Prolog

„Elena!“ wie Toivo es erwartet hatte, wachte seine Cousine nicht auf. Dafür war das Nest, dass ihre Eltern ihr gemacht hatten auch viel zu bequem. Die kleine rote Drachin drehte sich im Schlaf auf den Rücken und schien nichts von der Anwesenheit ihres Lieblingscousins zu merken. Gut, dann musste er eben härtere Geschütze auffahren. Der türkise Drache setzte sich neben das Nest und schützte Elenas Kopf mit einer Pfote – was noch halbwegs ging, immerhin war er noch doppelt so groß wie sie. Er seufzte wehmütig, denn lange würde der Wirbelwind nicht mehr so klein bleiben. Auch sie würde bald zu einer großen, starken Drachin heranwachsen. Vorsichtig verlagerte Toivo das Gewicht auf die hinteren Pfoten und den Schwanz und nutzte seine freie Pfote zu einer Kitzelattacke auf Elenas ungeschützten Bauch. Wie zu erwarten schlug die kleine Drachin wild um sich und hätte sich den Kopf angehauen, hätte sie Pfote ihres Cousins nicht davor geschützt. „Kel, lass den Blöd…“ es brauchte einige Sekunden bis sie erkannte dass nicht ihr Bruder vor ihrem Nest stand. „Toivo!“

Sofort sprang Elena auf und schüttelte sich den Schlaf aus allen vier Beinen und den Flügeln. „Was machst du denn hier?“ sie freute sich ungemein Toivo wiederzusehen. Seitdem er vor zwei Jahren in die Dragon Force, die Armee des Landes eingetreten war, hatte sie ihn nicht mehr gesehen. Toivo lachte erfreut. „Soweit ich gehört habe, hat dein Vater eine Beförderung erhalten. Da muss man doch vorbeikommen und gratulieren!“

Vergnügt hüpfte Elena neben Toivo her, hinaus aus der Höhle mit den vielen Verzweigungen, die sie sich mit ihrer Familie teilte. Draußen angekommen kam es ihr gerade Recht, dass ihr Vater gerade landete. „Papa, guck mal! Du bist so bekannt dass es sich im ganzen Land rumgesprochen hat, dass du befördert wurdest! Sogar Toivo hat davon erfahren und ist gekommen, um dir zu gratulieren!“

Die Freude der jungen Drachin wurde jäh ausgebremst, als sie den Blick bemerkte den ihr Vater seinem Neffen zuwarf. „So?“

Sofort fühlte Toivo sich wieder schlecht. Er hatte keine Ahnung was sein Onkel für ein Problem damit hatte dass nicht nur sein eigener Bruder, sondern auch dessen Sohn sich zum Dienst in der Armee verpflichtet hatten, aber er hatte es die beiden immer spüren lassen. „Von mir und Vater die herzlichsten Glückwünsche!“ versuchte es Toivo, wurde aber barsch abgekanzelt.

„Aha. Und wo ist er, dein feiner Herr Vater? Ah, lass mich raten: Die Rettung der Welt ist wichtiger als der eigene Bruder!“ Toivo schüttelte sich und versuchte das Unbehagen loszuwerden, dass die Worte seines Onkels in ihm ausgelöst hatten loszuwerden. Natürlich hatte er Recht und sein Vater hätte sich loseisen können, selbst wenn er seit seiner Ernennung zum General sehr viel zu tun hatte. Aber er hatte nicht umsonst die Angst gehabt dass sein Bruder Vagn ihm nur Vorhaltungen machen würde und hatte sich deshalb gegen einen Besuch entschieden. Auch Toivo hätte es eigentlich besser wissen sollen, aber hatte sich die Möglichkeit nicht entgehen lassen wollen Elena und Kel wieder zu sehen. Auch wenn er wusste dass es sowieso keinen Zweck haben würde unternahm er einen kläglichen Versuch seinen Vater zu verteidigen. “Also so… kannst du das wirklich nicht sagen!“ Unglücklich sah er seinen Onkel an und Elena guckte abwechselnd zwischen Toivo und ihrem Vater hin und her. War ihr das früher nur nicht aufgefallen, oder war ihr Vater nur heute so gemein zu Toivo? Er konnte ja nichts dafür dass sein Vater nicht mitgekommen war und außerdem sollte man sich doch eigentlich freuen, wenn man beglückwünscht wurde, oder?

Doch bevor sie sich weiter mit der Sache beschäftigen konnte, wurde sie von den Blättern eines nahen Busches abgelenkt. Ihr Magen knurrte leise und erinnerte sie daran, dass es Zeit für einen kleinen Snack war – da kam der Busch gerade Recht. Hungrig begann sie an den Blättern zu knabbern.

„Papa, freu dich doch dass zumindest Toivo da ist. Der hat ja bestimmt auch viel zu tun und ist trotzdem extra hergeflogen!“ wandte Elenas älterer Bruder Kel ein, der es schon immer verstanden hatte seinem Cousin Rechtzeitig zur Seite zu eilen. Dennoch konnte auch er die Enttäuschung und die Wut seines Vaters nicht abmildern.

„Wenn du meinst.“ grummelte Vagn und wollte sich schon an den beiden Jungdrachen vorbeidrängen um in die Höhle zu gehen, als seine Tochter die Aufmerksamkeit aller auf sich zog. „Erschäl dosch mal! Wie ischt esch in der Dragon Forsche?“ fragte sie, den Mund voller Blätter und mit Glitzern in den Augen.

Kel verdrehte die Augen. „Wie oft soll ich dir eigentlich noch sagen dass man mit vollem Mund nicht spricht? Ab 500 Gramm wirds undeutlich!“ gespielt verärgert stupste er seine Schwester an, war aber eigentlich unglaublich froh, dass sie es geschafft hatte das Eis zu brechen. Zumindest vorerst. Man brauchte nur einen vagen Blick in Toivos Gesicht zu werfen um zu sehen, dass der Drache den für ihn passenden Beruf gewählt hatte. Ein Grinsen zeichnete sich ab und seine Augen begannen zu strahlen. „Ich finds toll. Spannend, kein Tag ist wie der andere und Grenzschutz ist eine echt wichtige und verantwortungsvolle Aufgabe. Zwar oft auch eine Herausforderung, aber ich finds fantastisch.“

„Hör nicht auf ihn Elena. Man kann sich alles schönreden.“ meinte Vagn mit verächtlichem Schnauben, war jedoch schon zu spät, denn man sah Elena deutlich an, dass sie schon gar nicht mehr bei der Sache war.

„Zu spät Papa.“ grinste Kel. „Sie sieht sich schon in so ner schmucken Rüstung wie sie Toivo hat.“ er klopfte seinem Cousin gegen die stabilen und biegsamen Metallplatten, die sich vom Kopf, über den Hals und Rücken bis zum Schwanzansatz zogen und ihm den Anstrich verliehen ein erfahrener Krieger zu sein.

Kel lag mit seiner Vermutung goldrichtig. In ihrer Fantasie war Elena bereits ausgewachsen, trug ebenfalls eine imposante Rüstung und bestritt einen Kampf nach dem anderen, aus dem sie Siegreich zurückkehrte – jedes Mal aufs Neue. Liebevoll sah Toivo seiner träumenden Cousine zu, wie ihr immer mehr Blätter aus dem Mund fielen, während ihr Schwanz wie wild hin und her peitschte. „Warum auch nicht?“ meinte er mit sanftem Tonfall. „Wenn sie erst alt genug ist?“

Vagns lautes „NEIN!“ ließ alle zusammenzucken und holte Elena aus ihren Träumen zurück.

Kel schüttelte verwundert den Kopf. „Papa, das ist aber nicht deine Entscheidung. Es ist Elenas Leben und es liegt ganz allein bei ihr was sie damit macht“ wies er seinen Vater darauf hin, dass er dieses Mal ein wenig zu weit ging – was Vagn aber nicht im geringsten interessierte.

„Ich habe nun bereits zwei Familienmitglieder an diese verdammte Armee verloren. Meine Tochter bekommt die Dragon Force nicht!“

Elena knurrte leise und wagte aus gutem Grund nicht Widerworte zu geben. Jedoch wusste sie auch ganz genau dass sie es ihrem Vater schon noch zeigen würde – sie würde der Dragon Force beitreten – egal ob ihr Vater das nun erlaubte oder nicht.

Kapitel 1

Selbst die Sonne schien müde zu sein an diesem Morgen, fünf Jahre nach der verhängnisvollen Auseinandersetzung von Toivo und Vagn. Nur langsam brach sie durch die Wolken und der Boden war noch kalt von der Nacht, als sich Elena in Kels Begleitung aus der Höhle schlich und aufgeregt in den Himmel hinaufsah. „Und du meinst wirklich, dass ich es versuchen sollte?“ sie blickte nervös in die Höhle zurück, in der ihre Eltern noch in seeligem Schlummer lagen.

Kel nickte. „Den Rekrutierungskampf den packst du. Du hast so hart dafür trainiert.“ Wann immer sich die Möglichkeit ergeben hatte, hatte Elena sich entweder davon geschlichen oder die Zeit ausgenutzt in der ihr Vater bei der Arbeit war und für den Aufnahmetest, der aus einem einfachen Kampf mit einem kampferprobten Drachen bestand, geübt. Manchmal alleine, jedoch auch oft mit Kel zusammen der zu jeder Zeit hinter ihrem Plan gestanden hatte. Er war auch ständig mit neuen Übungen angekommen, die seine Schwester regelmäßig an ihre Grenzen gebracht hatten, sie jedoch auch hatten wachsen lassen.

„Und Papa?“

„Den lenken Mama und ich ab. Und wenn der erstmal merkt dass du nicht heimkommst, wird er zwar toben, aber dann wird es zu spät sein, denn dann bist du bereits Rekrutin.“ Elena grinste bei dem Gedanken dass ihr Vater dieses eine Mal nachgeben würde müssen. Natürlich könnte er seiner Tochter hinterherfliegen, sie an den Hörnern packen und nach Hause zerren, doch seit wenigen Tagen war Elena so alt, dass sie als eigenständig galt und die Gesellschaft ihr zutraute wichtige Entscheidungen für sich selber zu fällen, ohne dass die Eltern das Recht hatten Einspruch zu erheben. Gut dass der jährliche Rekrutierungskampf kurz nach ihrem Geburtstag stattfand, sonst hätte sie vielleicht noch als Postdrache arbeiten müssen und sich von der Arbeit davonstehlen! Sie sah Kel mitleidig an, der seit kurzem von Vagn dazu genötigt worden war, auch endlich zum Unterhalt der Familie beizutragen und nun mit seinem Vater gemeinsam Pakete und Briefe von Dorf zu Dorf transportieren musste. Zwar waren ihre Postrouten nicht allzu lang und sie kamen meist am frühen Nachmittag wieder heim, doch so richtig glücklich schien Kel nicht zu sein. Sie hoffte dass auch ihr großer Bruder irgendwann seine Berufung finden würde.

Sie schüttelte sich und warf alle Bedenken ab. Jetzt ging es um sie und das, was sie als ihre Berufung erachtete. Die junge Drachin breitete ihre Flügel aus und die ersten Sonnenstrahlen trafen auf die roten Schuppen und ließen sie aufleuchten. Zwar schluckte die schwarze Lederhaut zwischen den Knochen das Sonnenlicht, aber es traf noch genug auf die Schuppen, um dem Ganzen einen fast schon magischen Anstrich zu verleihen. Ein letzter, freundschaftlicher Abschiedsgruß und Elena erhob sich in die Lüfte, wie schon so oft zuvor. Ein kleiner Kreis über der elterlichen Höhle, die sie heute vermutlich für immer verlassen würde und dann entschwand sie nach und nach Kels Blick, der er ein wenig wehmütig nachsah. „Viel Glück Schwesterherz. Komm irgendwann wieder heile nach Hause zurück.“

Eigentlich war es ein weiter Weg bis zum Gebirge in dem die Dragon Force stationiert war, doch für Elena gab es so viel zu sehen, dass ihr gar nicht auffiel wie lang die Reise war. Abseits menschlicher Siedlungen aufgewachsen, hatte sie von den anderen Kreaturen, die das Feuerreich besiedelten bisher nur aus Erzählungen ihres Vaters gehört und staunte nicht schlecht als sie die Dörfer überflog. Ab und an kribbelte es nahezu in ihren Pfoten – gerne wäre sie gelandet und hätte sich umgesehen, aber sie hatte ein großes Ziel vor Augen und da konnte sie sich keine Unterbrechung erlauben!

Jedoch ablenken konnte sie sich schon lassen und so hatte sie gar nicht gemerkt dass sie die Ausläufer des Gebirges bereits passiert hatte und damit unweigerlich in den Patroullienbereich der Dragon Force eingedrungen war. Und sie hatzte auch nicht im geringsten daran gedacht, dass sie nicht die einzige war die sich bei der Dragon Force bewarb – und dass sie auf ihrem Weg auch auf andre angehende Rekruten treffen könnte. So hatte sie auch nicht den Drachen wahrgenommen der sich hinterrücks an sie angeschlichen hatte und sie nun spielerisch an den Hörnern packte. Ein großer Schock für die junge Drachin, die sich im Flug umdrehte und dem fremden Drachen ihre Klauen in den Körper rammte. Aufjaulend ließ der fremde Drache sie los und hielt sich die Schnauze – offensichtlich hatte Elena instintiv eine sehr empfindliche Stelle erwischt.

„Geschieht ihm Recht.“ dachte Elena bei sich. „Was fällt dem auch ein, eine angehende Rekrutin der Dragon Force anzugreifen?“

Im gleichen Augenblick näherte sich eine Patroullie den beiden Drachen, die ausgeschickt worden war, um die ankommenden Drachen zu begrüßen und einzuweisen. Auch Toivo hatte sich vor der Aufgabe dieses Mal nicht drücken können und so war er mit seinem Kumpel Litco unterwegs und ins Gespräch vertieft. „Ich bin auf die neuen Rekruten gespannt!“ meinte Litko gerade und Toivo wollte ihm schon zustimmen als er nur noch etwas rotes in der Luft sah, das ihm bekannt vorkam und sich gerade noch mit einem absacken lassen vor einem Zusammenstoß retten konnte. Litko hatte nicht so viel Glück. Der hellgrüne Drache stieß in der Luft mit Elena zusammen, die das allererste Mal nähere Bekanntschaft mit einer Rüstung machte und noch im fallen feststellte, dass die Rüstungen zwar beweglich und weich wirkten, es aber nicht im geringsten waren. Sie fing sich ab und rieb sich den Kopf. Das würde sie sich für den Rekrutierungskampf merken müssen – der Kopf war keine adäquate Waffe gegen eine Drachenrüstung.

„Aua.“ grummelte sie und stieß wieder zu den drei Drachen, die besorgt über ihr kreisten. „Hast du dich verletzt?“ fragte der grüne Drache besorgt. Das wäre was gewesen – einen Rekruten schon vor dem Aufnahmetest verletzen. Und Ärger hätte das gegeben! Elena schüttelte den Kopf und ein freudiges Lächeln schlich sich auf ihr Gesicht als sie den türkisen Drachen erkannte. Der erkannte sie ebenfalls, jedoch war seine Mimik eher von Angst geprägt als von Freude. Vorsichtig umrundete er die rote Drachin, die offensichtlich Mühe hatte ihre Begeisterung in Zaum zu halten und immer wieder mal hierhin flog und dorthin um überschüssige Energie loszuwerden. „Elena?!“

Die angesprochene vollführte gerade äußerst gekonnt eine enge Drehung in der Luft. „Hallo Toivo!“

Fast wäre dem türkisen Drachen die Luft weggeblieben. Das roch nach sehr, sehr viel Ärger. Er klammerte sich an einen letzten Hoffnungsschimmer. „Ist ne seeeehr ungünstige Zeit um mich zu besuchen, weißt du das?“ Elena stoppte ihren Kunstflug und flog auf Toivo zu, seinen Gesichtsausdruck genau studierend. Kurz vor ihrem Cousin drehte sie ab und rief ihm zu. „Deine Worte glaubst du doch selber nicht, oder?“

Litko sah von Toivo zu Elena und wieder zurück und dann erinnerte er sich daran was sein Freund ihm erzählt hatte. „Ausgerissen!“ stellte er fest. „Na ganz Klasse. Das stinkt ja richtig nach Ärger!“

Elena runzelte die Stirn und flog grummelnd um Litko herum. „Also erstens unterstützen mich meine Mutter und mein Bruder und zweitens bin ich seit einigen Tagen alt genug um für mich selber zu entscheiden!“ Litko und Toivo warfen einander zweifelnde Blicke zu, wussten jedoch dass sie beide auf verlorenem Posten standen. Dem Nicken entnahm die junge Drachin dass es jetzt weiter ging und so schoss sie vergnügt voraus in Richtung der Berge, die sie schon erkennen konnte. Litko bedeutete dem anderen Drachen mit schnippen der Schwanzspitze ihnen zu folgen, während Toivo seine übermütige Cousine wieder einfing. „Du weißt doch gar nicht wo du hinmusst!“ meinte er und bremste sie aus.

