagens Leuten auf die Schiffe kommt.”
An dieses Versprechen erinnerte sich auch Lana, die sich auch schon gefragt hatte, ob Hagen seine Magier nicht zurück haben wollte. Nach dem ersten Angriff auf feindlichem Grund hatte sie schon sehr mit sich gehadert. Natürlich war es wichtig gewesen Keraco nicht im Stich zu lassen, dennoch hatte sie eine gewisse Überforderung an sich selber festgestellt, die auch anderen aufgefallen war. Den einzigen Trost hatte sie darin gefunden, dass ihr Codo gesagt hatte, dass es eben auch Leute gab, die sich eher als Organisatoren eigneten, anstatt als Kämpfer. Und dafür gesorgt hatte, dass sie sich heute einmal nicht als Kämpferin in das Chaos stürzte, sondern versuchen sollte, den Überblick zu behalten und Anweisungen zu geben. An ihrer Seite stand Damek, der auch schon Codo ausgebildet und dessen Talente erkannt hatte. Beide hatten hinter den Soldaten Stellung bezogen und versuchten, von erhöhter Position aus Herr der Situation zu bleiben.
Die Flotte, die sich Hagen da zusammengebaut hatte, bestand aus insgesamt vier ehemaligen Flugzeugträgern, die umgebaut worden waren, um Menschen und Tiere zu beherbergen, anstatt Kampfflugzeuge. Begleitet wurden sie von sieben Zerstörern, zwei davon mit Railguns ausgestattet. Eigentlich eine fantastische Bewaffnung, um Feinde auf Abstand zu halten, nur schien das Hagens Leute weder zu beeindrucken, noch zu kümmern, denn die ersten tauchten trotzdem an Deck auf. Irgendwann würde Lana es herausfinden wie Levi es schaffte mit einer solchen Schiffsflotte unbehelligt die sieben Weltmeere befahren zu können, doch heute galt ihr Interesse nur den Leuten, die interessanterweise genau wussten auf welchem Schiff sich die Gefangenen befinden mussten. “Feuer!” gab Lana den Befehl und sah die erste Welle von Magiern fast wieder über die Rehling fallen, als sie den auf sie abgefeuerten Feuerbällen auswichen. Fast schon langweilig, dass die Soldaten nur wenig verschiedene Magie einsetzten, aber gerade Windmagie, Feuermagie und Wassermagie hatte sich für den Nahkampf am effektivsten erwiesen. Eigentlich auch Erdmagie, aber Erde und Gestein waren auf einem Schiff leider Mangelware. Sie konzentrierte sich und versuchte eine stabile mentale Verbindung zu Damek hinzubekommen. Ihr Vater und die anderen Älteren der Guardians nannten es lapidar “Gedankenlesen”, doch die Magie dahinter war für wesentlich mehr gut als nur in jemandes Kopf zu spionieren. Sehr zu Lanas Leidwesen war es auch schwierig zu erlernen und sie tat sich schwer mit der Anwendung. Dieses Mal klappte es und sie konnte mit Damek Gespräche führen, die nicht von den Soldaten mitgehört werden konnten. Nicht dass es etwas geheimes gewesen wäre, aber sie wollte die ihr anvertrauten Truppen nicht unnötig verwirren. “Wir haben gesehen, dass sie Portalmagie beherrschen, warum klettern die immer noch den Schiffsrumpf hoch? Sollten die nicht einfach überall auftauchen können wo sie wollen?” Damek nickte. “Die Frage hab ich mir auch schon gestellt. Aber ich vermute jetzt einfach mal, dass das eine schwierige Technik ist, die nicht jeder kann. Wenn sie so einfach wäre, hätte Levi sonst bestimmt schon herausgefunden wie das funktioniert.” Das klang schlüssig. “Team F, schnappt sie euch!”
Damit setzte Lana jenes Team in Bewegung, das dafür zuständig war, die gegnerischen Soldaten festzusetzen. Die zweite Welle an Soldaten war inzwischen über die Rehling geklettert und die Verteidiger hatten auch diesen Magiern ziemliche Schwierigkeiten bereitet. Jetzt schienen sie abgelenkt genug, dass sie nicht erahnen würden, dass man sie fing um sie zu befragen und ihnen einen Ausweg aus Hagens Imperium der Gewalt zu bieten. Den soviel hatten sie inzwischen herausbekommen. Keiner der Magier auf Hagens Seite hatte sich freiwillig für den Dienst in seiner Armee gemeldet. Wie er es schaffte, so viele Menschen einfach so zu unterdrücken, war Lana zwar noch schleierhaft, aber das würde sie wahrscheinlich noch herausfinden. Jetzt konnte sie erstmal zusehen wie die Angreifer ganz nach Plan von den Energienetzen eingewickelt wurden und zu Boden gingen. Netze, die aus Magie gewoben worden waren und mit ganz schwacher elektrischer Ladung aufgeladen worden waren. Grad genug, um den Gegner zu Fall zu bringen, ähnlich einem schwachen Elektroschocker. Nur mit höherer Reichweite.
Während sich Lana durchgeben ließ, dass fast keine Gegner mehr übrig waren und sich ein Lächeln auf ihre Lippen stahl, sah sie im Augenwinkel etwas, das sie schon ein paar Tage zuvor beschäftigt hatte. “Och nö, oder?” entfuhr es ihr und sie sah schon einen Fuß aus dem Portal ragen. Blitzschnell brachten die Soldaten die Gefangenen mit vereinten Kräften außer Reichweite und die übrigen gingen in Abwehrhaltung. Der Blondschopf schien aber kein Interesse an den Soldaten vor ihnen zu haben, sondern wandte sich mit klarer und überheblicher Stimme an die Soldaten. “Wo ist euer Befehlshaber? Ich möchte ihn sprechen!” Lana seufzte und wechselte einen kurzen Blick mit Damek, der eine ganz klare Haltung hatte. “Sprich mit ihm. Wer weiß, vielleicht hat es ja einen nutzen für uns.” Darauf hatte sie zwar eigentlich keine Lust, aber sie machte sich auf den Weg, genau hörend wie der Blondschopf nochmal nach dem Befehlshaber fragte, dieses Mal jedoch ungehaltener.
“Reg dich ab, ich komm ja schon!” rief sie ihm zu und schritt gemächlich durch die Reihen der Soldaten durch, die ihr Platz machten. Sie stellte sich in lässiger Pose vor den Blondschopf, musterte ihn von oben bis unten und fragte. “Da bin ich. Was willst du?”
Der Blondschopf verbarg seine Verwunderung nicht. “Du bist nicht Codo Macaulay.” Lana schnaubte amüsiert. “Blitzmerker. Ich bin Lana Flame, seine Stellvertreterin und heute die Befehlshaberin. Und mit wem hab ich das zweifelhafte Vergnügen?” “Oliver.” keine dargebotene Hand zum schütteln, keinerlei Anzeichen von Freundlichkeit.
“Hallo Oliver.” Lana verschränkte die Arme vor der Brust. “Und was willst du hier?” “Ihr werdet mir meine Soldaten zurückgeben und euch auf der Stelle ergeben!” Lana zog fragend eine Augenbraue nach oben, während sie die magische Energie in ihrem Körper zusammenzog. “Sonst noch Wünsche?”
Oliver sah sehr verwirrt aus. Wieso war die junge Frau nur so unbeeindruckt? Immerhin stand ein mächtiger Gegner vor ihr und sie tat so als hätte sie es mit einem kleinen Kind zu tun. Der blondhaarige junge Mann schüttelte den Kopf. Lana nickte. “Nicht? Ok, dann kommt hier die Antwort: Nein.” Ungläubige Blicke um sie herum und sie konnte sich fast denken, was in den Köpfen vorging. Sie konnte vor allem an Olivers Blick ablesen, dass er mit dieser Antwort nicht gerechnet hätte. Doch anstatt sich auf ein Wortgeplänkel einzulassen, sprach Lana einen Zauberspruch, der, wie sie zumindest hoffte, Olivers magische Kräfte zumindest blockieren würde, bis sie den Zauber wieder von ihm nahm.
Oliver fühlte sofort, dass etwas anders war. Noch bevor Lana reagieren und ihn festhalten konnte, stürmte er zurück zu seinem Portal, das zu flackern begann, und schaffte es gerade noch hindurch, bevor es gänzlich verschwand.
“Verdammt!” fluchte Lana. So war das nicht geplant gewesen. “Na warte, Oliver.” knurrte sie enttäuscht. “Dich krieg ich schon noch!”