Elena nahm die Kurskorrektur gelassen hin. „Dann zeig mir wos langgeht! Aber beeil dich, ich will mich nicht verspäten!“

Nicht viel später hatten sie den Versammlungsplatz erreicht und setzten zur Landung an. Während sich der andere zukünftige Rekrut bewusst zurückhielt, kam Elena aus dem offensichtlichen Staunen nicht mehr heraus. So viele Drachen auf einem Haufen! Und wie bunt sie waren! Die Wiese unter ihr erstrahlte in allen Farben und Elena konnte sich fast nicht sattsehen. Wie gerne hätte sie noch ein paar Runden über der Wiese gedreht, aber Toivo machte ihr unmissverständlich klar dass sei zu landen hatte. Jetzt.

Augenrollend setzte sie zur Landung an – und ließ sich wieder einmal ablenken. Kein Wunder dass sie den kleinen lila Drachen vor ihr nicht wahrnahm.

Tommy hatte leider mit Wachstumsproblemen zu kämpfen und war nur halb so groß wie ein normaler Drache – gerade groß genug dass man wunderbar über ihn stolpern konnte, wie Elena eindrucksvoll bewies. Nicht nur dass sie über ihn stolperte und selber hinfiel, nein ihr Schwung riss Tommy auch mit von den beiden und so lagen am Ende beide am Boden und mussten sich erstmal wieder neu orientieren.

Die beiden waren einem hellblauen Drachen direkt vor die Pfoten gepurzelt, der sich das Ganze erst ansah und dann Tommy aufhalf. Elena rappelte sich selber wieder auf. „Also das mit der Landung musst du noch üben.“ urteilte Tommy und seine Stimme klang gar nicht so grummelig wie Elena es vermutet hätte. Eher freundlich und neugierig.

Tut mir Leid Kleiner. Ich war abgelenkt.“

Der hellblaue Drache lachte lauthals. „Du warst? Du bist immer noch!“

„Wie sollte man es auch nicht sein bei so vielen Drachen auf einem Haufen?“ versuchte Elena sich zu verteidigen, was allerdings bei den beiden Drachen nicht so ganz ankam.

„Wie heißt du denn und können wir noch mehr solche Showeinlagen von dir erwarten?“ fragte der hellblaue Drache vergnügt.

„Ich bin Elena und ich liefere keine Showeinlagen! Ich werde eines Tages die bekannteste Kriegerin der ganzen Dragon Force sein!“ stellte sie fest und richtete sich zu volle Größe auf. „Und mit wem habe ich das Vergnügen?“ wollte sie wissen. Der hellblaue Drache stellte sich als erstes vor. „Ich bin Aluka.“ Den würde sie aus allen Drachen heraus wieder erkennen, stellte Elena bei genauerer Betrachtung fest, denn Aluka war nicht einfarbig – er hatte unten am Wangenknochen dunkelblaue Schuppen, die, wie sie an seinem Körper angebracht waren, ein wenig an Flammen erinnerten. Auch den Kleinen, der sich als Tommy vorstellte, den würde sie unter allen andren Drachen wieder erkennen – wenn sie ihn denn rechtzeitig sehen würde, so klein wie er war.

Die unsanfte Landung war auch bei den Offizieren, zu denen inzwischen auch Toivo gehörte, nicht unbemerkt geblieben. „Passt ja perfekt in die Familie hinein.“ hörte der türkise Drache eine Stimme neben sich und verdrehte die Augen. Rowca konnte seine spitze Zunge mal wieder nicht in Zaum halten. Seitdem er einer Spezialeinheit angehörte war der lilane Drache noch unausstehlicher geworden als er sowieso schon immer gewesen war. Zwar versuchte Litko Toivo wie gewöhnlich zu verteidigen, aber Rowca ignorierte das gekonnt. Gerade wollte er zu einer neuen Stichelei ansetzen, als Toivo aufsprang und direkt in den Kampfmodus überging. „Na na…“ versucht Litko ihn zu beruhigen, aber das nahm der türkise Drache nicht wahr.

Der Sammelplatz war eine große Senke, die rundherum von Büschen eingeschlossen war und nur an einer Stelle an eine höhere Felswand anschloss, an der sich die ganzen Mitglieder der Dragon Force nieder gelassen hatten. Auf der anderen Seite der großen Wiese, zwischen den Büschen, hatte Toivo etwas oranges gesehen. Ein Orange das er nur zu gut in den letzten Jahren hatte kennen lernen dürfen. Es gehörte zu einem Drachen Jenseits der Grenze, einem Drachen aus dem Schattenreich, der sich auch ganz gerne alleine über die Grenze schlich und Unfrieden bei den Drachen des Feuerreiches stiftete wo er nur konnte.

Und auch heute hatte Grewan offensichtlich Spaß daran seine Gegner in Aufruhr zu versetzen, denn gekonnt brach er einen der wenigen Bäume ab und warf es in die Menge der angehenden Rekruten.

Zwar war er dabei nur kurz zu sehen gewesen, doch Toivo hatte ihn eindeutig erkannt. Gerade wollte er losfliegen, als er sah, dass der Baumstamm zwei der Drachen in der Senke unvorbereitet traf.

Einige konnten noch beiseite springen, Elena und Tommy waren jedoch nicht schnell genug. Die beiden hatten es sich inzwischen auf der Wiese zusammen mit Aluka gemütlich gemacht und waren so in ihre Unterhaltung vertieft, dass sie den Baumstamm, der auf sie zukam erst bemerkten, als er kurz vor ihnen von einer Bodenschwelle in die Luft katapultiert wurde und unter großem Getöse auf den Flügeln der beiden landete.

Während Tommy nur kurz zusammenzuckte, aber sofort erkannte dass er den Baumstamm wohl nicht ohne Hilfe von seinem Flügel herunter bekommen würde, war Elena nicht ganz so gelassen. Ihr Versuch aufzuspringen schlug fehl, und so stand sie schief da, das eine Vorderbein noch eingeklappt, die andren in unterschiedlicher Höhe vom Körper weggestreckt. Mit zusammengebissenen Zähnen versuchte sie allein mit dem Kopf den Baumstamm von ihrem Flügel runter zu schieben, was jedoch eher leidlich klappte. Zu ihrem Glück hatten sich die umstehenden Drachen schnell von dem anfänglichen Schrecken erholt und halfen tatkräftig mit. Überall wuselten Drachen herum und noch ehe Elena überhaupt richtig realisierte was um sie herum passierte, war ihr Flügel auch schon wieder frei.

Noch während sie ihn sich genauer ansah merkte sie auch schon wie ihr Cousin direkt neben ihr landete, mit einer Präzision, die sie zwar bewunderte, der sie aber gerade nicht so viel Aufmerksamkeit schenken konnte wie sie wollte. Denn das Gelenk, welches die Flügelknochen zusammenhielt tat weh. Und zwar ziemlich extrem.

Aus dem Augenwinkel bekam sie mit wie Tommy seine offensichtlichen Schmerzen herunterspielte und biss die Zähne zusammen. Sie konnte doch nicht so kurz vor dem Ziel aufgeben! Noch einmal würde sie die Chance sich bei der Dragon Force zu bewerben nicht bekommen, da war sie sich sicher. „Elena…“

Die rote Drachin hielt sich am besorgten Blick ihres Cousins fest. Tief ein und ausatmen und Kontrolle über die Stimme behalten. „Ja, es tut weh. Verdammt weh. Aber ich werd nicht so kurz vor dem Ziel aufgeben!“

Toivo empfand Stolz und Bewunderung für Elena. Das war bestimmt nicht leicht für sie und trotzdem versuchte sie sich zusammen zu reißen… Aus ihr würde eventuell tatsächlich eines Tages eine gute Soldatin werden – aber mit diesen Schmerzen würde sie im Rekrutierungskampf nicht bestehen. Zumindest wenn die Schmerzen nicht bald nachließen. Doch jetzt würde er bestimmt nicht unauffällig an ein Schmerzmittel kommen, vor allem eines das stark genug war um Elenas Kampffähigkeit wieder herzustellen. Er sah sich suchend um und seine Augen sahen den triumphierenden Blick Rowcas. Sein Erzrivale grinste sein übliches, überhebliches Grinsen und er wischte seine Pfote auffällig im Gras ab. Wieso er dem kleinen Drachen geholfen hatte war Toivo zwar nicht klar, aber er konnte Rowca schon spotten hören dass Toivos gesamte Familie nichts taugte. Toivo knurrte verärgert. Natürlich könnte er jetzt Rowca öffentlich beschuldigen, dass er Rekruten unerlaubte Substanzen zur Verfügung gestellt hatte, aber was hätte er davon? Und Elena war auch nicht geholfen.

Die hatte sich inzwischen auf den Boden fallen lassen und schien auf irgendwas herumzukauen. Toivo sah erstaunt auf seine Cousine herab. Seit wann half denn normales Gras gegen Schmerzen? Auch Rowca beobachtete Elena misstrauisch, jedoch noch misstrauischer Litko, der sich neben Toivo nieder gelassen hatte und Rowca mit zufriedenem Lächeln bedachte.

„Wie ich sehe geht es den beiden Anwärtern wieder gut?“ fragte er mit fast schon überzogener Freundlichkeit und warf dabei einen Blick in die Runde, der nicht schwer zu deuten war und besagte: „Wenn auch nur einer von euch ein Wort sagt, dann dreh ich euch den Hals um.“

Tommy nickte und probierte vorsichtig den Flügel aus. Tat immer noch weh, aber würde benutzbar sein. Toivo wartete erst gar nicht Elenas Antwort ab sondern platzte mit seiner Entdeckung heraus.

„Das war Grewan!“ Litko und Rowca tauschten einen langen, zweifelnden Blick. Klar, der orangene Schattendrache war bekannt für eher ungewöhnliche Alleingänge, aber am Rekrutierungstag, wo fast die gesamte Dragon Force versammelt war, irgendwas anzustellen, kam einem Todesurteil gleich. Das würde auch er sich nicht trauen.

„Nicht dass ich dir nicht glauben möchte…“ setzte Litko an und Rowca musterte Toivo abfällig.

„Na das ist ja mal wieder typisch für dich. Kaum ist deine Cousine da, drehst du hohl. Grewan? Ich bitte dich! Nichtmal dieser Irre würde sich heute herwagen.“ der lila Drache setzte den arrogantesten Gesichtsausdruck auf, den er auf Lager hatte. „Ich meine, ich versteh das. Um so jemanden wie die hier muss man sich ja quasi permanent Sorgen machen, im Gegensatz meinem kleinen Bruder hier. Aber selbst dafür übertreibst dus noch ganz gewaltig. Sicher dass du dich nicht lieber um Schlüpflinge kümmern willst anstatt mit den großen Drachen zu kämpfen?“

Toivo atmete einmal tief durch. Nur keine Angriffsfläche bieten! „Na ja, wenigstens hat Elena die entsprechende Größe. Mit dem Winzlig gewinnst du noch nicht mal nen Übungskampf.“

Beinahe hätte sich Rowca wutschnaubend auf Toivo gestürzt, wurde aber von einem weiteren Drachensoldaten energisch zurück gehalten.

„Schluss jetzt!“ erscholl die tiefe, dunkle Stimme des Drachen, der sich bewusst zwischen Toivo und Rowca stellte. Tommy sah auf seine Pfötchen hinunter und verglich sie mit Elenas, die sich gerade wieder aufrappelte und ihren Flügel vorsichtig bewegte. Tat immer noch weh, aber aushaltbar.

„Aber der Kommandant hat Recht. Ich bin klein.“ meinte der kleine lila Drache mit trauriger Stimme und Elena wunderte sich. Bei dem großen Bruder, wie konnte Tommy da nur so schlecht von sich selber denken? Der kleine Drache saß zusammengesunken da, verkroch sich immer mehr in sich selber und wirkte, als wolle er in die Erde hineinkriechen. So ging das doch wirklich nicht. Elena schnappte sich den Drachen und zog ihn freundschaftlich zu sich heran. Fröhlich verkündete sie: „Du plapperst ziemlichen Blödsinn. Du bist nicht zu klein und außerdem werd ich dir helfen.“

Tommy richtete sich auf. „Wirklich?!“ Damit hätte er nie im Leben gerechnet.

„Natürlich!“ bestätigte Elena selbstbewusst. „Wir wurden beide vom selben Baum verletzt, das muss Schicksal sein, das uns jetzt für immer zusammengeschweißt hat!“ Rowca und Toivo machten ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter. Das war doch hoffentlich nicht Elenas Ernst?

Litko kugelte sich fast am Boden vor Lachen. „Seid nett zueinander, wär ja echt blöd, wenn ihr euch hasst und das Leben schwermacht und dann kommt jemand und bindet euch für immer aneinander.“ zitierte er den Drachen, der sie alle ausgebildet hatte.

Rowca grummelte. „Der Kommander war doch gut befreundet mit deinem Vater – der hat das doch bestimmt vorausgesehen!“ Toivo stutzte kurz, dann nickte er und tat gewichtig. „Aber klar doch. All das hier ist nur eine Verschwörung um dich blöd dastehen zu lassen und deinen Ruf zu diskreditieren.“

Rowca hieb verärgert mit dem Schwanz nach seinem Rivalen. „Nimm den Mund nicht zu voll, wenn die den Kampf wider Erwarten tatsächlich schaffen sollte, wirst auch du dir eines Tages wünschen, sie wäre nie hier aufgetaucht!“

Elena knurrte. Was bildete dieser lila Großkotz sich ein? „Sieh an, du bist also so ein starker Drache dass du gleich für zwei kämpfen kannst? Ich dachte die Dragon Force braucht jeden Flügel den sie kriegen kann um die Grenze gegen die Schattendrachen zu verteidigen?“ sie trat einen Schritt auf den überraschten Rowca zu. „Willst du vielleicht gleich hier und jetzt beweisen wie toll du bist? Komm nur her! Drachen mit so nem großen Maul, da steht meistens nichts dahinter als Unsicherheiten. Dich krieg ich auf jeden Fall besiegt!“

Den Umstehenden fiel teils die Kinnlade herunter. Natürlich war jedem klar dass Elena keine Chance gegen Rowca hatte, jedoch der Mut den sie aufwies, der rang nicht wenigen Bewunderung ab.

Doch der der blaue Drache machte allen einen Strich durch die Rechnung. „Und hier ist Schluss, und zwar für alle von euch.“ Er trat bewusst zwischen Elena und Rowca und deutete mit dem Schwanz auf die vorlaute rote Drachin und Tommy. „Diese beiden Rekruten kommen jetzt mit mir. Ja, alle beide. Ich werde dafür sorgen dass beiden der gleiche, faire Test zuteil wird.“ Er sah Toivo und Rowca warnend an. „Und wenn ich auch nur ein Wort darüber höre dass ich einen der beiden bevorzugt behandelt hätte, dann…“ bewusst wurde die Strafe für die beiden ausgelassen, denn die Fantasie, was den beiden passieren würde, war schon Strafe genug. Still saßen der türkise und der lila Drache da und sahen ihren Verwandten hinterher, die sich in die Lüfte erhoben, dem Rekrutierungskampf entgegen.

Elena und Tommy landeten nach kurzer Flugzeit auf einer Wiese, die nicht viel anders aussah als der Versammlungsplatz, nur in viel kleiner. Umgeben von Büschen und Bäumen lag ein kleiner Grasplatz, der bereits besseres Tage gesehen hatte. Hier wurden offensichtlich öfter Übungskämpfe abgehalten, wovon auch die abgerissenen Zweige zeugten.

Die Drachen landeten und der Prüfer sah beide Anwärter eindringlich an. „Ich muss das fragen. Ihr seid euch beide sicher, dass ihr den Rekrutierungskampf bestreiten wollt? Und ihr fühlt euch dazu auch in der Lage?“ Tommy und Elena wechselten einen langen Blick. Beide waren angeschlagen und eigentlich hätten sie keine der beiden Fragen mit ja beantworten können. Jedoch wollte keiner der beiden zugeben dass sie eigentlich nicht in der Lage waren zu kämpfen. Zu viel hatten Rowca und Toivo für sie riskiert und zu viel hing für sie selber daran diesen Kampf gut abzuschließen.

Ein ruhiges und wohlüberlegtes „Ja!“ erklang aus zwei Drachenkehlen und ihr Prüfer nickte. „Gut. Dann starten wir jetzt.“

Schon noch den ersten Sekunden erkannten die beiden Jungdrachen, dass sie sich das Ganze hätten nochmal gut überlegen sollen. Ihr Prüfer zeigte keinerlei Gnade und ließ die beiden spüren, dass sie auch zu Zweit keine Chance gegen einen erfahrenen Kämpfer wie ihn hatten.

Niemals hatte sich einer der beiden so anstrengen müssen und sich gleichzeitig so schwach und klein gefühlt. Noch nicht einmal zusammen hatten sie die geringste Chance gegen den ausgebildeten Krieger, der ihr Gegner war. Elena stürzte sich sofort von oben auf den Gegner und versuchte ihn zu Boden zu drücken. Schneller als sie sich umsehn konnte lag sie im Gras, den blauen Drachen abwehrend, der seine Pfote auf ihre Kehle drückte. Da griff Tommy von unten an. Er bearbeitete die ungeschützte Seite des Gegners mit seinen Krallen und versuchte seine Zähne in die Kehle des Gegners zu rammen. Während der blaue Drache Tommy unter seinem Bauch hervorzog und durch die Luft schleuderte, entwand sich Elena seinem festen Griff. Geschickt fing sie Tommy auf um sofort gemeinsam mit ihm eine neue Attacke zu starten. Diesmal ging Tommy gleich auf den Kopf des Prüfers los, während Elena sich eher auf die Hinterhand stürzte. Tatsächlich gelang es ihr dem blauen Drachen die Hinterbeine wegzuziehen, sodass dieser unfreiwillig zur Seite rollte. Doch Sekunden später traf Tommy, den der Gegner am Nacken gepackt und von sich geschleudert hatte, sie am Bauch und die Wucht des Aufpralls warf sie um. Doch eher der Prüfer angreifen konnte waren beide wieder auf den Pfoten und stürzten sich wieder auf ihn. Elena probierte es am Nacken, während Tommy auf die Hinterpfoten ging. Doch er hatte nicht mit der Kraft die in den Hinterbeinen steckte gerechnet, die ihn erneut durch die Luft fliegen ließ, ins Gebüsch hinein.

Tommy versuchte sich aufzurichten und schüttelte den Kopf, um den Nebel, der sich darin breit gemacht hatte, zu vertreiben. Aus dem Augenwinkel nahm er etwas silbernes wahr, das sich langsam an ihn heranschlich. War das etwa der Prüfer? Ein schneller Blick zu Elena zeigte ihm, dass die rote Drachin ihr bestes gab sich nicht unter kriegen zu lassen. Er blinzelte. Aber wenn das nicht der Prüfer war, was war das Glänzen gewesen das er gerade gesehen hatte?

Noch ehe er in der Lage war zu begreifen was gerade passierte, spürte er auch schon wie sich Krallen in seine Schulter bohrten. Krallen, die bereit waren ihn zu verletzten, so tief wie sie sich in seine Schulter gruben. Wer auch immer das war, Tommy war nicht bereit, sich Kampflos zu ergeben. Geschickt wand er sich und schaffte es sich von den Krallen zu befreien. Heftig keuchend stand er seinem Angreifer gegenüber, der ihm keine Chance zum überlegen ließ. Schon setzte der orangene Drache zum Sprung an und Tommy schaffte es gerade noch so, den Krallen des Drachen zu entgehen. Leider nicht den Zähnen, die sich tief in das Flügelgelenk des kleinen Drachen bohrte und mit einem Ruck einen der Flügelknochen und die daranhängende Lederhaut mit einem gräßlichen Ratschen abtrennte. Tommys Augen füllten sich mit Tränen, doch nicht, weil er Schmerzen empfand. Noch wirkten die Schmerzmittel die ihm sein Bruder gegeben hatte. Eher trauerte er seinem prächtigen Flügel hinterher, der jetzt um eine ganze Flügelspanne kleiner war.

Sein Gegner war unerbittlich und schien es wirklich auf den Kleinen abgesehen zu haben, denn angewidert spuckte er den Flügelknochen aus und stürzte sich erneut auf sein Opfer, das er diesmal auch zu Fall brachte und mit beiden Vorderpfoten fest an den Boden pinnte. Mit bösartigem Grinsen im Gesicht beugte er sich zu dem kleinen Drachen herunter. „Drache um Drache… Du kannst deinem Vater hierfür danken. Bestell meiner Mutter schöne Grüße wenn du sie im Jenseits siehst.“ Tommy wusste nicht was hier vorsich ging, doch er erkannte den Tötungswillen seines Angreifers und machte diesem einen Strich durch die Rechnung. Er würde nicht sterben. Gut, vielleicht irgendwann einmal, aber nicht heute und nicht hier. Mit letzter Kraft bäumte er sich auf und biss seinem Angreifer mit voller Kraft in die Schnauze.

Bluttropfen spritzten um den kleinen Drachen herum als er sich unter den orangenen Pranken hervorwand und ein schmerzerfülltes Jaulen klang in seinen Ohren. Gerade wollte er sich mit einem Sprung in Sicherheit bringen, als sein Angreifer in rasender Wut nach ihm schlug und biss und diesmal seinen anderen Flügel zu fassen bekam. Tommy wusste dass dies seine einzige Chance war – noch einmal würde er diesem irren Mörder nicht entkommen. Mit letzter verbleibender Kraft zerrte an dem Flügel in den sich der Angreifer verbissen hatte. Schmerz durchschoss ihn, als auch das Gelenk an diesem Flügel brach und ihm abermals eine Spannweite verloren ging. Doch zumindest war er nun frei.

Elena hatte das Jaulen gehört und stürzte, gefolgt vom Prüfer, ins Gebüsch. Sie hatte sich eh schon gefragt wo Tommy blieb und das Jaulen klang nach ernsthaften Schwierigkeiten.

Der Anblick der sich ihr bot, erschrak sie. Vor allem als sie das schwarze Symbol auf der Rüstung des orangenen Drachen erkannte. „Schattendrache!“

Mit all ihrer Kraft stürzte sie sich auf den Gegner und bohrte Krallen und Zähne in sämtliche Körperpartien die sie zu fassen bekam. Nicht unbedingt die klügste Variante, wie sie Sekunden später feststellte, denn ihr Gegner biss in das nächstbeste das er mit seinen Zähnen zu fassen bekam – welches ihr eh schon beschädigter Flügel war. Mit roher Gewalt wurde an ihrem Flügel gezerrt und der Rest des Körpers der dranhing musste wohl oder übel den Drachen loslassen. Leider war sie nicht schnell genug und so ereilte sie das selbe Schicksal wie Tommy zuvor und auch ihr Flügel war nun um eine Spanne kürzer. Der orangene Drache hielt inne und spuckte den Flügelknochen mit der schwarzen Lederhaut daran aus. „Nächstes Mal kein Baumstamm, der bringt nicht wirklich was.“ murmelte er verärgert und gab dem Drachen des Feuerreiches damit Zeit die beiden Rekruten fortzuschicken.

„Schnell! Fliegt zurück zum Versammlungsplatz.“

„Aber der Rekrutierungskampf?“ fragte Elena verdattert.

„Den habt ihr bestanden! Los, bringt euch in Sicherheit!“

Noch während die beiden Rekruten einen Senkrechtstart hinlegten hörten sie unter sich das Kampfgetümmel wieder losbrechen und ahnten warum sie alleine zurück geschickt worden waren. Ohne auf die verletzten Rekruten Rücksicht nehmen zu müssen konnte man einen Drachen aus dem Schattenreich vermutlich wesentlich besser vertreiben.

Während Tommy erschöpft, aber sicher durch die Luft glitt, kam Elena immer wieder ins straucheln und stürzte auf den paar Minuten Rückweg ein paar Mal beinahe ab. „Verdammt – was ist denn jetzt los?“ fluchte sie, und versuchte zumindest den Landeanflug halbwegs gekonnt über die Bühne zu bringen. Doch das funktionierte nur leidlich und so landete sie zwar vor den Füßen ihres Cousins, über schlug sich jedoch mehrfach. Tommy landete erschöpft, aber aber sicher und sah Elena mitleidig zu, wie sie da über den Boden kullerte.

Sie kam vor den Pfoten ihres Cousins schließlich zum stehen und der legte nur den Kopf schief. Ein zweiter Blick auf Tommy und dessen zerrissene Schulter ließen ihn schlimmes erahnen. „Ehm… Rowca?“

Rowca verdrehte die Augen. „Was ist denn nun schon wieder?“ Tommys großer Bruder war abgelenkt gewesen und hatte nicht mitbekommen was passiert war. Ein kurzer Blick und man erkannte dass auch Rowcas Herz nicht komplett aus Stein war, auch wenn er gerne so tat. „Was ist denn mit euch passiert?“

„Schattendrache. Orangener Schattendrache!“ brachte Elena mühsam hervor als sie sich auf den Bauch umdrehte. Verdammt, die Schmerzmittel ließen nach! Und ihr Flügel begann wieder übelst weh zu tun.

„Ich hab dir gesagt, es ist Grewan!“ triumphierte Toivo aufgeregt und wollte sich schon in die Lüfte schwingen. „Komm, den Bastard, den schnappen wir uns!“ als er von einem Drachen abgelenkt wurde, der ihm bekannt vorkam. War das nicht der Drache den er zusammen mit Elena hier her gebracht hatte? Der ockerfarbene Drache war, genauso wie Aluka, gerade eben gelandet und hatte seinen Rekrutierungskampf offensichtlich zur Zufriedenheit absolviert. „Tja, du bist dann wohl eher Ausschuss, so wies aussieht.“ meinte er im vorbeigehen zu Elena, die erschöpft gerade Mal eine Pfote nach ihm ausstrecken konnte.

Doch Aluka eilte schon zur Rettung seiner neuen Freunde herbei. „Und du hast offensichtlich keinerlei Manieren. Vorstellen hat so ein arroganter Muskelprotz wie du wohl nicht nötig, oder?“

„Ich bin Kereno.“ der Drache betrachtete den hellblauen Drachen mit einem arroganten Blick den Elena auch mitbekam.

„Na hoffentlich muss ich von dir nicht mehr allzuviel sehen. Aluka und Tommy dürfen gern in meinem Team sein, aber auf solche Drachen wie dich kann ich echt verzichten!“ schnaubte sie und besah sich den schmerzenden Flügel genauer. Leider konnte man ganz genau sehen, dass einer ihrer Flügelknochen abgetrennt worden war, denn nicht nur das Gelenk schmerzte wirklich furchtbar, auch hing noch ein kläglicher Rest des Flügelknochens blutüberströmt an einigen wenigen Sehnen. Sie seufzte und bekam gar nicht mit wie sich die Drachen um sie herum sammelten. Ein paar von Rowcas Freunden hielten Toivo ab seiner Cousine zu Hilfe zu kommen als sich Rowca zu ihr runterbeugte und den Flügel inspizierte. „Was hast du vor?“ knurrte Elena verärgert. „Geh da weg.“ Tommy legte sich so hin dass er Schnauze an Schnauze mit Elena lag und sah sie an.

„Konzentrier dich auf mich, ich muss dir was erklären!“ Elena grummelte, ließ sich aber von Tommys sanfter Stimme und seinen so unglücklich dreinblickenden Augen einfangen. „Weißt du, dadurch dass Grewan die einen Teil des Flügels abgerissen hat, sind deine Flügel nicht mehr gleich groß. Deswegen muss jetzt nicht nur dein einer Flügel sauber gemacht werden, sondern auch noch dein anderer Flügel eingekürzt werden.“

Elenas Augen wurden groß. „Wa-Aaaaauuuu!“ ihr Schmerzschrei lockte noch mehr Drachen an. Rowca trennte zwar Sachgemäß den Knochen vom Gelenk und zupfte fast schon gekonnt die Reste der Lederhaut ab, doch ging er dabei nicht wirklich vorsichtig vor. Er wandte sich dem noch gesunden Flügel zu während Toivo schier ausflippte.

„Das machst du nur um mir eins auszuwischen! Du musst dabei nicht so grob sein!“ brüllte er und versuchte sich, gehalten von nicht wenigen Drachen, zu seiner Cousine durchzukämpfen. „Familie von Weicheiern.“ schnaubte Rowca und wollte gerade den anderen Flügel einkürzen als ein gezielter Hieb auf die Schnauze ihn aufschrecken ließ. Vor ihm hatte sich eine wunderschöne, hellgrüne Drachin aufgebaut, die sich ihrer Präsenz bewusst zu sein schien. Vor ihr wich selbst Rowca schüchtern zurück und Elena kam nicht umhin die Drachin zu bewundern. Würdevoll stand sie da und mühelos schien sie die übrigen Drachen zu kontrollieren.

„Rowca! Ich weiß ja dass du Toivo nicht leiden kannst, aber deswegen musst du nicht so grob zu einer Rekrutin sein, egal mit wem sie verwandt ist!“ Rowca zog sich stillschweigend zurück und überließ der Drachin die Aufgabe den Flügel einzukürzen. Auch Toivo beruhigte sich wieder. Freundlich wandte sich die Drachin an Elena. „Hallo, ich bin Felicitas. Es tut mir Leid, aber ganz Schmerzfrei wird das jetzt leider nicht ablaufen. Aber ich geb mir die größte Mühe dass es schnellstmöglich vorbei ist.“ Dann stellte sie sich auf den Flügel und biss einmal kräftig und gekonnt zu. Elena bohrte ihre Schnauze in den Boden und erstickte so ihren Schmerzenschrei. Es tat nicht so weh wie die grobe Behandlung von Rowca, aber es war immer noch äußerst schmerzhaft. Tommy tätschelte besorgt ihre Pfote. Auch bei ihm hatte das Schmerzmittel inzwischen nachgelassen und er konnte es Elena nachempfinden wie sie sich fühlen musste.

Die Sehnen und Muskeln hatte Felicitas mit dem einen Biss geschickt durchtrennt, nun setzte sie eine Kralle an und hevbelte den langen Knochen aus dem Gelenk. Anschließend schnitt sie geschickt und schnell mit der Kralle die Lederhaut am nächsten Flügelknochen ab und betrachtete ihr Werk. „Fertig. In wenigen Tagen sollte es geheilt sein und die Schuppen wieder nachwachsen. Am besten bringst du sie jetzt in ihre Rekrutenhöhle, dann tun wir Salbe auf die Wunden und dann sollte sie spätestens übermorgen wieder fliegen können.“ Toivo seufzte erleichtert.