Es war Sonntagmorgen und auf dem Mühlenhof hörte man nur das leise Surren des Gabelstaplers, der die Heuraufen in den Ställen mit neuem Inhalt versorgte. Beinahe hätte Sophie den Mann, der plötzlich auf dem Hof aufgetaucht war, über den Haufen gefahren. “Huch?!” rief sie erstaunt und erschrocken aus, nur um danach zu schimpfen. “Na sagen Sie mal, wissen sie denn nicht, dass man nicht hinter einem Gabelstapler rumläuft? Ich hab doch hinten keine Augen! Wer sind sie denn überhaupt und was machen Sie hier, das ist Privatgelände!” Zum Glück kam es äußerst selten vor, dass sich Fremde auf den Hof verirrten, auch wenn er an einem öffentlichen Weg lag. Dennoch hatte Sophie schon ab und an Fremde des Hofes verweisen müssen, jedoch noch nie so früh an einem Sonntagmorgen. “Verzeihung Frau Lainely. Da hab ich mich wohl etwas ungeschickt angestellt. Eigentlich wollte ich zu Codo. Ist er denn zu Hause?” Sophie stockte der Atem. Der Typ kannte ihren Namen und wollte zu Codo. Das konnte nichts Gutes bedeuten. Sie stieg von der Ameise und versuchte, sich ihre Besorgnis nicht anmerken zu lassen. “Da ist er garantiert, aber er schläft bestimmt noch. Aber kommen sie mal mit rein, ich weck ihn gern für sie. Wen darf ich denn anmelden?” “Sagen Sie ihm, Hagen möchte ihn sprechen.” Sophie fluchte, das hatte sie irgendwie geahnt. Aber was zum Teufel tat der denn hier? Und waren irgendwo noch welche von seinen Leuten versteckt? Mit mulmigen Gefühl führte sie ihn ins Haus, die Treppe nach oben in den offenen Bereich, den die Bewohner nutzten, wenn sie es sich gemütlich machen wollten. Sie wies auf die Sofas, von denen eines in der Ecke stand und eines vor dem Kamin. “Bitte, nehmen sie Platz, ich hole derweil den Chef für sie.”
So schnell sie konnte, rannte sie um die Ecke und stürmte auf die Schlafzimmertüre von Codo zu. Ihr heftiges Hämmern an der Tür riss nicht nur Codo aus dem Schlaf, der sich fragte, was denn nun schon wieder los war, sondern auch Flan und Rhodry, die ihre Zimmer gegenüber hatten. Alle steckten ihre Köpfe aus den Zimmertüren. “Sag mal, was machst du denn für nen Lärm?” wollte Codo wissen und fuhr sich durch die zerzausten Haare. “Kannst du einen nicht leiser wecken?” beschwerte sich Rhodry ungehalten. Sophie verdrehte die Augen. “Klar, ich schleich an dein Bett und flüster dir ins Ohr, dass Hagen bei uns im Kaminzimmer sitzt und den Chef sprechen will, oder wie?”
Das brachte Leben in die müden Männer, innerhalb von fünf Minuten stürmten alle drei an Sophie vorbei, welche nur mit den Schultern zuckte und wieder rausging. Die Pferde wollten versorgt werden und sie würde schon noch früh genug erfahren, was Hagen hier wollte.
Codo hatte sich inzwischen, begleitet von Rhodry und Flan, im Kaminzimmer eingefunden und setzte sich zu Hagen auf die Couch, auf der er Platz genommen hatte. Rhodry und Flan lehnten sich nicht weit entfernt an die Wand und beäugten den Mann misstrauisch, der nicht anders aussah als ein mittelalter, blonder Mann, in Jeans mit T-Shirt mit Allerweltsgesicht. Es hätte ihm keiner der drei angesehen, dass er ein mächtige und furchteinflösender Magier war, der danach trachtete, die Weltherrschaft zu übernehmen und die Welt nach seinen Vorlieben umzugestalten.
“Was treibt dich her, Hagen?” fragte Codo und versuchte sein Unbehagen zu unterdrücken. Warum ausgerechnet hier und nirgendswo anders? Was hatte dieser Mann nur vor?
Hagen kicherte. “Keine Sorge, ich führe nichts im Schilde, ich wollte nur mit dir reden. Und auf den Schiffen meines Cousins wäre das nicht so ohne weiteres möglich gewesen.” Das war wahr, wenngleich Codo es Hagen durchaus zutraute, einfach bei einem Widersacher im Büro aufzutauchen und nach einem Kaffee zu fragen. “Und worüber willst du mit mir reden?” fragte Codo und dachte bei sich, dass so ein Kaffee jetzt doch was feines wäre. Es war einfach zu früh für ein ernstes Gespräch. Aber er konnte sich schon denken, dass Hagen genau darauf abgezielt hatte.
„Nachdem, was deine Stellvertreterin neulich gezeigt hat, sollte dir klar sein, dass ich solche Kräfte nicht einfach Levi überlassen kann. Ich wusste ja, dass du und deine Leute mehr können, als ihr so im Allgemeinen zeigt, vielleicht auch mehr, als ihr euch selber zutraut. Aber das neulich? Excellent. Wir haben den Zauber bisher immer noch nicht aufheben können, Lana hat wirklich wunderbare Arbeit geleistet. Daher noch einmal die letzte, höfliche Aufforderung an dich – bitte arbeite von jetzt ab für mich. Es soll nicht dein Schaden sein.”
Codo gähnte. Das hatte ihm gerade noch gefehlt. “Hagen, ich habs dir schonmal gesagt, aber ich sags dir gerne nochmal. Nein. Die Gründe solltest du ja noch im Kopf haben.” Codo erhob sich und streckte sich, hoffend, dass sich das jetzt ein für allemal erledigt hatte. Eines musste man Hagen doch lassen – er war hartnäckig und das auf seine ganz eigene, durchaus höfliche Art und Weise.
Auch Hagen stand auf. “Es tut mir Leid, dass ich zu solchen Mittel greifen muss, aber du hast es ja nicht anders gewollt.” Hinter Rhodry und Flan öffnete sich ein Portal und die beiden Männer, die bisher an der Wand gelehnt hatten, stürzten ohne den Halt noch hinten. Während die beiden noch versuchten, sich abzufangen, schloss sich das Portal auch schon wieder und die beiden waren verschwunden.
“Du weißt, wozu ich in der Lage bin, Codo. Es wäre besser, du würdest ab jetzt für mich arbeiten.” Mit diesen Worten öffnete er noch einmal ein Portal, trat hindurch und schloss es hinter sich. Codo stand da und starrte fassungslos in den leeren Raum. Dieses Blatt hatte sich jetzt aber verdammt schnell gewendet.
Der Sonntag war verstrichen und Kiki packte gerade alle ihre Schulsachen für den nächsten Tag zusammen, als die Tür hinter ihr schwungvoll aufging. “Klopfen ist also inzwischen überbewertet?” fragte sie ruhig und drehte sich um. Seltsam, Lana war sonst eher nicht so in Panik.
“Hast du deinen Vater heute gesehn?” Kiki überlegte. Jetzt wo Lana das ansprach – nein, seltsamerweise nicht. Sie schüttelte den Kopf. “Vermutlich ist er bei irgendeiner Besprechung oder so?” Sie zuckte mit den Schultern und wollte sich gerade wieder ihrer Schultasche zuwenden, als Lana die Bombe platzen ließ. “Sophie ist heute morgen von Hagen überrascht worden. Er wollte mit Codo sprechen, was er auch wohl getan hat. Sophie hat zusammen mit Codo meinen Papa und Rhodry geweckt und sie dann allein gelassen. Kurz darauf hat sie mitbekommen, wie Codo den Hof verlassen hat und seitdem sind alle drei nicht mehr aufgetaucht.” Das Heft entlitt Kikis Händen und segelte zu Boden. “Was sagen die Suchzauber?” “Verliefen erfolglos.”
Das erklärte warum Lana zu Kiki gekommen war. Diese hatte einmal ein mächtiges Amulett von ihrem Großvater bekommen, dass es ihr ermöglichte, Personen zu finden, auch wenn diese mit Hilfe eines Zaubers verborgen waren. Kiki trat an ihren Schrank und öffnete die Schmuckschublade. “Wen suchen wir zuerst?” “Wir?” Lana war anzusehen, dass sie nicht darüber nachgedacht hatte, Kiki mit einzubeziehen. “Mein Amulett. Wir.” stellte Kiki klar und hängte es sich um. Lanas Blick wanderte zur Schultasche. “Entweder wir sind schnell, oder du wirst mich morgen krank melden müssen.” Kurzzeitig dachte Lana daran, das jetzt noch kurz zu erledigen, aber verwarf den Plan wieder. Wenn sie Kiki jetzt krankmeldete, würde Levi wissen, was im Busch war. Und sie wollte keine schlafenden Hunde wecken. “Na dann, auf gehts.” Sie schnappte sich Kiki und nahm sie mit, in den Heuschober des Hofes, wo schon ein paar andere warteten. Kiki konnte Safar, Kenneth, Keraco und Arcale in der bereits einsetzenden Dunkelheit ausmachen. “Habt ihr inzwischen herausgefunden, was passiert ist?” Keraco nickte und wirkte einen Zauber, der zwar instabil war, aber zeigte, wie Hagen Rhodry und Flan mit dem Portal fortschaffte. Arcale ließ sich auf einen der Heuballen plumpsen. “Meinen Informationen zu Folge ist Codo direkt zu Levi maschiert und wurde seitdem nicht mehr gesehen. Und der Rest unsrer Eltern wurde auf irgendeine seltsame Mission geschickt.” “Das erklärt aber nicht, warum wir noch hier sind. Sollten wir nicht auch auf der Mission sein?” fragte Kenneth und blickte düster drein. Lana wiegte den Kopf nachdenklich hin und her. “Na ja, vermutlich geht er nicht davon aus, dass wir dem Ganzen so schnell auf die Schliche kommen würden.” Kiki, die irgendwie nicht so Recht verstand was die besorgten Gesichter sollten, sah in die Runde. “Ist denn überhaupt sicher gestellt, dass mein Vater verschwunden ist? Nicht dass er mit den Erwachsenen schon auf dem Weg ist, Flan und Rohdry zu retten.”