„Danke für die fachkundige Hilfe.“ er ging zu seiner Cousine und stubste sie sachte an. „Elena?“ Doch für die war das alles zu viel gewesen. Ihr Kopf wurde immer schwerer und ihr Kopf sank tief ins Gras. Nur ganz kurz die Augen schließen…

Kapitel 2

„Uh….“ Elena erwachte mit schmerzendem Bein. Langsam drehte sie den Kopf soweit es ging. Eingeklemmt zwischen Tommy und Aluka, welcher sich ausgerechnet ihr Bein als Kopfkissen und nächtlichen Snack ausgesucht hatte, hatte sie sich zu einer Art Kugel zusammengerollt um zumindest ein bisschen Platz zu haben. Doch keine Chance Tommy hatte sich eng an sie gekuschelt und drückte ihr mit seinen Krallen in den Bauch. „Aluka…“ „ALUKA!“ Tommy öffnete verschlafen die Augen und blinzelte die rote Drachin an, die verzweifelt versuchte sich aus dem Klammergriff von Alukas Zähnen zu befreien.
„Guten Morgen!“ Kam eine Stimme vom Eingang her. Kereno. Ausgerechnet. Elena seufzte innerlich. Womit hatte sie diesen Wecker verdient? „Aufstehen, Kameraden, der Ausbilder wartet.“ Elenas Augen wurden groß. „Kameraden? Du bist in unserem Team?“ „Was dagegen?“ fragte Kereno gelangweilt. „Allerdings!“ wollte Elena sich gerade beschweren, doch da tauchte ein türkiser Kopf am Höhleneingang auf. „Kommt ihr nun oder muss ich euch raustragen?“ „Noch fünf Minuten Rowca.“ murmelte Tommy und war schon wieder eingeschlafen. Aluka knurrte etwas unverständliches und knabberte an Elenas Bein. „Toivo?“ Der türkise Drache sah seine Kusine mit einer Mischung aus Neugier und Verzweiflung an. „Was ist?“ „Hilf mir!“ fiepte die rote Drachin jämmerlich und versuchte sich vergeblich vor Alukas spitzen Zähnen zu retten und gleichzeitig Tommy beiseite zu schieben. Toivo seufzte. „Kereno, kümmer du dich um Aluka.“ Er selber ging zu Tommy, packte ihn an den Hörnern und zog ihn aus der Höhle in einen langen, dunklen Gang. Kereno war auch nicht viel freundlicher. Grob biss er Aluka in die Schnauze, woraufhin der blaue Drache Elena augenblicklich losließ um sich auf den Angreifer zu stürzen. Elena rappelte sich auf und rannte aus der Höhle, ihrem Cousin hinterher. Der ließ Tommy zu Boden fallen und ging in die Höhle zurück. „Kommt jetzt.“ knurrte er und die beiden folgten ihm mit eingezogenem Schwanz. Betrübt trotteten sie hinter ihrem Ausbilder her, der alles andre als eine gute Laune zu haben schien.
Inzwischen war auch Tommy wach. „Guten Morgen, Komandant Toivo!“ begrüßte der lilane den türkisen Drachen, wurde aber kaum beachtet. Geduckt schlich Tommy mit Elena hinter Aluka und Kereno her. „Was hab ich denn falsch gemacht?“ fragte der Kleine seine Kameradin die damit beschäftigt war sich im langen Tunnel umzusehen. Überall gingen weitere Gänge ab und sie war sicher, dass sie niemals wieder zu ihrem Schlafplatz zurückfinden würde. „Ährm…“ Geistesabwesend versuchte Elena sich zu erinnern während sie sich umsah. „Ich glaub du hast Toivo vorhin mit deinem Bruder verwechselt.“ Da kam der Ausgang in Sicht und die rote Drachin war nicht mehr zu halten. Sonnenlicht und frische Luft! In der Höhle und im Gang war es nur schlecht beleuchtet gewesen, gerade gut genug um zu sehen wohin man die Pfoten setzte. Sie schoss an allen vorbei ins Tageslicht. „Elena!“ Hörte sie ihren Cousin noch rufen, doch es war schon zu spät. Aufgeregt schoss sie aus dem Gang heraus und sah sich um. Überall Drachen auf einem riesigen Gebirgsplateau. Einige starteten gerade zu Missionen, andere begaben sich in die Höhlen um den Schlaf nachzuholen, den sie während der nächtlichen Missionen nicht bekommen hatten.
Da sah Elena ihn. Ihren heißgeliebten Onkel Eternity. Der gelbe Drachengenaral stand etwas abseits der Menge und beobachtete die Drachen. Seine Nichte nahm Anlauf und stürmte auf ihn zu. „Onkel Eternity!“ rief sie begeistert und kam schlitternd bei ihm zu stehen. Viel hätte nicht gefehlt und sie wäre in ihn hinein gerast wie tags zuvor in Tommy und Toivo.
Verwundert sah Eternity seine Nichte an. „Was machst du hier?“ wollte er wissen. „Ich hab den Rekrutierungskampf bestanden und werde jetzt Soldatin!“ berichtete Elena ihm freudestrahlend. Eternitys Augen wurden groß. Sein Bruder würde ihn umbringen, da war er sich sicher. Er sah zu seinem Sohn hinüber der mit dem Rest seines Teams folgte. „Warum hast du das zugelassen?“ fragten seine Augen verzweifelt, doch er besann sich eines besseren. Er war ein General und verlor niemals seine Würde. Mit kleinen Brüdern wurde man fertig. „Du bist jetzt in der Armee. Ab jetzt heißt es für dich General, hast du verstanden?“ belehrte er seine Nichte. „General Onkel Eternity?“ scherzte Elena. „Das hört sich absolut doof an.“ befand sie, doch das Knurren ihres Onkels brachte sie zum Schweigen. Ohweh, diesen Blick kannte sie von ihrem Vater. Ein Wort zu viel und Eternity würde los schimpfen. Nein, dieses Risiko wollte sie nicht eingehen, dachte sie bei sich, als sie jemand glockenhell lachen hörte. Die grüne Drachin vom Vortag, Felicitas, hatte gehört was die rote Rekrutin gesagt hatte und amüsierte sich sichtlich. Im vorbeigehen wünschte sie Toivo augenzwinkernd viel Vergnügen beim ausbilden. Toivo bedeutete seinen Rekruten ihm zu folgen und schüttelte den Kopf. Zuerst folgtem ihm die vier schweigend, doch als sie sich anschickten da s Gebirgsplateau zu verlassen, hielt es Aluka nicht mehr aus. „Kommandant, was ist denn los?“ wollte er wissen. Das griesgrämige Gesicht, das Toivo aufgesetzt hatte gefiel keinem der vier Rekruten. Der türkise Ausbilder seufzte und meinte: „Es nimmt mich keiner Ernst. Ich hab die Ausschussware bekommen, die Irren, die man eigentlich nicht haben will.“ Tommy sprang mit einem Satz auf den steilen Pfad der zur Erde hinunterführte und versperrte Toivo den Weg. „Das ist weder fair noch wahr!“ protestierte er. „Und ich werde es ihnen beweisen!“ mit diesen Worten nahm der Kleine Anlauf, sprang ab und erhob sich in die Lüfte.
„Eh… Tommy? WARTE!“ rief Toivo, was ihm aber nur einen strengen Blick von Aluka und Elena einbrachte. „Flieg in gebührendem Abstand hinterher.“ Wies Elena ihren Cousin an. „Mag ja sein dass wir nicht die tollste Spezialeinheit sind, aber wir sind lebendige Wesen, mit Gefühlen, Kommandant.“ wies Aluka seinen Ausbilder mit einer eisigen Stimme zurecht, während Elena schon Tommy nachflug. Ein kalter Blick noch und auch der hellblaue Aluka flog davon und war am Himmel immer schwerer auszumachen. Leicht verzweifelt sah der Ausbilder zu seinem letzten Schützling hinüber der nur verächtlich schnaubte. „Stellen sich an wie frisch geschlüpft.“ Na gut, mit Kerano würde es wohl noch einige Probleme geben, dieser Drache war kein besonders angenehmer Zeitgenosse. Er schien nichts anderes im Sinne zu haben als seine Teamkameraden zu demütigen und Empathie war bei diesem ockerfarbenen Drachen wohl auch nur ein Wort das er mal so am Rande mitbekommen hatte. Toivo seufzte und bedeutete Kerano, dass er ihm folgen sollte. Gemeinsam versuchten sie die drei vorausgeflogenen einzuholen.
„Hey wartet!“ rief Toivo den dreien hinterher die immer schneller zu fliegen schienen. Ein kurzer Blick aus den Boden ließ Toivos Herz für einen Augenblick stillstehen. Er beschleunigte und rief den dreien zu dass sie sofort landen sollten. Keine Chance. Tommy flog trotzig vorweg und schien alles ignorieren zu wollen was sein Ausbilder zu ihm sagte. Doch dieser war etwas trainierter als der kleine lila Drache und schaffte es ihn einzuholen. Ruppig schnappte er den Kleinen an den Hörnern und zerrte ihn mit sich auf den Boden. Die drei anderen folgten. Kereno verwundert und Elena und Aluka sehr empört. „Was soll das denn schon wieder?“ wollte Aluka wissen und war knapp davor auf Toivo loszugehen während Tommy grummelte.“Ist das die Rache für das, was Rowca Elena angetan hat?“ Elena schnappte nach Luft. Sollte ihr Cousin wirklich so gemein sein? „Still.“ herrschte Kereno sie plötzlich an und reckte den Hals. „Was willst du den scho..“ wollte die hitzköpfige rote Drachin gerade ansetzen, als ihr ockerfarbener Teamkollege sie zu Boden warf und ihr Schnauze fest mit seinen Pfoten zuhielt. „Fremde Drachen. Mit einem anderen Logo auf der Rüstung, einem schwarzen.“ zischte er. Tommy und Toivo ließen sich sofort zu Boden fallen und auch Kereno folgte ihrem Beispiel. Aluka stand verwirrt da. „Runter!“ Tommy fauchte den blauen Drachen an und bedeutete ihm mit der Pfote sich ebenfalls hinzulegen. Verwirrt tat Aluka wie ihm geheisen. Immer näher kamen die fremden Drachenkrieger und je lauter die die Zweige unter deren Pfoten knackten und die Blätter raschelten, desto fester kniff Tommy die Augen zusammen während Toivo seine Krallen in den Boden bohrte und seine Muskeln anspannte. Kereno wechselte vielsagende Blicke mit Aluka. Kereno versuchte mit Grimassen seinem blauen Drachenkameraden verständlich zu machen, dass es sich bei den Kriegern um Feinde handelte. Elena war mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt, Sie erinnerte sich an den orangen Drachen, der sie am Vortag angegriffen hatte. Dieser hatte auch so ein schwarzes Zeichen auf der Rüstung gehabt. Ob er wohl auch bei diese Drachen dabei war? Plötzlich stoppten die Schattendrachen. Den Rekruten stoppte das Herz für einen Augenblick und Toivo machte sich bereit zum Sprung.
Doch die Gegner hatten sie nicht bemerkt. Sie beendeten ihre Grenzpatrouille und traten den Rückflug nach Hause an. Als das Blätterrascheln der Bäume schon lang verklungen war traute sich Toivo als erstes wieder Aufatmen. Er gab Entwarnung.
Neugierig setzte Aluka sich auf. „Wer war denn das?“ „Schattendrachen!“ meinte Elena fröhlich was ihr einen strafenden Blick von Kereno einbrachte. „Du findest unsere Gegner also lustig?“ fragte er verstimmt. „Gegner?“ japste Aluka. „Das waren unsere Feinde?“ „Die schlimmsten die du dir vorstellen kannst.“ bestätigte Tommy zitternd und huschte zu Elena hinüber um sich an sie zu kuscheln. „Ich dachte sie bringen uns um!“ „Das hätten sie auch wenn sie uns gefunden hätten.“ gruselte sich Kereno. „So kleine, verwundbare Rekruten sind doch ein wahres Vergnügen für sie…“
„Also ich weis nicht was ihr habt.“ kam es von Elena. „Ich fand Grewan schon cool irgendwie.“ Tommy sprang auf und suchte Schutz bei Aluka. Der sah Elena genauso blöd an wie Kereno. Einen Gegner cool finden? Der einen töten wollte? Toivo fiel die Kinnlade herunter. „Du findest einen Erzfeind cool? Den Typen, der dich gestern umbringen wollte?“ „Äh… Ja?“ Elena sah verblüfft in die Runde. „Sag da ja niemals laut.“ meinte Kereno nur und wandte sich zum gehen. „Wer hat diese Irre nur in unser Team gesteckt, warum müssen wir uns mit ihr abplagen?“ „Hiergeblieben!“ donnerte Toivo verärgert. Kereno sah ihn verwundert an. „Wir sind hier nicht im Erholungsurlaub! Wir sind hier bei der Armee und hier bewegt sich keiner ohne einen Befehl von mir!“ knurrte der türkise Drache. „Rekruten! In einer Reihe aufstellen! SOFORT.“ brüllte er seinen kleinen Trupp an, der tat wie ihm geheißen.
Doch das stimmte Toivo nicht friedlicher. Schnaubend ging er vor seinen Rekruten auf und ab. „Ihr seid ein unerzogenes, nicht denkendes Pack! Ihr fliegt los ohne zu wissen wohin, ihr bringt euch und eure Kameraden in Gefahr indem ihr direkt ins Grenzgebiet fliegt und ihr widersetzt euch den Befehlen eures Ausbilders. Wollt ihr es unbedingt zu einer Schlacht kommen lassen? Wollt ihr unbedingt sterben? Ihr habt keinerlei Kampferfahrung, könnt nicht kämpfen und habt keine Rüstung. Für unsere Feinde seid ihr gefundenes Fressen. Die warten nur darauf euch zu töten und euch dann unseren Kriegern in der nächsten Schlacht vor die Pfoten zu werfen um sie einzuschüchtern! „Seht her, eure Rekruten haben wir schon erledigt, nun kommt ihr dran.“ Das ist kein Spiel Leute, da ist Ernst. Entweder euer Leben, oder ihres. Wollt ihr den unbedingt so früh sterben?“ Die Rekruten sahen beschämt zu Boden. Ihr Ausbilder bedeutete ihnen mitzukommen. Betrübt folgten sie ihm. „Wann fliegen wir den nach Hause?“ traute Aluka sich zu fragen. „Fliegen ist ein Privileg, das nur Drachen haben, welche ein vernünftiges und verantwortungsvolles Handeln zeigen. Bis ihr mir zeigt, dass ihr es verdient eure Flügel zu benutzen, werdet ihr laufen.“ Tommy seufzte. „Das wird ein langer Heimweg.“

Es war jetzt schon über zwei Wochen her, seit der kleine Trupp von Toivo Flugverbot auferlegt bekommen hatte. Die erste Woche hatten sie sich noch mit den täglichen Kampfübungen rausreden können, aber so langsam machte sich nicht nur die anderen Rekruten über sie lustig, sondern auch die erfahrenen Drachensoldaten brachten immer häufiger spitzzüngige Kommentare, welche ihnen langsam auf die Nerven gingen. Toivo hingegen schien das kalt zu lassen. Tag um Tag ließ er seine Rekruten den Kampf trainieren und kümmterte sich nicht um die Wunden, die sie davon trugen. Selbt Elena war verunsichert – derart wütend und hart hatte sie ihren Cousin noch nie erlebt. Und das nun auch noch über einen so langen Zeitraum! Aber an wen solltne sie und ihre Freunde sich denn wenden? Jedem, den sie erzählen würden was passiert war, der würde sie doch sofort aus der Armee werfen! Darin waren sich alle einig. Denn ein gutes hatten die täglichen Kampfübungen gehabt – das kleine Team war zusammen gewachsen. Selbst Kereno war etwas umgänglicher geworden.
“Leute, ernsthaft, wir müssen was tun.” meinte Aluka, der neben seinen Freunden herhumpelte, weil ihm seine geprellte Schulter zu schaffen machte. “Wenn das so weiter geht, dann sind wir Invaliden noch bevor wir einen Gegner zu Gesicht bekommen haben! Also… Zumindest ich und Kereno.” fügte er hinzu, mit Seitenblick zu Elena, die sich einen Namen gemacht hatte, einfach in dem ein Drache der feindlichen Schattenarmee während ihres Rekrutierungskampfes aufgetaucht war. “Meinst du nicht du könntest mal mit deinem Onkel sprechen, Elena?” die biss sich auf die Lippe. Nicht dass Aluka diesen Vorschlag leichtfertig brachte. Sie hatten schon mehrfach versucht mit Toivo zu reden, doch dieser hatte es noch nicht mal für nötig erachtet ihnen zuzuhören. auch Tommy machte ein besorgtes Gesicht, und sah zu seinen Freunden auf. Dann nahm er sich ein Herz, beschleunigte seinen Schritt und stellte sich in den schmalen Gang vor die anderen, blockierte ihren Weg. Erst sah er sich vorsichtig um, ob nicht aus einer der anderen Höhlen jemand zuhören konnte, denn das ging niemand außer ihren Trupp etwas an. Doch sie hatten Glück. Entweder waren alle Drachen schon zu Übungen oder was auch immer sie sonst taten aufgebrochen, oder man hörte lautes schnarchen aus den einzelnen Höhlen. “Wir müssen die Situation ein für alle Mal bereinigen. Und zwar heute. Sonst hatten wir die längste Zeit einen Ausbilder. Gestern hat mein Vater mich gefragt was bei uns los ist. Und wenn mein Vater die Sache in die Pfoten nimmt, dann endet das unschön. Immerhin soll sein nutzloser Sohn sich hier keine schöne Zeit auf Kosten der Armee machen, sondern so ausgebildet werden dass zumindest irgendwann die Möglichkeit besteht dass er hilfreich sein könnte.” “Autsch!” entfuhr es Kereno. Es war bekannt dass General Aaron nicht der freundlichste war, auch nicht zu seinen beiden Söhnen, aber dass er für seinen jüngeren Sohn so eine Verachtung empfand, das hatte bisher keiner gewusst. “Gut und schön, aber willst du das Toivo sagen?” Tommy zog sich zusammen bis er beinahe ein Ball mit Beinen war. “Bist du denn irre? Selbst wenn ich mich das trauen würde, dann würde Toivo mich entweder ignorieren oder aber ich wäre die längste Zeit am Leben gewesen. Wenn der schon so zu seiner eigenen Cousine ist, wie ist der dann erst zu dem kleinen Bruder seines ärgsten Rivalen?” Tommy schüttelte sich. “Nein. wir haben nur eine Chance – und zwar wenn Elena es ihm sagt. Sie steht ihm nahe genug dass er sie nicht sofort in der Luft zerfetzt.” Elena lachte verzweifelt. “Und wie bitteschön bringe ich ihn dazu mir zuzuhören?” Kereno und Aluka sahen sich gegenseitig an. “Überlass das uns. Du musst nur reden. Und Tommy – traust du dich, wenn ich es dir sage, Toivos Schnauze zuzuhalten?” Tommy lief ein kalter Schauer über den Rücken. “Eigentlich nicht, aber ich muss ja wohl oder übel.” Er schluckte als er an die scharfen Zähne und den gewaltigen Kiefer von Toivo dachte. Elena nickte und schob Tommy vorsichtig vorwärts. “Gut, dann lasst uns keine Zeit verschwenden.”
Heute sollte das Kampftraining mal wieder auf einem der abgelegenen Steilhänge des Gebirges stattfinden, der in einem hübschen kleinen Tal mit einem schönen, blauen See endete. Eigentlich eine wunderschöne Kulisse, die die Rekruten noch kein einziges Mal hatten bewundern können, so wie Toivo sie den Steilhang hinauf und hinunter gescheucht und so manches mal auch dagegen schmettert hatte. auch dieses Mal wartete der Drache schon auf der Spitze des Berghangs und sah mit strengem Blich auf die Rekruten herab, die sich unten im Tal sammelten. Doch dieses Mal blieben sie unten ruhig stehn und sahen Toivo einfach nur unverwandt an. Toivo knurrte verärgert und flog hinunter. Hart landete er vor den Rekruten. ”Was wird das denn schon wieder? Ich dachte die letzten Tage hätten euch gelehrt euch nicht mir mir anzulegen?” fragte Toivo die vor ihm stehenden Rekruten mit einer unerträglichen Arroganz. Elena wollte schon etwas erwidern, hielt sich aber zurück. Kereno und aluka, die den Weg zum Trianing damit verbracht hatten, sich einen Schlachtplan auszudenken spannten die Muskeln an. Toivo schnaubte und schüttelte den Kopf. “Gut, wenn ihr es nicht anders wollt, dann…” er sah seine Rekruten an. “Dann gehört der erste Schlag des Tage mir!” er wollte sich gerade auf Tommy stürzen, als dieser auf seinen Ausbilder zusprang, auf dessen Schnauze landete und sich mit seinem gesamten Körper darum wickelte so gut er konnte. Kurz darauf schlug er zusammen mit Toivo am Boden auf. Kereno und Aluka hatten sich auf Toivo gestürzt und pinnten die ausgestreckten Flügel des Türkisen Drachen am Boden fest. Während es Alukas Aufgabe war, den wild peitschenden Schwanz unter Kontrolle zu behalten, warf sich Kereno mit voller Wucht auf den Drachenkörper. Toivo krachte auf den Boden, wie Stein. Er war zwar ein starker, trainierter Drache, aber so viel Gewicht war zu viel für ihn. Knurrend versuchte er sich zu befreien, doch Elena fuhr ihre Krallen aus und knurrte zurück. “Ruhe!” fauchte sie ihren Cousin an und starrte ihm in die Augen, bis dieser den Blick nicht mehr halten konnte. “Dieses mal wirst du uns zuhören.” meinte sie im Brustton der Überzeugung und sortierte kurz noch einmal die Gedanken in ihrem Kopf. Jetzt musste sie schnell sein, denn sie wusste nicht wie lange ihre Freunde Toivo am Boden halten konnten. “Toivo, so gehts nicht weiter. Und damit meine ich noch nicht einmal das Kampftraining, auch wenn das uns allen sehr zusetzt. Ja, wir haben Scheiße gebaut, das hast du uns mehr als deutlich gemacht. auch dads Flugverbot war eine gerechte Strafe, aber langsam treibst dus zu weit. Du bist unsäglich arrogant geworden, selbstherrlich und du scheinst dich um uns keinen Deut mehr zu scheren. Auch wenn das nicht der Drache ist, dem ich gefolgt bin, nicht der Drache, den ich kenne, gut, damit könnte ich vielleicht noch leben. aber die anderen nicht. Wir kehren jedes Mal verletzt vom Training heim, haben keine Chance uns zu regenerieren. aluka zum Beispiel läuft seit zwei Tagen mit einer geprellten Schulter herum und ist schlichtweg nicht mehr in der Lage zu kämpfen. doch dich scheint das nicht zu interessieren. Obwohl ich genau sehe dass du sehr wohl um den Umstand weißt. Und auchwenn wir das nach abkönnen – was glaubst du wie lange es noch dauert bis etwas ernsteres passiert? Etwas was wir vor den anderen nicht mehr verbergen können? Ja, die anderen! Es wird schon gefragt. Gewitzelt. Auch die höheren Ränge haben inzwischen gemerkt dass hier etwas nicht stimmt. Und Tommys Vater hat gestern erst mit Tommy gesprochen und gefragt ob er überhaupt etwas lernt. Und du weißt was passiert wenn sich erstmal Aron einschaltet, dann ist nicht nur deine Reputation im Eimer, auch Onkel Eternity kommt nicht unbescholten aus der Sache raus. Und für Rowca ist das sowieso ein gefundenes fressen. Der verpasst dir den Todesstoß. Willst du wirklich für einen kleinen Moment der Macht deine gesamte Karriere und eventuell auch die deines Vaters aufs Spiel setzen?” natürlich war es ein riskantes Spiel das jetzt ins Feld zu führen, das wusste sie selber. Aber da Toivo die letzten beiden Wochen so gar kein Interesse mehr an seinen Rekruten gezigt hatte, schien es Elena die einzige Möglichkeit an ihn heranzukommen.
Toivo knurrte und wollte etwas sagen, doch Tommy umklammerte Toivos Maul als hinge sein Leben davon ab. Mit einem Pfotenwink bedeutete Elena Tommy, dass er Toivo jetzt loslassen konnte. Langsam löste sich der lilane Drage und sprang schnell zur Seite, sobald seine Beine frei waren. Toivo sah nicht so aus als hätten Elenas Worte ihn zur Vernunft gebracht. “Du…” knurrte Toivo wurtentbrannt. “Du von allen Drachen wagst es meine Reputation anzubringen?” der türkise Drache spannte die Muskeln an. “Du, die der Grund war dass ich und vater jetzt auf der Kippe stehn? Du, die einfach gegen jede Vernunft hierher gekommen ist und die alteingebrachten Leben durcheinander gewürfelt hat? Du, die nicht nur selber jegliche Regeln ob nun ausgesprochen oder nicht, missachtet hat und auch noch andere Drachen dazu angestiftet hat aus Jux und Tollerei ihre Leben zu riskieren?” Toivo schaffte es, sich ein kleines bisschen aufzurichten und starrte seine Cousine so wutentbrannt an, dass ihr das Blut in den Adern gefror. Doch jetzt musste sie ruhig bleiben. “Also bin ich der Quell deiner Wut, richtig? Ich als Querulantin, die das durchgetaktete Leben in der Dragon Force durcheinander gebracht habe und immer noch bringe mit meinen unkonventionellen Ideen?” Toivo schnaubte nur verächtlich. “Dann klären wir das jetzt ein für alle Mal. Du und ich im Zweikampf. Wenn du gewinnst, dann werde ich, um deinen Ruf zu wahren, einfach hinter den anderen zurückfallen und dann mit der Begründung, dass ich nicht für die Dragon Force geeignet bin, ausscheiden sobald sich eine Gelegenheit dazu bietet. Gewinne ich, dann darf ich bleiben und du wirst und anständig trainieren. Einverstanden?” Toivo nickte. “Allerdings, eine Bedingung habe ich noch.” fügte Elena an. “Welche?” knurrte ihr Cousin. “Wenn ich ausscheide, sorgst du dafür dass Aluka, Kereno und Tommy bei anderen Ausbildern unterkommen. Sie haben es nicht verdient dass du sie so behandelst und die Dragon Force braucht sie. Sie benötigen einen unvoreingenommenen und gerechten Ausbilder.” Toivo stimmte mit einem Nicken zu und Elena trat einen Schritt zurück. “Lasst ihn los Jungs.”
Kereno und Aluka starrten sich an, unfähig zu glauben was sie gerade gehört hatten. “Das ist doch nicht dein Ernst!” “Elena, das kannst du doch nicht machen?!” rief Tommy, doch Elena schüttelte nur den Kopf. “Das ist eine Familiensache. Da haltet ihr euch raus. Lasst ihn los!” Zögerlich ließen die beiden Drachen ihren Ausbilder aufstehen, der sich kurz schüttelte und den Blick nicht von seiner Cousine ließ, die ihm mutig entgegentrat. “Mischt euch ja nicht ein.” warnte Elena ihre Freunde eindringlich, bevor sie blitzschnell vom Boden abhob und ohne zu zögern das Feuer auf Toivo eröffnete. Auch dieser erhob sich in die Luft und erwiederte den Feuerstrahl seiner Gegnerin, welche ihm spielend leicht auszuweichen schien. Tommy verfolgte die beiden gebannt und schnappte nach Luft. “Das darf nicht wahr sein!” brachte er gequält zwischen zwei kurzen Atemzügen hervor. “Reg dich ab Kleiner, ich hol Hilfe.” Aluka wollte Kereno aufhalten. “Aber es soll sich doch kein Außenstehender einmischen!” “Und deswegen werde ich General Eternity hinzuholen. Der wird wissen was zu tun ist. Und die beiden Sturköpfe werden sich seinem Wort beugen müssen.” mit diesen Worten war Kereno auch schon weg. Tommy stand da wie erstarrt und Aluka hatte Mitleid mit seinem kleinen freund. Sacht legte er den Flügel um den zitternden Körper, der gebannt in den Himmel starrte. Sorgenvoll folgte er Tommys Blick hinauf in den Himmel, in dem Sich Toivo und Elena einen beeindruckenden Kampf lieferten.
Mal flogen Feuerstrahlen durch die Luft, mal gingen sich die beiden Drachen direkt an. Ob nun mit Klauen, Zähnen Flügeln oder mit den Schwänzen, alles schien in diesem Kampf erlaubt. Und wieder Erwarten musste auch Toivo eine Menge einstecken. Das Kampftraining hatte einiges gebracht. Nicht nur dass Elena Toivos Kampfstil inzwischen gut kannte, auch war sie eine wesentlich bessere Fliegerin geworden und wich ihrem Gegner mit unglaublichen Geschick immer wieder aus. Sehr zu ihrer Verärgerung klappte es mit dem Austeilen leider nicht so gut wie mit dem Ausweichen und so gingen viele ihrer Angriffe ins Leere, wenn sich Toivo mal wieder geschickt fallen ließ, nur um Sekunden später seinen Fall abzufangen und seinerseits einen Angriff zu starten. Doch Elena biss die Zähne zusammen. Aufgeben war keine Option. Sie würde ihren Platz in der Dragon Force nicht räumen.

In der Zwischenzeit hatte Kereno die Stelle des Gebirges erreicht, an der die Drachen ihr Zuhause hatten und sich auch meistens aufhielten. Geschickt landete er und sah sich um. Der General war nirgends zu entdecken. Er hielt einen der anderen Drachen auf, die gerade an ihm vorbeigingen. “General Eternity? Der ist dort hinten in einer der größeren Höhlen und spricht mit einigen der höheren Ränge. Ich würde ihn nicht stören.” Kereno knurrte ein Dankeschön und sprintete los so schnell ihn seine Pfoten trugen. Schnell hatte er die Höhle erreicht und schlitterte hinein, sich nicht die Mühe machend höflich um Einlass zu bitten. Alle Drachen sahen ihn mit Verwunderung an. Das musste ja ein ordentlicher Notfall sein, wenn ein Rekrut einfach so hereingeschlittert kam und kurz vor dem General halt machte. Der sah den Rekruten einfach nur an. “Nun?” fragte Eternity nach ein paar Sekunden, während Kereno, überwältigt von seinem eigenen Mut schwer atmend dranstand und sich überlegte wie viel er preisgeben durfte. Wieviel, ach das war jetzt auch schon egal, entschied er kurzerhand. “General, ihr müsst mitkommen. Euer Sohn und eure Nichte liefern sich gerade einen erbitterten Kampf.” Schmunzeln um ihn herum. “Nun ja, wie es sich fürs Kampftraining gehört, nicht wahr?” Da verlor selbst Kereno seine Fassung. “Ihr versteht es nicht!” knurrte er verzweifelt. “Das ist kein Kampftraining mehr!” er holte tief Luft und alles brach aus ihm heraus. “Vor zwei Wochen, da sind wir, ohne auf Toivo zu hören losgeflogen, direkt ins Grenzgebiet hinein. Beinahe hätten uns die Schatten Drachen entdeckt und wer weiß was mit uns gemacht. Toivo ist seitdem unglaublich sauer auf uns gewesen und hat uns Flugverbot erteilt und seitdem haben wir jeden Tag Kampftraining. Und mit jedem Tag wird Toivo ungerechter, härter und manchmal wirkt es als würde er uns loswerden wollen. Heute haben wir es gewagt und uns ihm in den Weg gestellt, was darin endete dass Elena sich nun mit ihm einen Kampf liefert. Der Einsatz ist ihr Verbleib in der Dragon Force!”
Nun war alles raus und Kereno schnaufte heftig. Das hatte ihn überraschend viel Kraft gekostet. Am liebsten hätte er sich auf den Boden der Höhle fallen lassen und zusammengerollt wie ein Babydrache. Diese Spannung war kaum auszuhalten! “Und warum…” fragte Eternity sanft. “bist du zu mir gekommen?” “Weil Toivo Elena vorwirft sie stifte durch ihr unkonventionelles den Rest der Gruppe zum Blödsinn machen an, gefährde die Dragon Force und.. noch ein paar Dinge die ich vergessen hab. Und Elena hat daraus eine Familiensache gemacht und uns verboten eingreifen!” Eternity verdrehte die Augen. “Der Apfel fällt wirklich nicht weit vom Stamm…” murmelte er und seufzte. “Bring mich hin.” an ein paar andere Drachen erging der Befehl noch ein paar wenige hinterher zu schicken, nachdem Kereno ihnen geschildert hatte, wo der Kampf stattfand. Gemeinsam mit dem General machte er sich auf den Rückweg zu dem kleinen Tal und hoffte dass sie nicht zu spät kommen würden.