Arcale zog eine Augenbraue fragend nach oben und sah von Lana zu Kiki und wieder zurück. Offensichtlich war Lana etwas durch den Wind. “Levi leugnet Codo heute überhaupt gesehen zu haben, auch wenn die Sicherheitskamera vor seinem Büro etwas gegenteiliges beweist.” sie zeigte Kiki die Aufnahme, die einen aufgeregten Codo Levis Büro betreten ließ und nach kurzer Zeit zusammen mit Levi wieder verlassen. Der Zeitstempel war eindeutig von heute morgen. “Abgesehen davon, sind rund um den Hof in den Bäumen Wachen postiert. Unverkennbar Levis Leute.” “Was können wir denn dann überhaupt machen? Ich meine, die sehn doch alles, auch wenn wir den Hof verlassen? Sind uns dann nicht eh die Hände gebunden?” “Nicht mit der Ablenkung, die Sophie gerade vorbereitet. Wir müssen nur noch kurz einen Schlachtplan zusammenbasteln und dann retten wir erstmal Codo.” erklärte Lana und man sah in ihren Augen dass es sie schmerzte, ihren eigenen Vater hintenan zustellen. Aber Codo war wesentlich einfacher aufzufinden. “Codo ist auf jeden Fall nicht an den üblichen Orten auf den Schiffen, auf denen man Gefangene vermuten würde.” Das erklärte Kiki, warum sie bereits so früh dazu geholt worden war. Levis Flotte beinhaltete zu viele Schiffe, um es ohne Hilfsmittel zu versuchen. “Arcale, Safar und ich bleiben hier. Kiki, Kenneth und Keraco, sobald ich euch das Zeichen gebe, macht ihr euch auf den Weg zum Portal und schlüpft hindurch.” Das magische Portal, dass den heimischen Hof mit so vielen Orten auf der Welt verband und dass sie von einer befreundeten Magierin geschenkt bekommen hatten. Einmal mehr waren alle froh, dass sich Codo dazu entschlossen hatte, zumindest ein bisschen Magie auf dem Hof zuzulassen.
Kenneth, Keraco und Kiki nickten. Lana linste nach draußen und gab Sophie ein Zeichen. Mit einem Mal brach auf den Koppeln ein Tumult aus und kurz danach konnte man ein Fluchen hören und Pferdehufe, die über den Boden galloppierten. “Team K – ausrücken!” Die drei rannten so schnell sie konnten auf das Portal zu, bemüht sich nicht vom Tumult ablenken zu lassen der auf dem Springplatz herrschte, auf dem Sam und Sophie sich lautstark und gespielt verzweifelt bemühten ein paar ausgebüchste Hengste wieder einzufangen. Ob das die Wachen ablenken würde? Hier blieb nur die Hoffnung, genauso wie dass auf der anderen Seite des Portals keine Wache postiert war. Die drei schlüpften durch das magische Portal an der Rückwand des Geräteschuppens und fanden sich im Inneren eines der Schiffe Levis wieder. Keine Wache die auf sie wartete, Glück gehabt. Nun war es an Kiki und ihrem Amulett, welches gute Dienste leistete. Es führte sie durch eine Unmenge von Gängen, vorbei an den Räumen der Militärakademie, die auch auf einem der Schiffe untergebracht war, hin zu den Wohneinheiten der Offiziere. Immer weiter bis sie schließlich vor einer Tür standen. Die drei tauschten einen verwirrten Blick. Zwischenzeitlich hatten sie auch auf dem Schiff gewohnt, bis Codo Lucy die Pferde abgekauft und seinen Pferdehof gebaut hatte. Sie alle kannten die Türe. Hier wohnte Levi höchstpersönlich. “Wenigstens wurde er standesgemäß und weitesgehend gemütlich untergebracht.” flüsterte Kenneth, während er Keraco dabei zusah wie dieser ohne große Mühen das Türschloss knackte. Kiki sah hoch zu der Sicherheitskamera und hoffte dass Safar sie drei darüber überwachte und sie nicht irgendeinen stillen Alarm auslösten.
Aus der geöffneten Türe drang seichtes Schnarchen und vorsichtig schlichen die drei in die Wohnung, lugten ins Wohnzimmer, wo Levi auf der Couch lag und zu irgendeinem Actionfilm eingeschlafen war. Aus einem der Räume war ein heftiges Poltern und Fluchen zu hören. “Levi, mach die Tür auf!” Die Stimme kannten sie, wenngleich nicht ganz so heiser. Codo schrie sich hier wohl schon länger die Seele aus dem Leib. Gerade waren sie an der Tür angekommen, als Levi von seinem eigenen Schnarchen aufwachte. Blitzschnell gingen sie in die Hocke, während Levi sich streckte und aufsetzte. “Jetzt gib schon Ruhe. Tut mir ja echt Leid, dass ich dich einsperren musste, aber die Gefahr, dass du wegen Rhodry und Flan zu Hagen überläufst, ist mir einfach zu groß. Keine Sorge, in ein paar Tagen haben wir herausgefunden, wo Hagen seine letzte Basis versteckt, dann finden wir die beiden auch und ich lass dich raus. Versprochen!” Er stand auf und ging in die Küche. “Und hör auf so gegen die Tür zu poltern, da wird sonst noch wer auf dich aufmerksam. Ich hab keine Lust auf Erklärungen. Außerdem kann ich dir kein Abendessen reinbringen, wenn ich Angst haben muss, dass du mich gleich überfällst!” Kenneth hatte inzwischen den Zauber gelöst, der auf der Tür lag und Keraco war dabei auch dieses Türschloss zu knacken. Codo trommelte immer noch wie ein Wahnsinniger gegen die Tür. Levi seufzte. “Gut, dann gibts eben nur für mich Eintopf.” Er schloss die Küchentür, ganz offensichtlich genervt von Codos Getöse und man konnte hören, wie er in der Küche mit den verschiedenen Utensilien hantierte. Die Chance für die drei! Keraco hatte inzwischen die Türe geöffnet und Kiki winkte ihren verblüfften Vater heraus. Abgesichert durch Kenneth traten sie den Rückzug aus der Wohnung an, nicht ohne die Türe wieder abzuschließen und den Zauber wiederherzustellen und die Wohnungstüre wieder zuzumachen. Levi sollte möglichst lange nichts davon ahnen, dass sein Gefangener entkommen war.
Zu viert traten sie so schnell sie konnten den Rückweg zum Portal an, in der Hoffnung, dass auf ihrer Seite des Portals alles für die Rückkehr vorbereitet war. Sie wurden nicht enttäuscht. Zurück zu Hause warteten, gut getarnt im Schatten, Lana, Safar und Arcale darauf, den Rückkehrern schwarze Tücher überstülpen, auf dass diese in der Dunkelheit nicht mehr zu sehen waren. Im Schutze der Dunkelheit schafften sie es unerkannt zurück ins Haus und atmeten erstmal erleichtert auf. Ein Teil war schon mal geschafft.
Was dieser Teil nach sich ziehen würde, daran hatte keiner von Ihnen gedacht, obwohl es eigentlich offensichtlich gewesen war. Lana hatte nur wenige Stunden geschlafen, als Sophie wachrüttelte. “Wasn los?” murmelte Lana verschlafen und erkannte Sophies besorgtes Gesicht. “Da steht jemand in der Eingangshalle der dich unbedingt sprechen will.” “Mitten in der Nacht?” Lana war nicht überzeugt. “Mitten in der Nacht? Lana – es ist schon fast morgen! In einer Stunde gehn regulär die Wecker!” Das hieß, es war fünf Uhr morgens. Nun gut, die eine Stunde mehr würde jetzt auch nichts bringen. Aber verdammt, sie hatte echt nicht bedacht wie lange Codos Rettungsaktion gedauert hatte – das war doch länger gewesen als sie vermutet hatte. Sie schwang sich aus dem Bett und tapste gähnend in die Eingangshalle, wo sie einem entzürnten Levi gegenüber stand. Ups.