Als sie am Tal ankamen, hatten Toivo und Elena immer noch nicht aufgegeben und bekämpften sich weiter erbittert. Beide atmeten sichtlich schwer und die ein oder andre Wunde war bei Toivo zu sehen. Elena sah unbeschadeter aus, was aber nur daran lag, dass sie ein roter Drache war und Blut bei ihr wesentlich schwerer auszumachen war. Doch ließ bei ihr die Kraft sichtlich nach und so war sie ein leichtes Opfer für ihren Cousin, der es schaffte sie zu packen und nach unten zu drücken. Dazu noch ein gezielter Hieb zwischen die Augen und Elena kam aus dem Gleichgewicht und stürzte gemeinsam mit Toivo, der fanatisch weiter auf sie einhieb, Richtung Boden. Das reichte Eternity. Mit einer Geschwindigkeit, die man diesem muskulösen und breitschultrigen Drachen kaum zutraute, schoss er auf die beiden zu und riss sie mit nur einem Flügelschlag auseinander. Seinen Sohn katapultierte er gegen die nahe Felswand, während seine Nichte ungebremst auf dem Boden aufschlug, sich jedoch nach einem kurzen Schreckmoment wieder aufzurichten begann. Sie kämpfte sich auf wacklige Pfoten und wollte die Flügel schon wieder ausbreiten. Auch Toivo schüttelte sich kurz und machte sich bereit sich wieder auf Elena zu stürzen. Doch er wurde von einigen Drachen, die zur Hilfe geeilt waren, aufgehalten.
“Genug!” Eternitys tiefe und mächtige Stimme hallte von den Bergwänden wieder und verlieh ihm noch mehr Respekt, als die Drachen eh schon hatten. Er sah seinen Sohn und seine Nichte traurig an. “Ihr beiden wollt einfach nicht aus der Familiengeschichte lernen, oder? Müsst ihr denn unbedingt einen Kampf fortführen, der nicht eurer ist?” Toivo schnappte nach Luft und Elena sank zurück auf den Boden. Sie verstand das nicht. “Die Familienehre! Ich glaube ich spinne!” Eternity lachte. “Toivo, stimmt es wirklich dass du Elena vorgeworfen hast dass sie die Familienehre beschmutzt? Dass sie alles durcheinander bringt, nur weil sie nicht in den geordneten Bahnen denkt die du gewohnt bist?” Toivo knurrte und fügte hinzu. “Und dass sie die anderen nur zu Unfug anstiftet. Wäre sie nicht hier…” “Dann hättest du es leichter. Du müsstest nicht den kleinen Bruder deines Rivalen ausbilden, du wärst nicht mit einem Haufen Versager und Chaoten gestraft, die man dir nur gegeben hat weil sie sonst keiner ausbilden wollte. Und Rowca würde dich bestimmt nicht so verspotten. Abgesehen davon hättest du dann garantiert auch mehr Zeit um deine heimliche Liebe zu werben.” meinte Elena bissig und Eternity schlug verärgert mit seinem Schwanz auf den Boden. “Du musst ihn auch noch trätzen, oder? Ich weiß ja, dass mein Bruder das sehr gerne macht, aber ich dachte deine Mutter hätte dich besser erzogen!” knurrte Eternity seine Nichte an, die ganz schnell den Kopf einzog. Eternity begann auf und ab zu laufen. “Ihr beiden seid wirklich schrecklich, wisst ihr das? Nicht nur dass ihr alle beide klar Grundsätze und Regeln missachtet oder zu eurem Vorteil biegt bis sie brechen, nein, ihr müsst auch noch andere mit hinein ziehen!” Eternity sah von einem zum anderen. “Ich weiß dass ihr es nicht leicht habt. Aber ich habe euch bewusst in ein Team gesteckt, dass ihr voneinander lernen könnt!” Toivo schnappte nach Luft. “DU hast mein Team ausgesucht?” Eternity schüttelte den Kopf. “Sei nicht albern. Du weißt genau dass ich das nicht darf. Aber ich habe darum gebeten dass du Elena ausbilden darfst, denn sie kann dir beibringen über deine eigenen Grenzen hinweg zu denken.” Elena schluckte. “Und… Was sollte ich von Toivo lernen?” “Dass es Regeln gibt an die man sich zu halten hat! Und dass du endlich mal lernst die Weisheit des Alters zu respektieren! die Welt dreht sich nicht um dich mein Fräulein, du bist nur ein Teil von ihr!” Elena sah betrübt und gescholten zu Boden. “Ich hätte nie gedacht, dass das so dermaßen schiefgeht. Sieht so aus als…” “NEEEIIIN!” Tommy löste sich aus seiner Starre und rannte so schnell er konnte zu Eternity. Geschickt wich er Kereno aus, der ihn aufhalten wollte. “General, Sie dürfen uns nicht trennen!” Eternity legte den Kopf schief und sah den jungen Drachen vor ihm an. “Ich weiß, es sieht gerade alles andere als gut aus!” rief Tommy aufgeregt. “Aber ich brauche dieses Team! Wir alle brauchen uns gegenseitig!” Eternity blinzelte. “So?” “Ja! wir sind in diesen zwei Wochen so weit gekommen! Von einem Haufen Unbekannter, die Kereno bei der nächstbesten Möglichkeit liebend gerne an die Schattendrachen übergeben hätte, zu einem richtigen Team, das sich gegenseitig stützt, hilft und vertraut! Und wir haben auch einen Platz für Toivo, wenn er seine Arroganz ablegen kann und ein Teil des Teams werden will. Wir können nicht nur viel voneinander lernen, wir ergänzen uns auch super! Wir brauchen nur noch eine Chance es zu beweisen!”
Noch bevor Eternity etwas sagen konnte, hörte man von irgendwoher raues Gelächter. Alle sahen zu den Bergkämmen hoch und stellten fest, dass sich dort eine beträchtliche Zahl von Drachen eingefunden hatten, die das kleine Drama unten im Tal mit Freuden als Abwechslung zum Alltag betrachteten. Derjenige, der da so herzhaft lachte, war der älteste, noch im Dienst stehende General, der eigentlich schon längst in Pension hatte sein sollen, sich aber standhaft weigerte seinen Posten zu verlassen. Tatsächlich sah er sehr alt aus, keiner konnte jedoch sagen wie alt der Drache tatsächlich war. Von allen hinter seinem Rücken nur “der Alte” genannt, wusste keiner mehr so recht wie der Drache wirklich hieß. So konnte und traute sich auch keiner sein ausgiebiges Gelächter zu unterbrechen. Als er fertig mit Lachen war, sah er zu Rowca und Aaron hinüber, die sich natürlich auch eingefunden hatten, und blickte dann nach unten. “Also eins ist sicher. Mit euch kanns einem hier nicht langweilig werden.” Obwohl er nicht erwähnte wen er damit meinte, war allen klar dass er nur Aaron, Eternity und deren beiden Familien meinen konnte. Der Drache stieß sich ab und flog ins Tal, direkt zu Elena, die er genauer in Augenschein nahm. “Praktische Farbe.” murmelte er. “Sieht man das Blut ja gar nicht mehr.” Dann sah er sich Toivo genauer an. “Also eines muss ich dir zugestehen, mein Junge – das kämpfen kannst du anderen offensichtlich beibringen, so wie du aussiehst. Ich hätte nicht gedacht, dass ein Rekrut einen erfahrenen Instructor jemals so zurichten könnte. Wobei es der jungen Dame hier wohl noch an etwas Feinschliff fehlt, wenn ich mir so ansehe wo sie dich erwischt hat.” Dann trottete er langsam zu Tommy hinüber, den sein anfänglicher Mut schon längst wieder verlassen hatte und der nur noch auf allen vieren stand, weil inzwischen sein Vater und sein Bruder hinter ihm gelandet waren. “Ungewöhnlich…” murmelte der Alte. “Ich dachte immer dein Sohn wäre nicht in der Lage auch nur einen Fuß vor den anderen zu setzen, Aaron? Kann es sein dass du den Kleinen hier gewaltig unterschätzt hast?” Aaron lief rot an. “Jaaa… Das… wäre durchaus möglich.” gab er zu und Rowca starrte seinen Vater unverhohlen überrascht an. Das erste Mal, dass sein Vater zugab dass er falsch lag. Dann setzte sich der Drache neben Eternity. “Ich muss sagen, ich hätte schon damals nicht gedacht dass du es so weit bringst, nachdem dein Bruder hergestürmt kam und dich einfach wieder mitnehmen wollte. Aber dass seine Tochter Jahre später hier für Aufregung sorgt, hätte ich noch weniger gedacht. Auf der anderen Seite dachte ich aber auch dass die Streitigkeiten zwischen dir und Aaron beigelegt worden sind, als ich euch in unterschiedliche Squads gesteckt hab. Aber da lag ich wohl falsch.” Er bedachte Tommy mit wohlwollendem Blick. “Aber schön dass zumindest die beiden Jüngsten sich offensichtlich aus diesem Konstrukt lösen konnten.” Er nickte Eternity zu und sah sich noch einmal um bevor er die Stimme erhob. “Das hier ist ein wunderbares Beispiel, wie es nicht ablaufen soll. Auch wenn wir alle in unterschiedlichen Squads sind, sind wir ein großes Team und sollten uns unterstützen, anstatt uns gegenseitig Vorhaltungen zu machen und uns Steine in den Weg zu legen. Wir sind hier, um unser Land zu verteidigen. Wenn wir nicht als eine Einheit zusammen stehen, dann wird es das Land des Feuers nicht mehr lange geben!”
Alle Drachen lauschten gebannt den Worten des Alten und ließen ihn nicht aus den Augen, als er sich Aaron zuwandte. “General Aaron, ihr seid dafür bekannt dass die Leute, die unter eurer Pfote dienen, blitzschnell und gnadenlos kurzen Prozess mit den Gegnern machen. Das kann in manchen Situationen überlebenswichtig sein. Dennoch hatte ich gehofft, dass ihr in der Zwischenzeit dazu gelernt hättet, dass Härte und Funktion nicht alles ist. Auf der anderen Seite der Grenze stehn uns auch Drachen gegenüber. Drachen, die nur auf der anderen Seiter einer Linie auf einer Karte geboren wurden. Drachen wie wir.” der Alte seufzte. “Deswegen hatte ich auch Eternity zur selben Zeit zum General befördert, denn er ist bekannt für seine Nahbarkeit, seine Herzlichkeit und dafür dass er sich um seine Drachen kümmert. Vielleicht sind die Drachen, die unter ihm dienen nicht ganz so gestählt, aber dafür haben sie gelernt hinter die Fassade des Gegenübers zu sehen, zu sehen dass das auch nur Drachen sind und diese mit dem Respekt zu behandeln der unserer Spezies zusteht.” Der gemütliche Ton des alten Drachen wurde nun zunehmend schärfer als er begann die beiden Generäle zu schelten, wie kleine Kinder. “Ihr sollt voneinander lernen, zusammenarbeiten! Und das gilt nicht nur, aber speziell für euch beide. Die Dragon Force kann nur fortbestehen, wenn wir zusammen halten! Wenn wir uns in kleine Lager aufspalten, wie sollen uns die anderen Armeen denn bitte Ernst nehmen?” doch damit war es nicht getan. Auch Toivo und Rowca bekamen Schelte. “Und ihr beiden habt nichts besseres zu tun als euren Vätern in ihrem Unsinn nachzueifern? Als euch um eure Reputation und eure Karriere zu sorgen? Ihr seid alle beide noch viel zu jung und unreif um an eine Karriere zu denken! Werdet erstmal respektierte Soldaten und bewährt euch in der Dragon Force und auf dem Schlachtfeld, bevor wir über eure Karriere reden.” Toivo und Rowca sahen beschämt zu Boden, während Tommy immer näher an den alten Drachen heranrückte und ihn mit einem Glitzern in den Augen anhimmelte. Was der sich nicht alles traute! Doch der Drache schüttelte nur den Kopf und seufzte. “Und zu den Rekruten sage ich lieber gar nichts. Denn wie sollen sie die Gebräuche und Gepflogenheiten kennen wenn sie es nicht beigebracht bekommen haben? Wenigstens haben sie Potential.”
Der alte Drache erhob sich in die Lüfte und sah alle Drachen grimmig an. “Lasst euch das heute eine Lehre sein! Denkt immer daran dass wir nur gemeinsam stark sind. Und wenn mir auch nur ein Scherz oder eine Gehässigkeit über das heutige Drama zu Ohren kommt, dann könnt ihr euch sicher sein, dass ihr alle was davon habt! Dann müsst ihr euch nicht vor den Gegnern fürchten, sondern vor meinen Strafarbeiten!” mit diesen Worten flog er davon und ließ überraschte Drachen zurück die es nicht wagten auch nur einen Ton zu sagen.
Nach und nach erhoben sich die Drachen in die Lüfte und flogen schweigend davon, bis nur noch die Drachen im Tal übrig waren. Rowca sah verstohlen zu Toivo hinüber, traute sich aber nicht auch nur ein Wort zu sagen. Aaron sah zuerst auf Rowca, dann auf Tommy. Dann tätschelte er seinem jüngeren Sohn unbeholfen den Kopf und wandte sich an Eternity. “Ich glaube, den Rest überlasse ich lieber dir.” Eternity nickte und wartete geduldig bis alle Drachen weg waren und nur noch Toivo und sein Team übrig. “Das habt ihr ja ganz toll hinbekommen.” stellte er trocken fest und sah die Drachen an, die immer noch staunten ob der Standpauke die der alte Drache so leichtfertig gehalten hatte. “Haben wir uns jetzt vor der ganzen Armee blamiert?” fragte Aluka und eines seiner Nasenlöcher zuckte als ob er sich nicht sicher war, welcher Gesichtsausdruck nun zur Situation passen würde. Eternity grinste. “Auf jeden Fall kennt uns jetzt jeder hier.” Kereno seufzte. “Das haben wir ja ganz super hinbekommen.” Doch der General beachtete ihn nicht weiter. Er war viel eher an seinem Sohn und seiner Nichte interessiert. “Muss ich euch auch nochmal eine Standpauke halten, oder könnt ihr das selber regeln, ohne euch den Schädel einzuschlagen?” ein schnelle Blickwechsel zwischen den beiden. “Ich glaube… Das kriegen wir alleine hin.” antwortete Toivo seinem Vater zögerlich. Dieser nickte. “Gut.” Damit erhob er sich in die Lüfte und verschwand mit kräftigem Flügelschlag. “Tja, sieht so aus als würde man dich nicht so einfach loswerden.” meinte Toivo, ging zu Elena und knuffte sie vorsichtig in die Seite. Die lachte. “Und das wo du dir so eine Mühe gegeben hast!” Toivo winkte mit der Schwanzspitze die anderen drei herbei. “Wollen wir sowas nochmal erleben?” fragte er in die Runde, als sich die drei vor ihn hingesetzt hatten. “Auch wenn mein Vater ungewöhnlich freundlich war…. Eigentlich nicht.” stellte Tommy fest und Elena schüttelte vehement den Kopf. Auch die beiden anderen sahen nicht sonderlich begeistert aus. “Können wir uns dann darauf einigen dass ihr auf mich hört? Im Normalfall denk ich mir schon was dabei wenn ich euch Anweisungen geb.” “Wenn du uns im Gegenzug als vollwertige Rekruten betrachten könntest anstatt Überreste? Respekt wäre eigentlich schon ganz schön.” meinte Aluka vorsichtig. Toivo nickte. “Das war nicht fair von mir. Es tut mir Leid. Bitte verzeiht mir.” Auch seine Rekruten nickten. Toivo grinste. “Zeit mal ein ganz anderes Wissen zu testen.” Verwundert sahen sich die Rekruten an. Was wollte Toivo denn nun von ihnen? “Wenn ihr in einen Kampf verwickelt wart, könnt ihr euch nicht immer darauf verlassen dass ihr nach Hause könnt um euch gesund pflegen zu lassen. Zeit zu überprüfen ob ihr wisst wie ihr euch selber helfen könnt. Wer kann mir Möglichkeiten nennen wie wir Elenas und meine Wunden behandeln können?” Elena sah ihren Cousin hilflos an. “Du willst mir doch nicht weiß machen, dass ich mehr können muss als zu kämpfen?” Toivo blickte liebevoll zurück. “Ach, Kleines, wenn du wüsstest was da noch so alles in deinen Kopf hineinmuss…”

Kapitel 3

Auch wenn keiner verlauten ließ wie er oder sie über den Zwischenfall dachte, so schienen alle doch zu honorieren dass Elena sich durchgesetzt hatte. Die rote Drachin wurde überall wo sie hinkam höflich gegrüßt und selbst die höheren Ränge nickten ihr freundlich zu wenn sie ihr mal über den Weg liefen.
Und auch wenn es Toivo am Anfang furchtbar unangenehm gewesen war dass er zusammen mit seiner Cousine im Mittelpunkt gestanden hatte, wurde er umgänglicher und tat alles dafür, dass das kleine Team zusammenwuchs. Immerhin bestand die Möglichkeit dass sie auch nach der Rekrutenzeit ein Team blieben und Toivo zum Truppführer ernannt wurde.
Der türkise Drache ließ sich zwar nichts anmerken, aber die Möglichkeit gefiel ihm schon sehr, denn er hatte die Vorzüge eines jeden einzelnen seiner Rekruten kennen und schätzen gelernt. Immer öfter überraschte er sich dabei, dass er von seinem „Team“ oder seinem „Trupp“ sprach, als wäre die Sache schon in Stein gemeißelt.
Doch noch war nichts beschlossen. Denn die Rekruten hatten noch nicht mal ihre Rüstungen bekommen. Die Rüstungen. DAS Zeichen dass die Rekrutenzeit endlich vorbei war.

„Ich würde zu gerne eine der Rüstungen mal ausprobieren. Sehen wie cool ich mit Rüstung aussehen würde!“ jammerte Elena eines Abends, als sie und ihre Freunde beim Abendessen zusammensaßen. Tommy nickte. „Ich sähe bestimmt auch cool aus. Wie ein gefährlicher Drache!“ Leider war Tommy in der Zwischenzeit kein Stück gewachsen und wirkte neben den anderen immer noch wie ein kleines Kind. „Aber wie willst du an eine Rüstung kommen? Ich hab nie gesehn dass einer seine abgelegt hätte.“ fragte Aluka und nahm erst zu spät das Funkeln in Elenas Augen wahr. „Ehhh… Was auch immer du vorhast, lass es lieber. Wir sind bereits bekannt genug.“ versuchte Aluka sie abzuhalten, doch Elenas Entschluss war gefasst. „Ihr müsst ja nicht mitkommen, wenn ihr nicht wollt.“
Als wenn sie ihre Teamkameradin im Stich lassen würden! Außerdem versprach das spannend zu werden und eine kleine Abwechslung zum Trainingsalltag war immer willkommen. Und so schlichen noch in der gleichen Nacht vier neugierige Rekruten durch die Gänge zu der Höhle, die sich Toivo mit anderen Ausbildern teilte.
Vorsichtig und leise schlichen die vier, darauf bedacht, nur niemandem über den Weg zu laufen. Die Gänge zu den Höhlen waren gerade so groß dass zwei Drachen aneinander vorbeipassten und nur spärlich beleuchtet. Generell wirkte es hier immer sehr düster und der gräulich braune, grob behauhene Stein wirkte nicht wirklich einladend. Die Rekruten waren froh als sie es endlich durch die endlos weit verzweigten Gänge zu ihrem Ziel geschafft hatte: Die Höhle der Ausbilder.

Vorsichtig setzte Elena eine Pfote hinein und fühlte sich gleich schuldig. Eigentlich hatte sie hier ja nichts zu suchen. Die sogenannten Glühsteine, die jede Höhle in gedämpftes Glühen einhüllten, erhellten die Höhle so weit, dass Elena gerade noch Toivo ausmachen konnte. Vorsichtig hob sie die Pfoten und schlich sich zu ihrem Cousin, neugierig beobachtet von ihren Freunden, die sich die Hälse verrenkten um zu sehen ob die Drachin Erfolg haben würde. Diese indes, verfluchte dass Toivo offensichtlich einige gute Freunde hatte, an die er sich gekuschelt hatte und auf dem Rücken liegend sachte schnarchte. Elena seufzte und versuchte die Rüstung mit den Zähnen zu packen. An der Schulter sollte Toivo hoffentlich nicht allzu kitzelig sein.

Während Aluka und Kereno neugierig die Hälse reckten und versuchten einen guten Blick auf Elena zu behalten, sah sich Tommy neugierig um. Die Höhle war genauso beschaffen wie die ihrige, nur um etliche größer. Der selbe gräulich braune gefleckte Stein, der sich durch das gesamte Höhlennetzwerk zog, das vermutlich das gesamte Gebirge durchzog, was aber keiner so genau sagen konnte. die Wände in den Gängen nur grob behauen und so rauh, dass man sich an den scharfen Kanten den ein oder anderen Kratzer holte, passte man nicht auf. Anders die Schlafhölen der Drachen. Zwar auch aus Stein, aber so bearbeitet, das der Steimn eine glatte Oberfläche abgab au f der man durchaus bewuem liegen konnte. In der Decke und in den Seitenwänden wesentlich mehr Glühsteine eingelassen als in den Gänge, das reichte in dieser Höhle aber nicht aus um viel zu sehen. Die Höhle der Rekruten war da wesentlich heller, dafür aber auch kleiner. Tommy hoffte dass er und die anderen die kleine Höhle für immer würden bewohnen können.

Saß diese Rüstung aber fest! Während sie so versuchte ihre Zähne unter die Rüstung zu graben, fiel ihr auf, dass scheinbar keiner der Drachen seine Rüstung je abzulegen schien.
Ja war es denn die Möglichkeit? Langsam wurde sie ungeduldig. Warum ließ sich die Rüstung denn nicht lösen?
Beinahe wollte sie schon fluchen, als sie ein Räuspern hörte. Sie sah auf und für einen Moment dachte sie, Tommy in groß stünde neben ihr – doch sie hatte sich getäuscht. Es war nur ein anderer, Drache der ebenfalls so helle Augen und eine dunkle Farbe hatte. Sie schüttelte den Kopf und wollte schon weiter machen, als ihr bewusst würde, dass ein fremder Drache neben ihr stand. Vermutlich einer der anderen Ausbilder.
In dem Moment wurde auch Toivo mit einem Schnarchlaut wach. Er blinzelte verschlafen. „Was?“ ein Blick auf die Situation, einen kurzen Schreckmoment und er überriss die Situation. Seufzend richtete er sich auf und bedeutete Elena ihm zu folgen.
Nicht nur Elena folgte ihm sondern auch der Blick des anderen Drachen. Jedoch schien der Blick nicht nur Toivo sondern auch Elena zu gelten. Es war ein Blick voller Mitleid und Mitgefühl. Die junge Drachin begann sich unwohl zu fühlen. Keine Schimpfe dieses Mal?
Schweigend folgten auch die anderen ihrem Ausbilder nach draußen auf das große Felsplateau, auf dem gerade ein paar Drachen ankamen, die sich wunderten was Toivo hier draußen machte.

„Nachtübung?“
fragte Felicitas ungläubig und setzte sich neben Toivo. „Hey was ist denn los? Du machst ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter!“ Auch Eternity, der bei den anderen Drachen gewesen war kam herangetrottet. „Hat Elena wieder etwas angestellt?“ fragte er mit müder Stimme. Toivo schüttelte den Kopf. „Ich bin davon aufgewacht, dass sie mir meine Rüstung klauen wollte.“ Eternity konnte nicht anders als Grinsen. Ideenreich war das Mädchen, das musste man ihr lassen. Toivo begann mit den Vorderpfoten die Erde zu treten. „Kannst du dir denken warum du sie nicht abbekommen hast?“ fragte er geradeheraus. Elena schüttelte den Kopf. „Mich wundert es auch dass keiner sie ablegt, noch nicht mal beim schlafen!“ Tommy schien eine Idee zu haben. „Ist die etwa festgeklebt?!“ Kereno verdrehte die Augen. „Womit denn? Mit Harz?“ das war in etwa das klebrigste was er sich vorstellen konnte. Felicitas schüttelte den Kopf. „So falsch ist das gar nicht. Die Rüstung wird jedem auf den Leib geschmiedet.“ setzte sie zur Erklärung an und die Rekruten starrten sie mit großen Augen an. „Tut das nicht weh?“ fragte Aluka und Toivo schüttelte den Kopf. „Ich weiß zwar nicht wie die Zwerge es machen, aber Schmerzen spürt man dabei nicht.“ „Dann ist es ja eine Zauberrüstung!“ stellte Elena erfreut fest. „Das heißt, nur du selber kannst sie abnehmen?“ Eternity seufzte und setzte sich neben seine Nichte. „Die Rüstungen können nicht abgenommen werden. Von niemanden.“

Es brauchte einen Moment bis die jungen Drachen diese Nachricht begriffen hatten. „Aber… dann…“ fing Tommy an und Aluka beendete den Satz. „Bleibt man ja für immer ein Soldat!“ Felicitas nickte „Einmal Dragon Force, für immer Dragon Force.“ „Das erklärt warum mein Vater so dagegen war… Das bedeutet er kriegt seine Tochter niemals wieder.“ Eternity schnaubte. „Glaub mir, da spielt auch noch ganz viel anderes mit hinein.“ „Und wann wolltest du uns das sagen, Toivo? Wenn wir die Rüstungen bereits haben?“ fragte Kereno grummelig. Toivo schüttelte energisch den Kopf. „Selbstverständlich nicht! Normalerweise nimmt sich der Ausbilder die Zeit und erklärt das seinen Rekruten in einer ruhigen Minute bevor die zu vollwertigen Soldaten werden. Aber das machst du nicht mal einfach so zwischen Patrouille und Kampfübung, wie kommt das denn? Ach ja übrigens, bald heißt’s einmal Dragon Force, immer Dragon Force. Die Rüstung kriegst du nimmer ab.“ Kereno knurrte unwillig. „Ich muss zugeben, das klingt echt blöd.“

Elena schien in dem Ganzen kein Problem zu sehen. „Dann trag ich die Rüstung halt bis ich sterbe. Wo genau liegt da das Problem? Scheint ja nicht unbequem zu sein, sogar ein wenig flexibel.“ „Sehr flexibel sogar, Zwergenmetall ist eine wirklich feine Sache!“ bestätigte ihr Onkel und warf einen hilfesuchenden Blick zu Felicitas. Die nickte. „Weißt du Elena, die Rüstung per Se ist nicht das Problem, sondern der zu Grunde liegende Gedanke. Denn mit dem Tod allein ist es ja nicht getan. Gibt ja auch noch ein Leben zwischen Tod und jetzt.“ Elena legte verständnislos den Kopf schief. „Na ja… hast du dich denn nie gefragt warum es in der Dragon Force keine Mütter gibt?“ Elena überlegte kurz „Na, weil die eine Pause machen, ihre Kinder großziehen und dann wieder zurück kommen?“ Eternity hustete belustigt. Wie schön einfach die Welt war, wenn man seiner Nichte zuhörte. Aluka schnaubte. „Genau. Und jetzt stell dir mal vor es laufen überall Drachen mit Rüstungen rum. Auch wenn ich weiß dass es dir nichts ausmacht – andere Lebewesen bekommen Angst.“ Felicitas nickte. „Versteh mich nicht falsch. Es gibt hier durchaus Drachen die sich verlieben und Eier legen. Sogar nicht wenige. Aber hier ist kein Ort für Kinder. Deswegen werden die Eier meistens zu Verwandten gebracht oder, wen du keine mehr hast,dann in die Hauptstadt wo die Eier dann entweder fremden Drachen zugeteilt werden oder an Menschen gehen, welche die Drachen dann aufziehen.“ Alukas Schwanz begann hin und her zu peitschen. „Dann ist es also möglich, dass ich gar kein Waise bin sondern Eltern habe?“ Eternity seufzte lautstark. „Du bist sowieso ein Sonderfall. Aber können wir später darauf zurück kommen? Ich glaube, Elena muss noch was loswerden?“ Sonderfall? Tommy sah zwischen Elena und Aluka hin und her. „Ich bin wohl in der seltsamsten Rekrutengruppe gelandet, welche die Dragon Force je gesehen hat! Klein, lauter ungewöhnliche Drachen. Spannend!“ Toivo lächelte Tommy freundlich zu. „Wollen wir mal sehen wann du zumindest normalgroß wirst.“ Tommy grinste. „Gar nicht. Ich bin der Minidrache, der den Gegnern das fürchten lehrt!“ Alle lachten, amüsiert und erfreut darüber dass Tommy inzwischen so gut mit der fehlenden körperlichen Größe umzugehen wusste.

Elena nahm einen tiefen Atemzug der kühlen Nachtluft. „Muss man als Drachin eigentlich Nachwuchs haben?“ Eternity Mund klappte auf und er erstarrte. „Ich meine… man kann doch auch ohne Nachwuchs glücklich sein, oder Ob nun mit Partner oder einfach so, alleine, wenn man sich selbst genügt.“ Felicitas schmunzelte. „Kinder waren also nie eine Option für dich?“ Elena schüttelte den Kopf. „Sie sind niedlich wenn man sie wieder abgeben kann. Aber selber welche haben? Nein Danke. Erst musst du das Ei ausbrüten. Dann ständig Nahrung beschaffen. Und wenn sie dann selbstständiger werden musst du sie auch noch erziehen. Versteh mich nicht falsch, jeder der das für sich will,dem gönne ich das. Für mich ist das zu viel. Mir reicht die Verantwortung, die ich für mich alleine hab vollkommen aus. Da muss nicht nochmal jemand dazu kommen, der so hilflos ist, dass er noch nichtmal alleine essen kann. Himmel, ich weiß ja noch nicht mal ob ich mich überhaupt verlieben möchte. Rein ansich bin ich mit mir selber glücklich, da brauch ich eigentlich niemanden noch dazu.“ Eternity klappte langsam den Mund wieder zu während die der anderen aufgingen. Der General schmunzelte. „Da wird deine Mutter aber sehr, sehr traurig sein. Die hat sich nämlich schon sehr drauf gefreut dass sie dann Enkelkinder groß ziehen darf.“ Elena staunte nicht schlecht. „Waaas? Woher weißt du denn das?“ Eternity lachte brummelnd. „Sie ist höchstpersönlich vorbeigekommen und hat es mir erzählt. Direkt nachdem Kel euer Zuhause verlassen hat um Stadtwache zu werden.“ Elena kicherte. Nachdem sie von Zuhause weg war, musste ihr Vater getobt und gewütet haben, so, dass auch ihr älterer Bruder beschlossen hatte dem Vater beizubringen dass Kinder einen eigenen Willen haben durften. So hatte er bei der Post gekündigt und sich umgehend bei der Stadtwache zu bewerben. Daraufhin musste ihr Vater so getobt haben, dass ihre Mutter ein Machtwort gebrüllt haben musste, denn beide Drachen hatten seitdem nichts mehr von ihren Eltern gehört. Weder persönlich waren sie vorbei gekommen, noch hatten sie Nachrichten überbringen lassen. Kel und Elena standen in regem Austausch. Briefe gingen von Pfote zu Pfote und beide hatten je ein großes Postfach bekommen. Das würde vermutlich bald nicht mehr ausreichen und so mussten sie überlegen ob sie die Briefe in ihren alten Kinderstuben lagern wollten oder irgendwo anders archivieren.