“Guten Morgen?” versuchte sie es mit Höflichkeit, doch diese wurde gekonnt ignoriert. “Wo steckt Codo?!” Jetzt musste Lana all ihre schauspielerische Leistung aufbringen, was angesichts der frühen Stunde gar nicht so einfach war und sie hoffte inständig dass Levi ihr die verschlafene Ahnungslose abkaufte. “Mit den anderen auf Mission?” sie zuckte mit den Schultern. “Also zumindest wenn sie nicht mitten in der Nacht heimgekommen sind und ich das nicht mitbekommen hab.” sie gähnte erneut. “Ich kann mal nachschauen, ob er in seinem Bett liegt.” “Das mach ich schon selber!” wutentbrannt stürmte Levi an ihr vorbei und war schon halb die Treppe oben, als ihm eine wutschnaubende Adrya entgegen kam. “Ah! Levi! Schön dass du da bist! Du kannst mir doch sicherlich erklären wo, mein Mann ist?” Lana war beeindruckt. So wie Adrya da ans Treppengeländer lehnte und aussah als würde sie Levi jeden Moment in der Luft zerreißen, nahm man ihr die wütende Ehefrau zu hundert Prozent ab. Passend dazu öffnete sich auch noch die Tür von Kikis Zimmer und sie sah sehr niedlich aus wie sie da in ihrem pinken Schlafanzug mit den Regenbögen und Einhörnern darauf aus der Tür tapste, um die Ecke bog und von Adrya zu Lana blickte und wieder zurück. “Ist Papa wieder da?” Levi sah sich verwirrt um und sein Blick blieb an Lana hängen, die hilflos mit den Schultern zuckte. “Dann hat Hagen ihn.” Levis Miene verfinsterte sich und er stürmte zur Haustür hinaus. Im Vorbeirennen hörte Lana ihn noch schimpfen dass der Rest der Guardians noch auf Mission waren und er noch warten müsse bis er seinem Cousin die Leviten lesen konnte.
Die Tür fiel hinter ihm ins Schloss und Codo kam die Treppe herunter. “Dem ist der Erfolg zu Kopf gestiegen. So verbissen hab ich ihn ja noch nie erlebt.” Lana nickte und gähnte erneut. “Tja, damit ist die Nacht für mich wohl vorbei.” Kiki hob fragend eine Augenbraue. “Es gibt jetzt nur noch einen Ort an dem wir noch nicht gesucht haben. Hagens Schloss höchstpersönlich. Und nur eine Möglichkeit Levi zuvor zu kommen und es so aussehen zu lassen als wäre Codo dort gewesen. Und zwar wenn wir vor Levi dort sind.”
“Und wie?” wollte Kiki wissen.“Ich mein, wir werden immer noch überwacht und wenn wir nicht grad n Feuer legen, fällt mir kein glaubhaftes Ablenkungsmanöver mehr ein. Das Portal wird bestimmt immer noch überwacht.” Lana grinste diabolisch. “Ich wollte schon immer mal ein Feuer legen.”
Codo und Adrya sahen einander an. “Eh… du willst nicht wirklich meinen Hof abfackeln? Sag mal, gehts dir zu gut?” Codo war nicht begeistert. “Es geht hier um die Rettung der Welt!” meinte Lana vergnügt und wollte gerade schon probeweise einen Feuerzauber wirken, als Kiki kopfschüttelnd ihr Handy aus der Schlafanzughose holte. “Zieht euch an ihr beiden. Ich sorg dafür, dass Hagen euch in fünf Minuten abholt.”
Kikis Plan war aufgegangen und während Codo sich jetzt mit Hagen über dessen Weltherrschaftspläne unterhalten durfte, hatte Lana unmissverständlich klargestellt, dass sie sich erst einmal umsehen würde, bevor sie mit Codo zusammen überlaufen würde.
Natürlich hatten sie das in keinem Falle vor, aber irgendwas hatte Kiki Hagen ja erzählen müssen und so wandelte Lana durch Hagens Schloss, das schon deutlich bessere Tage gesehen hatte. Ja, es war imposant eingerichtet, aber ganz schön staubig. Und auch nicht so groß, wie sie es sich vorgestellt hatte. Und so viele verschlossene Türen! Entnervt trat Lana gegen die Tür, die definitiv in den Keller führen musste und fluchte lauthals als ihr Fuß zu schmerzen begann. “Also so kommst du da nicht rein.” Lana drehte sich um und sah den blonden Magier der auch schon Codo auf dem Schlachtfeld aufgefallen war, hinter sich stehen. “Aha.” Lana war nicht begeistert sich ausgerechnet auch noch mit dem Typen auseinander setzen zu müssen. “Lass mich raten. Du hast den Schlüssel aber lässt mich nicht rein und sagst mir auch nicht, was im Keller ist.” Wie sie diesen Typen verabscheute. Perfekte Frisur, unglaublich guter Magier und dann hatte er sie auch noch dabei erwischt wie sie sich dämlich angestellt hatte. “Oh, da unten ist nur das Portal, das in andere Dimensionen führt. Ich kanns dir zeigen, wenns dich interessiert, aber ich denke mal, Portale kennst du bereits. Ist wirklich nichts besonderes.” Lana blieb fast der Mund offen stehen. Was zum Teufel ging hier denn ab? “Ehhh… Ok?” Oliver ließ sein Lächeln fallen und verschränkte die Arme. “Ihr seid nicht hier, weil ihr Levi den Rücken kehren wollt. Ihr wollt nur irgendwie eure Haut retten. Aber das ist jetzt auch schon egal. Niemand kann Hagen mehr aufhalten.” Lana fiel die Kinnlade herunter und Oliver begann zu lachen. “Hast du wirklich geglaubt, wir wären so dumm?”
Die junge Frau fing sich schnell wieder und fragte: “Du bist nicht zufälligerweise so blöd wie die 08/15 Bösewichte in den Büchern und im Fernsehen, die einem den Plan verraten sodass die Helden ihn im letzten Moment noch verhindern können?” Oliver kratzte sich am Kopf. “Also… Eigentlich nicht, aber ist ja jetzt eh schon vorbei für diese Welt.” Er ging an Lana vorbei und schloss die Kellertüre auf. “Komm mit, dann zeig ich dir was euch bevorsteht.”
Neugierig folgte ihm Lana die Treppenstufen hinunter in den muffigen Keller, in Erwartung hier noch mehr gruselige Experimente zu sehen. Doch die alten Schlossmauern wirken nicht, als würden sie noch mehr Geheimnisse verstecken, eher als würden sie bald zusammenfallen. Hier unten war es modrig und schimmlig. “Oliver?” “Hmmm?” „Du magst mir nicht zufälligerweise erklären wieso ihr keine Zaubersprüche für eure Magie verwenden müsst?” Sie konnte es gerade so erahnen, dass Oliver lachte, denn auch die Lampen hier unten funktionierten nicht mehr so wirklich und der Weg den sie entlangstolperte hatte nicht nur einige Hindernisse sondern war auch stockdunkel. “War klar dass du irgendwann fragen würdest. Kannst du mir sagen was du tust wenn du einen Zauber vorbereitest?” Lana überlegte kurz. “Ich sammle Energie und bereite sie darauf vor meinen Körper in der Weise zu verlassen wie ich es mir wünsche. Der Zauberspruch ist dann der Befehl mit dem ich der Energie sage, in welcher Form sie wieder aus mir herauskommen soll.” Sie konnte das Grinsen fast spüren. “Und woher kommt die Energie?” Nun wurde es Lana zu bunt “Na von mir, woher denn sonst?” fauchte sie genervt und erntete Gelächter. “So einfach, so primitiv!” und Lana hätte ihm so gerne eine reingehauen. Primitiv nannte er die Magie an der sie immer noch so hart lernte sie zu verwenden. An deren Kombinationen sie immer noch scheiterte. “Ach ja und eure Magie ist viel ausgereifter oder wie?” Oliver hielt vor einer Tür und grinste. “Na klar! Wofür die eigene Energie anzapfen, wenn man auf unbegrenzte Magie aus der ganzen Welt zugreifen kann? Jeder Stein, jeder Grashalm, selbst der Himmel hat Magie derer ich mich bedienen kann!”
Die Tür wurde geöffnet und Lana erblickte in der Dunkelheit des Raumes ein schwach schimmerndes Portal, um das in den verschiedenen Farben Lichtblitze zuckten.
Noch während Lana versuchte die Informationen, die sie bekommen hatte, zu verarbeiten, starrte sie auf das Portal, das Oliver schon halb durchschritten hatte. “Kommst du jetzt?” fragte er fröhlich und Lana beeilte sich durch das Portal zu schreiten.
Vom modrigen Keller gelangte sie in einen unspektakulären Raum. Eingerichtet mit Holzmöbeln und versehen mit zwei Fenstern war der Raum schön hell. Grob verputzte Wände lenkten ihren Blick nach draußen und sie trat ans Fenster. Sie schien in einer Kaserne gelandet zu sein, im zweiten Stock eines Gebäudes. Draußen, auf einem großen Platz, übten gerade ein paar Magier den Kampf mit Hilfe ihrer Fähigkeiten.
Lana drehte sich zu Oliver um, der schon die Tür des Raumes geöffnet hatte. “Die verwenden auch Sprüche um die Magie zu kanalisieren.” stellte sie misstrauisch fest und Oliver grinste. “Klar, wurden ja auch nicht von uns ausgebildet. Sind auch nur unwichtige Fußsoldaten. Aber sie sind wesentlich mehr als wir in unsrer Dimension zusammenkriegen würden. Hier gibt es keine Lebewesen die keine Magie beherrschen, nicht so wie bei uns, wo du suchen musst bis du Magier findest.”
Lana stockte der Atem. Hier hatte Hagen nicht das Problem keine Leute zu bekommen wie zu Hause. Er würde Levis Armee einfach überrennen wenn er soweit war.
Da drang ein Name an ihr Ohr, der ihr nur allzu bekannt vorkam. Macaulay.
Zum zweiten Mal an diesem Tag klappte ihr beinahe die Kinnlade nach unten.
“Sind wir…” “In der Welt aus der dein Vater und seine Freunde ursprünglich kommen? Ja.”
In Lanas Kopf wirbelten die Gedanken durcheinander. Codos größte Angst, wahr geworden. Dazu saßen noch Magier am längeren Hebel, die über unendlich viel Magie verfügten. Eine äußerst ungute Kombination. „Geht’s dir gut? Du bist ein wenig grün um die Nase.” Oliver schien tatsächlich besorgt zu sein. “Hmm” Lana war sich selber nicht sicher. Natürlich war ihr unwohl bei dem was hier gerade ablief, auf der anderen Seite war sie unglaublich neugierig darauf, die Welt aus der ihr Vater stammte, näher kennen zu lernen. Sie sah an sich herunter. Militärische Kleidung, Zwar in grau und dementsprechend hoffentlich nicht zu auffällig, Schnürstiefel, wie man sie auch immer im Fernsehen sah. Und damit doch ein wenig unterschiedlich zu dem was Oliver trug, der sich offenbar schon ganz auf die Welt, die Hagen erobern wollte, eingestellt hatte.
Sie hatte zwar viel über die Welt gehört, allerdings nicht genug um zu wissen ob sie so überhaupt rausgehen konnte. Oliver sah die Besorgnis, die ihr ins Gesicht geschrieben stand. “Komm mit, ich für dich ein bisschen herum. Dauert eh nicht mehr lang, bis Hagen mit Codo hier eintrifft. Also haben wir Zeit dass ich dir noch ein bisschen was zeige. Viel wirds nicht sein, aber… Oh, keine Sorge wegen der Klamotten. Du wirst es nicht glauben, aber diese Dimension ist fortschrittlicher als du vielleicht glauben magst.”
Lana folgte ihm nach draußen, hinaus aus dem Kasernenkomplex, der sich inmitten einer lebendigen Stadt befand. Die junge Frau fühlte sich, als wäre sie in einem Fantasy Computerspiel gelandet. Die Gebäude erinnerten sie stark daran was sie über die Epoche des Mittelalters auf der Erde gelernt hatte, jedoch war es wesentlich farbenfroher als die Bilder und Lehrfilme über diese Zeit, die ihr gezeigt worden waren. Die Häuser waren hübsch hergerichtet, die Straßen waren sauber und es roch so gut! Kein Wunder, gerade ging sie an Bäckereien vorbei, aus denen es so lecker duftete. Ihr Magen knurrte und sie sah der Frau hinterher die gerade eine Tüte voller Brötchen an ihr vorbeitrug. Da fiel ihr auf, alleine die Menschen schienen nicht in das Setting passen zu wollen. Vornehmlich praktische Kleidung um sie herum, viele trugen nur ein Shirt und eine Hose dazu, egal welches Geschlecht.
Das spannendste an dieser Stadt waren allerdings was sie sonst noch an Lebewesen sah. Irgendwie vermisste sie die Vielfalt, die sonst Fantasywelten bevölkerte. Hier gab es tatsächlich nur Menschen. Hunde und Katzen, die durch die Straßen jagten, normale Pferde und – Drachen. Sie schienen als Haustiere für die höher gestellten Menschen zu dienen, die entweder auf edlen Pferden mit arroganten Gesichtsausdruck an ihnen vorbei ritten, oder sie hatten Aufgaben zu erfüllen, wie zum Beispiel die Öfen der Backstube anfeuern, oder auch mal einen Wagen ziehen. “Woa!” Entfuhr es Lana, die sich kaum sattsehen konnte. “Ist das hier echt oder nimmst du mich gerade auf den Arm?” Wieso hatte Codo nicht stärker versucht wieder hierher zurück zu kommen? Hier war es doch fantastisch? Oliver gluckste. “Ne, ist hier wirklich so hübsch. Allerdings wohl auch erst seit kurzem. Hat wohl der amtierende König so zum florieren gebracht. Sein Vater war wohl ein rechter Tyrann gewesen.” Das erklärte zwar ein paar Sachen, aber nicht… Lana packte Oliver am Arm. “Klar, unsre Welt ist nicht halb so fantastisch wie die hier, aber du bist dir bewusst dass Hagen gerade dabei ist beide Welten unwiederbringlich zu zerstören?” Ihr Gegenüber zuckte nur mit den Schultern. “Boah, wasn los mit dir?” grummelte Lana, der diese Haltung gehörig gegen den Strich ging. “Irgendne schlimme Vergangenheit oder warum sind dir andre Menschen so egal?” Oliver zuckte erneut mit den Schultern. “Nö, ich hab einfach nur am meisten davon, dass ich tue was Hagen sagt. Rechte Hand des Mannes, der die Welten unterwirft hat schon was, meinst du nicht?”
Lana wollte gerade was sagen, da hörte sie Getuschel um sich herum. Sie sah ausgestreckte Finger und drehte sich um. Ein weiterer Schock von denen vermutlich noch viele folgen würden und sie nicht wusste, wie viele sie noch vertragen würde.
Es kamen mehrere Personen auf sie und Oliver zu, allen voran Hagen, der sich aufführte als gehöre diese Welt schon ihm. In seinem Gefolge, mit magischen Handfesseln an den Handgelenken, sein Cousin Levi, was Lana fluchen ließ. Das schied also als letzte Rettung aus. Nach ihm folgten mit unsicherem Blick Lanas Freunde, die fast schon ihre Familie waren, und ihr Verlobter, der sich sichtlich am unwohlsten von allen fühlte. Immer wieder sah er auf sein Handy, schüttelte es und dennoch schien es nicht zu funktionieren. Lana erinnerte sich wie ihr mal erzählt worden war, dass es hier die moderne Technik, wie das Internet, Telefonie und Elektronik nicht gab. Dank der Magie war es nie nötig gewesen, diese zu entwickeln. Armer Safar – IT ler durch und durch und dann hier gefangen.
Doch noch mehr Leid taten Lana die Männer die ihren Kindern nachfolgten – Codo und sein Trupp. Endlich wieder daheim in der Welt, die sie vor so vielen Jahren durch einen verpatzten Zauberspruch verlassen hatten. Abgesehen davon, das sie staunten wie kleine Kinder, weil es hier nicht mehr so grau und düster aussah wie sie es gewohnt waren, hatte sich scheinbar auch der Zauber gelöst, der sie in der anderen Welt so lange jung gehalten hatte und jeden erwischt hatte, der mit ihnen zusammen lebte und über achtzehn war.
Mit einem Schlag waren sie alle alt geworden und man sah es ihnen an.
Während die Leute auf der Straße zurückwichen wagte Lana einen weiteren Blick. Auch Safar, Arcale, Kenneth und Keraco waren definitiv älter geworden. Der Unterschied war zwar nicht so extrem wie bei ihren Vätern, doch wenn man sie kannte, war er sichtbar. “Was macht denn das Kind hier?” hörte sie Oliver neben sich knurren und sah Kiki, wie sie neben ihrem Vater herlief und die Umgebung musterte. Lana grinste. “Angst?” Sie ignorierte das verächtliche Schnauben und schloss sich lieber dem kleinen Trupp an, der, wie sie bald erkannte, auf ein Schloss zuging. “Wir sind also in der Hauptstadt?” raunte sie ihrem Vater zu, der nervös nickte. Je näher sie dem Schloss kamen, desto mehr fügten sich die Gedanken in Lanas Kopf zusammen und es formte sich ein Plan. Einatmen, ausatmen. Niemanden etwas merken lassen. Kiki mit Hilfe magischer Gedankenverbindung ansprechen. “Nichts anmerken lassen!” Kiki gab ihr Bestes, einfach weiter zu laufen und so zu tun als würde sich nicht gerade ein telepathisches Gespräch führen. “Was gibts?” “Kannst du schon den Unsichtbarkeitszauber?” “Auf kleinere Gegenstände anwenden geht, wieso?” Das war ein Problem. Würde jemand anders den Zauber auf sie anwenden müssen, würde das auffallen. “Wie gut kannst du dich einfach zurückfallen lassen und unbemerkt zurück zum Portal gehen?” “Das sollte kein Problem sein. Herrjeh, Lana, jetzt sag doch endlich was los ist? Ich hoffe du hast einen Plan der hier alles noch rumreißt?” Kiki wusste dass es riskant war diese Verantwortung einfach auf Lana abzuwälzen, doch das war die einzige Möglichkeit die ihr noch einfiel. Alle anderen Erwachsenen waren viel zu verängstigt um nachzudenken oder hatten schlichtweg schon aufgegeben. “Für wen hältst du mich denn?” kam es entrüstet zurück und Kiki hätte zu gerne geschmunzelt. Sie wusste wie sehr Lana darauf hinarbeitete, irgendwann mal in Codos Fußstapfen zu treten, selbstverständlich hatte die Frau, die es sich schon sehr früh angegeignet hatte in fast allen Situationen einen kühlen Kopf zu bewahren bereits einen Plan. “Willst du dass ich die Königsfamilie suche?” Lana war nicht erstaunt. Kiki hatte also ihre eigenen Nachforschungen angestellt. “Ja. Das logischste ist, dass Hagen sie irgendwo in seinem Schloss gefangen hält.” “Definitiv außer Reichweite der Bevölkerung dieser Welt. Glaubst du er hält sie in diesem ekligen, muffigen Keller gefangen?” Fast hätte Lana den Kopf geschüttelt. Diese geheime Kommunikation war schwieriger als gedacht. “So viele Türen wie abgeschlossen waren, denke ich eher, dass sie in irgendeinem der Räume oben gefangen gehalten werden.” Kiki ließ sich unbemerkt zurück fallen, tat so als würde sie ein Gebäude bewundern. “Ich bin so schnell zurück, wie ich kann.”
Lana schloss kurz die Augen und atmete tief ein und aus. Weiter zum nächsten Teil des Plans. Doch zuerst einmal in den Schlosshof hinein, ein Platz, dem man ansah dass er einmal prunkvoll gewesen war, aber jetzt eher praktisch genutzt wurde. Codo sah sich um. “Was ist denn hier passiert?!” rief er erstaunt aus. “Wo sind die ganzen Statuen, wo ist der Garten, der hier war?” Jemand lehnte sich auf seine Schulter und grinste. “Nun, seine Majestät König Phillip der Zweite fand die ausufernden Eskapaden seines Vaters nicht gerade zweckdienlich… Wie dir vielleicht aufgefallen ist, hat sich hier so einiges verändert.”
Codo erkannte den Mann sofort. “Michael.” knurrte er. “Bist ganz schön alt geworden, mein Guter.” Michael, in jeder Hinsicht das Gegenteil von Codo, schon alleine vom Aussehen her, grinste überheblich, was seine grünen Augen noch mehr strahlen ließ und ihn umso jünger erscheinen ließ, auch wenn er in etwa das selbe Alter wie Codo haben musste. “Und wie gewohnt. Der Herr Macaulay taucht nach fünfzehn Jahren hier wieder auf, aber bringt nur Verderben. Sorry, aber für die Armee bist du immer noch nicht geeignet, Macaulay.”
Die jüngeren Guardians sahen sich gegenseitig an. Hier konnte doch irgendwas nicht stimmen. Michaels Grinsen wurde breiter als er die erstaunten Gesichter sah. Er fuhr sich durch die roten Haare. “Sieht so aus als würde ich hier einige Erwartungen niedertrampeln. Ihr Grünschnäbel scheint nicht zu wissen dass Codo nichts weiter ist als ein Faulenzer und Taugenichts, der den lieben langen Tag nichts tut außer in der Sonne zu liegen und sich den Bauch wärmen zu lassen?” Flan begann zu kichern, das zu einem Lachen wurde, während Safar von Michael zu Codo und wieder zurück sah. “Mein Vater KANN faul sein?!” Lana schob sich zwischen beide Männer. “Erstens.” meinte sie in überheblichen Ton. “Sind sie auch nicht viel jünger, werter Herr, und zweitens,” hier rümpfte sie sogar die Nase. “sind ihre Informationen wohl etwas veraltet, mein Herr. Fünfzehn Jahre sind eine lange Zeit um etwas aus sich zu machen, was Codo auf jeden Fall getan hat.” sie wollte noch mehr sagen, als Hagen ihr das Wort abschnitt. “Genug Geplänkel. Eure Angeberei wird spätestens Morgen eh nicht mehr von Belang sein.” Er erntete böse Blicke. “Ich werde mich jetzt zurückziehen. Oliver, stell sicher dass für unsere Abreise heute Nachmittag alles bereit ist!”
Hagen schritt in Richtung des Schlosses und Oliver machte auf dem Absatz kehrt und ging in Richtung Kaserne zurück, Levi im Schlepptau. “Wir sehn uns dann später!” meinte er mit einem freundlichen Lächeln zu Lana. Diese stieß einfach um den Schein zu wahren, wilde Flüche aus und wartete, bis Oliver weit genug weg war um mit ihrem Plan fortzufahren. Sie wandte sich mit leiser Stimme an Michael. “Gibts hier in der Nähe irgendwo einen Platz wo wir uns ungestört unterhalten können?” Michael nickte. “Kommt mit.”
Er führte sie hinunter in den Hafen, in ein Gasthaus, dass nur zwei Gäste aufwies. Die beiden sahen auf den ersten Blick kaum von ihren Biergläsern hoch, als die Truppe hinein spazierte, Lana erkannte jedoch sofort um wen es sich handeln musste. Die beiden Herren waren ihren Söhnen wie aus dem Gesicht geschnitten. Lana setzte sich zu den Herren an den Tisch. Die anderen, die dabei waren die Tische zusammen zu schieben, hielten die Luft an, als Lana meinte. “Noch ein Macaulay. Also ernsthaft, die werden echt nicht weniger. Sag mal Codo, wie groß is denn eigentlich der Clan in den ich da einheirate?” Sie schüttelte den Kopf. “Als wenn der Herr Überkorrekt und Vorsicht in allen Lebenslagen, seine Frau und seine fünf Kinder nicht schon genug wären. Halt! Mit Leonis sinds ja inzwischen sechs.” Codo verschluckte sich beinahe an der Luft, die er so scharf einsog und starrte seinen Vater an, der sorgenvoll hoch sah, das trübe Gesicht hellte sich auf. “Codo! Du bist zurückgekommen!” “Ja, ja, alter Mann, du hast deinen Sohn zurückbekommen. Freu dich später, wir haben hier einen aufkommenden Krieg zu stoppen und zwei Dimensionen zu retten.” unterbrach Lana den älteren Herrn, der sich mit hochgezogener an sie wandte. “Und du bist?” “Lana Flame. Die einzige die weiß was hier gespielt wird und wie wir den größenwahnsinnigen zukünftigen Diktator aufhalten können.”
Die anderen nahmen Platz und offensichtlich war es einigen zu Kopf gestiegen, dass sie wieder in ihrer Heimatwelt waren, denn die junge Frau erntete nicht nur ermahnende, sondern auch verächtliche Blicke. Faris hielt sich mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg. “Eine Flame. Die Tochter eines Straßenkindes weiß also wie wir einen Diktator aufhalten, der über schier unbegrenzte, starke Magie verfügt und es durch einen klugen Schachzug geschafft hat eine ganze Dämonenarmee hinter sich zu versammeln die für ihn Dimension für Dimension einnehmen soll. Sprich, Kind, lass uns deine Traumtänzerei hören!” Lana knurrte erbost und stand auf. “Wenns dir nicht passt, kann ich dich gerne vor die Tür setzen, dann kannst du zusehen wie diese Tochter eines Straßenkindes den Ruhm ohne dich einheimst, du arrogantes, royales Arschloch.” Nein, sie würde sich definitiv nicht unterbuttern lassen, schon gleich nicht von einem der meinte er war was besseres, nur weil er in einer Familie mit einem Titel zur Welt gekommen war. Kleinlaut duckte Faris sich, genau wissend dass Lana nicht nur stark genug, sondern auch entschlossen genug war ihn aus dem Gasthaus hinaus zu werfen und dafür zu sorgen, dass er erstmal nicht wieder hinein kam. “Kann ich dann endlich in Ruhe erzählen wie wir Hagen stürzen?” fragte die junge Frau genervt und setzte sich wieder. Neugierige Blicke um sie herum. “Gut. Dann hört mir ganz genau zu.”
Recht schnell hatte Lana den Tross um sie herum eingeweiht, dass Hagen und seine Magier nur deshalb unendlich Magie hatten, weil sie nicht auf die eigene magische Kraft zurück griffen, sondern auf die Elementarmagie um sie herum. “Und dass,” schloss Lana ihren Bericht, “heißt im Umkehrschluss, dass wir zwar von der Ausdauer her im Nachteil sind, aber stärkere Zauber wirken können. Abgesehen davon, können wir alle von der Elementarmagie abkapseln, dann können sie generell keine Magie mehr wirken.” “Zumindest außer Hagen.” fiel ihr Keraco ins Wort und Lana schaute verwundert. “Häh?” Keraco hob belehrend den Finger. “Hagen ist Levis Cousin. Und Levi kann Magie wirken die ähnlich der unsrigen ist. Dementsprechend muss Hagen das auch können.” Lanas Miene verfinsterte sich. “Auch kein sooo großes Problem.” schaltete sich Safar ein und wurde von allen misstrauisch angesehn. “Ach ja?” fragte sein Vater. Safar nickte. “Auch Magie ist eine Art von Energie. Sorg dafür dass zu viel Energie in einem Gefäß ist, und du beschädigt es. Ich bin jetzt medizinisch nicht so bewandert, aber müsste es nicht reichen wenn wir dafür sorgen dass sich in Hagens Körper die staut? Ich mein, die will dann ihren Weg nach draußen finden und es beschädigt Hagens Körper so stark, dass er Magie nicht mehr einsetzen kann. Wenn wir Glück haben so stark, dass er nie wieder eine Gefahr für jemanden ist.”
Belenue seufzte. “Immer nur die Nase in Technik zu vergraben tut dir nicht gut, Safar. Ein Mensch ist kein Computer! Allerdings – so ganz Unrecht hast du nicht. Wir können dafür sorgen dass die Magie Hagens Körper beschädigt. Jedoch mit Methoden die hier zu Recht unter sehr hoher Strafe stehen.”
Codo trommelte mit den Fingern ungeduldig auf den Tisch. “Redet doch nicht so lange um den heißen Brei herum. Belenue, sag uns was wir tun müssen, Lana, schmiede einen Plan wie wir Hagen ausschalten und noch bevor das irgendwer mitbekommt ist das Thema Hagen vom Tisch!”
“Jetzt mal nicht so ungeduldig!” Bran sah seinen Sohn an und schüttelte den Kopf. “Einen guten Plan zu schmieden, das dauert, außerdem vergisst du da nicht noch was? Hagen hat immer noch die Königsfamilie als Geisel.”
Die Tür wurde aufgestoßen und die Köpfe wandten sich herum. Gerade zur rechten Zeit spazierte Kiki, als wäre es nichts besonderes, in den Raum der Gastwirtschaft, in ihrem Gefolge der König höchstpersönlich. Zwar etwas verwirrt, aber gut genährt und unversehrt trat er durch die Tür und traute seinen Augen kaum. “Also hatte das Kind doch Recht! General Macaulay, wo habt ihr denn so lange gesteckt?”
Kiki schloss die Tür hinter dem König und seufzte. “In der Dimension, in der ihr und eure Familie gefangen gehalten wurden. Mit Verlaub eure Majestät, die Wiedersehensfreude müssen wir uns für später aufsparen. Lana, ich hoffe du hast einen Plan. Hagens Handlanger hat die Armee schon gesammelt. Die brauchen vielleicht noch zwei Stunden, dann wars das mit unsrer Dimension. Und deinen Plänen Papas Nachfolgerin zu werden.”
Sie bugsierte den König an den Tisch und orderte bei der Schankmaid eine Runde Getränke, bevor sie sich setzte. “Also, lass hören?”
Während die Getränke gebracht wurden, schilderte Lana nochmal kurz alles was bisher an Informationen zusammen getragen worden war und Kiki bemerkte besorgte Gesichter um sich herum. Sie seufzte und fragte. “Und was ist jetzt das Problem?”
Die Schankfrau brachte gerade das letzte Glas zum Tisch und mischte sich ein. “Weißt du Kleine, manche Sachen werden hier einfach als zu grausam angesehn als dass man sie ausführen würde, auch wenn man es könnte. Ja, selbst wenn es um einen solchen Gegner geht. Wir sind magisch begabte Wesen, keine Monster!” Sie setzte sich neben Michael und sah ihn besorgt an. “Aber trotzdem hat die Kleine Recht, mein Schatz. Irgendwas müssen wir tun. Wir haben so hart dafür gekämpft unser Land wieder aufzubauen, das können wir uns jetzt doch nicht kaputt machen lassen!” „Schatz?“ knurrte Codo gespielt verärgert. “Kaum ist man fünfzehn Jahre nicht da, schon schnappst du einem das Mädchen weg!”
Michael lachte. “Als wenn Eliva fünfzehn Jahre auf jemanden wie dich warten würde. Außerdem hast du bestimmt deinen Spaß gehabt. Immerhin hast du nicht wenige Kinder!”
Gut, das war jetzt nicht von der Hand zu weisen und die Runde grinste. “Zurück zum Thema. Onkel Belenue, raus mit der Sprache, was können wir tun um Hagen aufzuhalten. Also, jetzt wo die Königsfamilie gerettet ist.” sie hielt kurz inne. “Erm.. .Kiki – wo ist eigentlich der Rest?” Kiki nahm einen großen Schluck. “Ah, so schmeckt also Bier! Interessant!” sie schüttelte sich. “Ne also echt, wie kann man das trinken? Schmeckt ja furchtbar! Ach, der Rest?” Sie schob ihrem Vater das Bier hin. “Der wurde bereits von engen Vertrauten aus der Stadt gebracht, auf irgendein Landgut.” Belenue seufzte erleichtert. “Sehr schön, also haben wir nur noch Hagen zu bekämpfen. Nun, wir könnten dafür sorgen dass die Energie sich in ihm anstaut und diese dann mit magischem Feuer entzünden. Schmerzhaft, er verbrennt von innen, der Körper wird schwer geschädigt, aber er kann danach nie wieder Magie benutzen.” Lana begriff langsam warum so etwas verboten war. “Und wen oder was brauchen wir dafür?” “Als erstes mal Dämonen, die diesen Zauber ausführen können.” stellte Belenue fest. Lana zuckte mit den Schultern. “Wir haben hier doch zwei altgediente Kriegsdämonen. Die sollten sowas doch können.” Sie sah die beiden an, deren Haar schon grau wurde. Es kam ihr immer noch komisch vor das Wort Dämon zu verwenden anstatt wie zu Hause Magier, aber sie erinnerte sich, dass das Wort in dieser Dimension nicht verwendet wurde. Hier gab es Hexen und Dämonen, je nach Königreich. Sie wollte gerade überlegen wie sie sich die Begrifflichkeiten einprägen konnte, dass sie nichts falsches sagte, als sie unterbrochen wurde. Die beiden alten Herren nickten. “Gut, wir machen es.” Bran, Codos Vater nickte und sah seinen alten Rivalen an, der ebenfalls nickte. “Allerdings unter einer Bedingung.” “Mehreren Bedingungen.” fügte Bran hinzu und wandte sich an den König der fragend zurück sah. “Wir gehen straffrei aus der Sache raus. Ich weiß, dass dieser Zauber unter Todesstrafe steht, aber wir wollen unsere Dimension retten, da möchte ich als Held gefeiert werden, nicht als Verbrecher sterben.” König Phillip nickte und machte eine Geste, die eindeutig bedeutete “Fahre fort.”
“Straffreiheit für meinen Sohn und seine Kompanie. Ich denke es war nicht ihre Absicht sich dem Militärdienst zu entziehen. Ich wette, hätten sie einen Weg zurück gefunden, wären sie auch nach Hause zurück gekehrt, nicht wahr, Jungs?”
Eifriges Nicken nach kurzem Schweigen. “Selbstverständlich.” beeilte Faris sich zu versichern, im Namen aller. Daran hatten sie ja noch gar nicht gedacht! Der König räusperte sich. “Wenn die Herren mir eine vernünftige Begründung liefern, warum sie nicht einfach ein Portal nach Hause geöffnet haben, dann bin ich damit einverstanden.”
Blankes Entsetzen überall. Wie sollten sie das glaubhaft erklären?
Lana sprang ein. “Weil irgendwas bei dem Unfall, das sie in die andre Dimension gebracht hat, ihre magischen Kräfte ganz schön durcheinander gebracht hat. Ich meine, die liefen ganz zu Anfang in der Dimension als Pferde mit geringen magischen Kräften rum! Inzwischen konnten sie sich zwar wieder in die menschliche Gestalt zurück verwandeln, aber Portal Magie ist begrenzt bis stark eingeschränkt. Auch bei uns, ihren Nachkommen im übrigen. Nicht genug um Portale zu öffnen, die Dimensionen überqueren. Die Magie existiert zwar in der andren Dimension, wird aber von den dortigen Magiern gehütet wie ein Schatz, eigentlich, dass sowas wie jetzt nicht passiert. Fragt mich aber nicht, wie Hagen es geschafft hat das Portal zu öffnen, das müssen wir noch aus ihm rauskriegen. Wie dem auch sei, auf jeden Fall können wir zwar keine Portale zwischen den Welten schaffen, uns dafür aber ohne Zauberspruch in jedes Lebewesen das wir mal gesehen haben verwandeln. Auch eine tolle Fähigkeit. Wobei…” sie sah Codo an. “es durchaus sein könnte dass der Besuch in dieser Dimension einiges wieder gerade gerückt hat. Der Zauber, der uns davon abhielt zu altern, der ist auf jeden Fall verflogen.”
Codo seufzte. “Ich irre mich also nicht? Ich bin alt geworden?” fragte er bedauernd. Kiki schüttelte den Kopf. “Also fünfundzwanzig bist du jedenfalls nicht mehr. Sieht mir eher aus wie um die vierzig.”
Der König nickte. “So sei es. Allerdings müssen wir dann noch darüber sprechen, wie wir das nachdem das alles hier eure Zukunft hier gestalten.” Fragende Blicke. “Mir ist klar dass ihr in der anderen Dimension jetzt ein Leben habt. Kein schlechtes, so wie es aussieht und ihr habt euch euren Ruf gemacht, sonst wären wir jetzt nicht hier an diesem Tisch. Allerdings bin ich nicht bereit auf so begabte Soldaten wie euch zu verzichten. Ich bin durchaus bereit euch euer Leben in der anderen Dimension zu lassen, von mir aus auch gerne ein Portal mit dem ihr die Dimensionen nach belieben wechseln könnt. Aber ihr arbeitet nachdem wir Hagen besiegt habt wieder für mich.” Codo wollte gerade ansetzen zu fluchen, als Damek die Hand hob. “Codo, lass es, wir werden nie wieder so glimpflich aus einer Situation rauskommen wie hier. Jungs, wir nehmen das Angebot an, besser kann es uns nicht treffen, glaubt mir.” Seufzen. Unzufriedenes Nicken, aber Zustimmung.
“Darf ich auch noch um etwas bitten?” fragte Kiki, festen Blick auf den König gerichtet. “Das kommt darauf an.” Kiki schluckte und sammelte all ihren Mut. “Wenn Hagen besiegt ist, dann hätte ich ihn gerne.” “Was? Seit wann sammelst du den Kriegstrophäen?” kam es von irgendwo aus der Runde. “So ein Quatsch.” grummelte Kiki. “Aber es gibt in diesem Krieg eine weitere Partei. Hagen wäre nie so weit gekommen, hätte er sich nicht der Technik der dritten Partei bedient… Sagen wir es so, diese Lebewesen sind darüber nicht erfreut und würden Hagen gerne wegsperren, wenn wir ihn unschädlich gemacht haben. Deswegen würd ich ihn gerne dieser Partei übergeben.” Codo sah seine Tochter durchdringend an. “Kimberley Kinsey. Du bist nicht gerade ein sehr altruistischer Mensch. Was ist da für dich drinnen?” “Ein Schulwechsel auf das coolste Internat des Universums!” Kikis Augen begannen zu strahlen und Codo grummelte. “Lass mich raten, deine Mutter hat schon ja gesagt?” Kiki nickte begeistert und Bran stupste seinen Sohn vorsichtig an. “Hast du in deiner Familie eigentlich irgendwas zu sagen?” Das laute Gelächter um ihn herum war Antwort genug.
Die finale Planung war schnell gegangen. Während sich die jüngsten Magier um Oliver kümmern wollten, denn dieser war in ihren Augen leichter zu besiegen, machte sich Codo mit dem Rest der Gruppe auf den Weg zurück ins Schloss. Er sah seiner Tochter zu, die sich angeregt mit seinem früheren Rivalen unterhielt als sie davon spazierten. Michael hatte darauf bestanden die Truppe zu begleiten, nur zur Sicherheit, falls Oliver noch ein Ass im Ärmel hatte. Außerdem konnte er die hiesigen Soldaten eher davon überzeugen dass der König nicht mehr in Gefahr war, als völlig Fremde. Wie gerne hätten sie noch ein paar ihrer alten Kameraden mit von der Partie gehabt, aber die waren alle in der Kaserne, also würden sie sich alleine mit Hagen anlegen müssen.
Als sie sich dem Schlosstor näherten, gingen sie nochmal den Schlachtplan durch. Codo hörte nur mit halben Ohr zu, immerhin war seine Aufgabe Hagen zusammen mit Phillip und Belenue abzulenken, sodass die anderen sich in Position bringen konnten.
Während Phillip fröhlich pfeifend über den Hof des Schlosses spazierte, waren Belenue und Codo eher vorsichtig und viel fehlte nicht und Belenue hätte gefragt ob Codo ihn an die Hand nehmen würde. Zu viele Erinnerungen die über die beiden hereinbrachen, an unschöne Zeiten die sie hier verbracht hatten. Der König wollte gerade die Eingangstür zum Schloss öffnen, als sie aufschwung und Hagen herausstürmte. Blass starrte er den König an. “Was zum Teufel machst du hier?” Hagens Verwunderung gab Codo und Belenue die Kraft, die Erinnerungen abzuschütteln. Belenue begann auf ihren Gegner zuzuschlendern und setzte ein siegessicheres Lächeln auf. “Hast du wirklich gedacht wir lassen dich einfach machen?” fragte er, gefolgt von ungläubigen Gelächter. “Hältst du uns denn wirklich für so dumm?” Codo fügte hinzu: “Gerade du solltest es doch besser wissen!”
Hagen lachte lauthals. “Es ist zu spät! Ihr könnt mich nicht mehr aufhalten! Ich besitze unendliche Magie und eine unaufhaltsame Armee! Ihr könnt mir gar nichts!” Phillip schüttelte den Kopf. “Sehr bedauerlich. Ich hatte wirklich gehofft, wir könnten das ohne exzessive Gewalt lösen…” Der König schnippte mit den Fingern und aus allen möglichen Richtungen wurde Hagen mit magischen Attacken bombardiert. Verärgert begann Hagen sich zu wehren und suchte nach den Gegnern, die ihn so zahlreich bombardierten. Vollkommen versunken in den Kampf, bekam er gar nicht mit wie sich Flan und Rhodry hinter ihm postierten. Kurze Zeit später hörte er nur kurz etwas in dem Getöse um ihn herum, drehte sich und sah die beiden Männer ihn angrinsen, während an seinem Rücken ein leuchtender Kreis mit magischen Formeln immer kleiner wurde und schließlich verschwand. “Also ich bin jetzt wirklich enttäuscht.” meinte Rhodry und verschränkte die Arme. die magischen Angriffe hatten mit einem Schlag nachgelassen. Flan nickte und stimmte seinem Freund zu. “Ich dachte, du wärst ein so starker und gefährlicher Magier? Und dann ist alles was kommt so ne klägliche Elementarmagie… Kein Wunder dass wir alle deine Magier nach und nach in die Hände bekommen haben.” Rhodry lachte. „Und vor sowas haben wir Angst gehabt. Wir waren ja wirklich schön blöd.” Hagen knurrte und machte seinem Ärger lautstark Luft. “Ihr werdet schon noch sehen was ihr davon habt euer Maul so aufzureißen!” Man sah deutlich wie er begann die Magie aus seiner Umgebung zu ziehen. Die Adern traten hervor und seine Haut begann zu glühen, feine, farbige Adern die unter der Haut pulsierten. Hagen hob den Arm, um seinen Zauber auszuführen, doch nichts geschah. Auch nicht, als er den Zauberspruch ein zweites Mal aufsagte. Verwirrt sah er sich um, während neben ihm Bran auftauchte. Codo grinste und hob die Hand und winkte fröhlich. “Tschau Hagen.” Bran ließ den Zauber los den er vorbereitet hatte und man konnte sehen, wie die angestaute Magie in Hagen explodierte. Überall platzte die Haut auf und ließ die angestaute Magie frei, die sich in farbigen Rauch verwandelte. Man konnte auch hören wie die Explosionen sich im Inneren verbreiteten. Blut trat aus den Wunden aus und nach kurzer Zeit kippte ein verwunderter Hagen bewusstlos nach vorne um.
Belenue trat zu ihm und wirkte einige Zauber, welche die Blutungen stillten und die Innereien soweit zusammen hielten, dass sie den Körper noch am Leben hielten. Auch die restlichen Dämonen der Truppe traten heran. “Jetzt ist es vorbei, oder?” fragte Faris, für seine Verhältnisse ziemlich verhalten. “Es ist vorbei. Der richtet keinen Schaden mehr an. Der ist grad noch soweit am Leben, dass Kiki ihn nachher mitnehmen kann.”
Codo setzte sich neben den besiegten Hagen auf den Boden. “Zum Glück. Boah, ich bin so froh dass es vorbei ist. Keine Lust sowas jemals wieder mitzumachen.” Der König lächelte nur als er neben Codo in die Hocke ging. “Du weißt schon, dass in dieser Dimension noch ein paar Diktatoren und viel mehr Gegner warten?” Codo sah ihn entsetzt an und Bran ging ebenfalls in die Hocke und klopfte seinem Sohn auf die Schulter. “Du hattest jetzt fünfzehn Jahre Ferien. Das Faulenzen ist vorbei, mein Junge!”
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Und damit hat dieses Kapitel der Guardians sein Ende gefunden. Für mehr spannende Geschichten rund um Codo, seine Freunde und seine Familie schlag ich vor zur Kapitelübersicht zurück zu kehren.