Elena schaute ihren Onkel fragend an. „Du bist schon so alt und hast schon so viel erlebt. Du kannst mir bestimmt sagen, ob man unbedingt Kinder haben muss und einen Partner, um glücklich zu werden.“ Toivo guckte verletzt. „Das hätte ich dir auch sagen können.“ Eternity lächelte weise. „Aber dir hätte der Blickwinkel eines Vaters gefehlt. Elena, Kleines, Kinder haben ist sehr schön, wenn du genau weißt dass du welche willst. Ich würde Toivo, Kel und dich sehr vermissen, gäbe es euch nicht. Auch sein Leben mit einem Partner teilen ist sehr schön. Aber wenn du mit dir und deinem Leben, so wie es ist, zufrieden bist, dann ist das auch vollkommen in Ordnung. Du darfst leben, wie du das willst. Und wenn du alleine bleiben willst, ist das alleine deine Entscheidung.“ „Blöd wirds nur, wenn du deine Meinung änderst, wenn du die Rüstung erstmal hast.“ warf Tommy ein. „Dann find ich schon ne Lösung. Ich hab bisher immer ne Lösung gefunden. Aber…“ sie pausierte, um einen dramaturgischen Effekt zu erzeugen und man konnte ihre Augen trotz der Dunkelheit funkeln sehn. „Da ist noch eine andere Angelegenheit, die mich brennend interessiert. Und ich finde, wir sollten den armen Aluka nicht auf die Folter spannen. Wie siehts aus? Hat er nun Eltern oder nicht?“ „Auf jeden Fall hatte ich mal welche.“ stellte Aluka klar. „Nur… Wo sind sie?“

Toivo grummelte und ließ sich auf die Seite fallen. „Ich hab keine Lust mehr. Das ist alles viel zu anstrengend. Ich muss doch erst mal verdauen dass Elena überhaupt keine Kinder haben will! Ich dachte ja echt dass sie sich aufführt wie ne Dreijährige und dann einfach davonfliegt. Oder irgendnen Blödsinn anstellt, um die Regeln zu ändern.“ Felicitas bedachte ihn mit einem Kopfschütteln. „Ich hoffe das waren die letzten Rekruten die du bekommen hast. Du bist ja ein furchtbarer Ausbilder!“ sie wandte sich an Aluka. „Haben deine menschlichen Zieheltern irgendwas erzählt?“ Aluka schüttelte den Kopf. „Nur dass sie mich lieb haben. Aber sie wussten selber nicht woher mein Ei kam.“ Felicitas tätschelte ihm die Schulter. „Du musst jetzt ganz stark sein – eigentlich bist du gar nicht von hier.“ Ungläubige Blicke trafen Aluka. „Klingt ja nach ner spannenden Geschichte. Woher bin ich dann und wie komme ich hierher?“ Felicitas holte tief Luft und begann zu erzählen. „Die Drachenarmeen der anderen Länder handhaben das mit den Eiern genauso wie wir. Auch sie bringen die Eier fort und lassen sie von Verwandten oder anderen aufziehen. Und noch bevor dein Ei an seinem Bestimmungsort ankommen konnte, wurden an der Grenze zwischen Feuer und Wasserreich die Transportdrachen von hungrigen Banditen überfallen, die dachten so ein großes Drachenei würde ein feines Omlett abgeben. Eines haben sie aufgemacht und festgestellt dass da ja schon Drachen drinnen sind und kein leckeres Eiweiß und Eigelb. Daraufhin haben sie die Eier liegen lassen, wo sie dann unsere Drachen gefunden haben. Ich weiß es ganz genau, denn mein Vater hat mir davon erzählt als ich noch ganz klein war und er mich bei meinen Zieheltern in der Stadt besucht hat! Da keiner wusste woher die Eier kamen, hat man sie mitgenommen und den Menschen in der Hauptstadt überlassen. Erst Jahre später kam heraus dass das eigentlich Dracheneier aus dem Wasserkönigreich waren. Selbstverständlich hat man das Wasserkönigreich informiert, aber die meinten dass sie die Jungdrachen nicht aus ihren Familien reißen wollten. Du bist also eigentlich ein Wasserdrache, Aluka!“

Während Aluka die Geschichte verarbeitete, kam bei Tommy eine Frage auf. „Darf er dann überhaupt Soldat bei uns Feuerdrachen werden?“ „Warum denn nicht?“ meinte Elena fröhlich. „Er ist bei uns aufgewachsen und hat mit uns trainiert. Wenn er will, bleibt er bei uns.“ „Und was, wenn er später nach Hause zu seiner Familie will?“ hakte Kereno nach. Aluka knurrte und wäre dem braunen Drachen beinahe an den Hals gegangen. „Hältst du mich für eine Verräter?!“ fauchte er ungehalten. Kereno wich einen Schritt zurück. „Das wollte ich gar nicht sagen!“ Elena griff die Überlegung auf. „Was machen dann Überläufer, die die Armee wechseln? Die können die Rüstung ja nicht einfach wechseln. Oder malen die Zwerge dann einfach ein anderes Symbol auf die Rüstung?“ Toivo lachte lauthals. „Es gibt einfach keine Drachen, welche die Seiten wechseln.“ Elena konnte das kaum glauben. „Aber…“ „Würdest du denn deine Familie verraten? Die Drachen mit denen du täglich zusammen bist und denen du dein Leben anvertraust?“ fragte Aluka misstrauisch und Elena schüttelte den Kopf. „Ich ganz bestimmt nicht. Aber wo es eine Regel gibt, gibt es auch immer eine Ausnahme.“ merkte die rote Drachin an und kam sich mit einem Mal furchtbar altklug vor. Aber so ganz Unrecht hatte sie ja nicht. „Du kannst ja mal den Alten fragen, aber mir wäre kein Fall bekannt, in dem ein Drache die Armee gewechselt hätte.“ Elena nickte und nahm sich vor das zu tun.

Kapitel 4

Eigentlich hatte Elena ja vorgehabt sich intensiver mit den Drachenrüstungen zu beschäftigen, aber direkt am nächsten Tag war ein Bote gekommen der sie, Toivo und Eternity in die Hauptstadt eingeladen hatte. Kel hatte sich so gut angestellt, dass er eingeladen worden war als Palastwache zu dienen. Eine große Ehre, die nur wenigen Drachen zu Teil wurde und selbstverständlich nicht nur mit der Ernennungszeremonie gefeiert werden würde. Für so ein wichtiges Ereignis hatten die drei selbstverständlich Sonderurlaub bekommen und waren nun bereit zum Abflug. Alle von Freunden verabschiedet, beste Wünsche im Gepäck – bis auf Elena. Sie bekam noch Ermahnungen zu hören. Dass sie aufpassen sollte, die Hauptstadt sei ein ganz andres Pflaster, sie solle niemandem auf die Füße treten mit ihrer Art und sich am besten von den Aristokraten fern halten… Aluka überschüttete sie geradezu mit gut gemeinten Ratschlägen. „Sag mal, hast du echt so viel Angst dass ich mich daneben benehm?“ fragte Elena ihren Kumpel empört. Der hielt eloquent dagegen. „Bei deinem Geschick zettelst du nen Krieg an und brennst die Hauptstadt nieder.“ Eternity, der das mitbekommen hatte, lachte amüsiert. „Sie fliegt ja nicht alleine. Ich denke Toivo und ich kriegen das mit dem Aufpassen schon hin.“  Beleidigt erhob sich Elena in die Luft. „Ich brauch keinen Babysitter!“ Mit schnellem Flügelschlag flog sie davon, wurde aber bald von Toivo und Eternity eingeholt. Die drei hatten sich darauf geeinigt dass Eternity den Weg wies und sie still flogen um Energie zu sparen. So konnten sie stillschweigend zuerst einmal den Sonnenaufgang genießen, der die Welt in einen sanften rosa Schimmer tauchte, welcher schnell zu orange und dann zu gelb überging. Elena genoss das Farbenspiel, dass die Felder und Weiden unter ihr in die verschiedensten Rot – und Gelbtöne hüllte. Unter der Führung ihres Onkels kamen sie gut voran und überflogen schon die ersten Dörfer in denen die Menschen langsam begannen ihrer Arbeit nachzugehen. Elena fand das faszinierend. Da lebten die Menschen umgeben von den verschiedensten Kreaturen und dann arbeiteten sie trotzdem noch selber, obwohl eigentlich keine Notwendigkeit dazu bestand. Das war etwas, das sie nie verstehen würde. Genauso wie die Rangordnung dieser Spezies. Da waren sie schon die mächtigsten Lebewesen weit und breit, hatten sich alle anderen Lebewesen Untertan gemacht und hatten nichts besseres zu tun als für sich selber noch eine Rangordnung auszurufen. Merkwürdige Wesen, die sie heute oder spätestens morgen zum ersten Mal in ihrem Leben aus der Nähe sehen würde. 

Gespannt war sie ja schon, auch wenn sie das nie zugegeben hätte, denn eigentlich waren Menschen ihr recht egal. Sie hatte ja nicht wirklich mit ihnen zu tun. 

Sie riskierte auf eines der Dörfer einen genaueren Blick und sah sich nicht nur die Menschen genauer an. Sie lebten offensichtlich in Häusern aus Stein, Drachenhöhlen nicht unähnlich. Aber ihre Häuser waren viel geplanter als eine Drachenhöhle. und sie hatten verschiedene Farben, das fand Elena lustig. Menschen hatten offensichtlich Freude an Farbe, nicht nur ihre Kleidung war bunt, sondern auch ihre Häuser waren Farbenfroh. So schmiegte sich in den Straßen unter ihr eine Farbe an die nächste, fast so wie kleine Drachen, die sich einen Platz im nest ihrer Eltern gesucht hatten. und die Farben waren wirklich durchgemixt. Da stand grün neben gelb, gegenüber war ein blaues Haus und daneben ein knallrotes. Ob die Hauptstadt auch so bunt war?

Sie ließen die kleine Ansammlung hinter sich und flogen eine Kurve, in der der Wind ihr angenehm ins Gesicht blies. Es versprach ein angenehmer Tag zu werden und wenn die Berechnungen von Eternity richtig waren, sollten sie gegen Mittag in der Hauptstadt sein. Wenn Elena sich beherrschen würde und nicht mit den Winden spielen… Es war zu verlockend. Hier ein kleines Luftloch mitnehmen, dort ein wenig höher steigen und dann vielleicht noch ein kleiner Looping… Toivo schien ihre Gedanken lesen zu können und warf ihr einen strengen Blick zu. Die rote Drachin warf einen enttäuschten Blick zurück. Auch wenn sie gewusst hatte worauf sie sich einließ, so langweilte sie das gemäßigte fliegen. Aber offensichtlich waren sie entweder weit genug gekommen oder Eternity war genauso langweilig wie seiner Nichte, denn mit einem Schnippen seines Schwanzes leitete er ein kleines Wettrennen ein. Er legte ordentlich an Tempo zu und Elena folgte ihm. Toivo schüttelte den Kopf und wollte gerade aufschließen und fragen was in seinen Vater gefahren war, als er in der Ferne Drachensilhouetten erkannte. Gleichzeitig nahm er war, wie sich dass Wettfliegen in einen Showkampf verwandelte und beinahe blieb ihm der Mund offen stehen. Was machte sein Vater da nur? Wollte er etwa vor den fremden Drachen angeben?! 

Nun, offenbar. Die Drachen kamen näher und Toivo konnte die Uniformen der Stadtgarde ausmachen. Ähnlich der seinen, nur viel schmuckvoller und pompöser. Diese Uniformen waren zur Show gemacht und nicht um zu kämpfen. Hoffentlich würde die Hauptstadt nie angegriffen, die Drachen würden niemals in der Lage sein diese zu verteidigen. 

Die Drachen schlossen auf und musterten kurz Elena und Eternity, die sich hoch über ihnen balgten. „Ihr seid Kels Gäste, richtig?“ Toivo nickte erleichtert. Keine großen Erklärungen, das war ihm Recht. „Ich gehe davon aus, dass die rote Drachin seine Schwester ist? Sie ist ihm wirklich sehr ähnlich.“ „Du meinst die Farbe?“ fragte Toivo und bei der Antwort klappte wirklich sein Kiefer nach unten. „Nein, vom Wesen! Sie ist genauso agil und wendig und spüre ich da eine gewisse Aufsässigkeit? Sie ist ihrem Bruder und Vater sehr ähnlich.“ Kel und aufsässig vielleicht – aber sein Onkel?! „Stimmt was nicht?“ wurde er gefragt. „Na ja… Ich kenne meine Verwandten anders als du sie gerade beschreibst.“ der fremde Drache grinste „Dann wirst du deine Verwandten heute mal von einer ganz anderen Seite kennen lernen.“ Toivo folgte ihm verwirrt und auch Eternity und Elena hatten ihren Showkampf aufgegeben und folgten den Stadtdrachen. 

Elena war mal wieder nicht zu halten. Alles wollte sie wissen. Alles nur erdenkliche fragte sie die Stadtdrachen und so verging die Zeit bis sie in der Stadt landeten blitzschnell. 

Die Ausläufer der Stadt hatten sie schon von weitem gesehen und beim näherkommen verfiel sogar Elena in ehrfürchtiges Schweigen. Die Stadt war riesig – und das nicht nur weil sich dort viele Häuser aneinander schmiegten. Die Stadt war auch extrem hochgewachsen. Nicht nur dass die Häuser riesig waren und fast jedes Platz für Drachen hatte, auch hatte wirklich jedes Haus eine Plattform auf der Drachen bequem starten ind landen konnten. „Hier ist ja alles auf Drachen ausgelegt!“ meinte Elena erstaunt. „Auf das Zusammenleben von Drachen und Menschen.“ verbesserte sie einer ihrer Begleiter. „Aber wenn dich das schon in Erstaunen versetzt, dann warte erstmal ab, bis ihr eure Unterkunft seht.“ Zuerst dachte Toivo der Drache hätte nur angeben wollen, aber man hatte dem Fakt, dass man einen General beherbergte wohl Rechnung getragen. Das Lager der Stadtwache war sowieso schon imposant. Auf einem riesigen Areal, das zwei Stadtteile zu trennen schien, waren mehrere Türme und Kuppeln am Boden untergebracht, in denen sich offensichtlich die Schlafnester befanden. Gerade wurde altes Polstermaterial ausgetauscht. Etwas das Elena früher gehasst hatte, viel zu aufwendig. Dennoch vermisste sie ihr altes Nest manchmal, wenn sie in ihrer jetzigen Höhle auf dem harten Stein lag. 

Hier schienen die Drachen eine Menge Comfort und einen fantastischen Ausblick zu haben, wie sie feststellte, als sie auf einem der Türme landeten. Unter einem hohen Dach befanden sich einige Schlafnester aus bequemen Stroh, sogar mit Kissen aus duftendem Heu, in denen es sich offensichtlich jemand bequem gemacht hatte. 

Bei genauerem Hinsehen konnte Elena ihre Eltern ausmachen, die sich streckten und gemütlich aufstanden. Fast so als hätte er es geplant schob sich Eternity vor Toivo und Elena und beobachtete seinen Bruder genau. Der Drache der sie hergebracht hatte verabschiedete sich höflich mit dem senken des Kopfes und verließ den Schauplatz als hätte er nichts gemerkt. 

Der dunkelrote Drache gähnte und wedelte ungeduldig mit dem Schwanz. „Reg dich ab Bruder. Hier geht es nicht um uns oder Elena, sondern um Kel. Ich werde ihm seine Zeremonie nicht mit Streitereien versauen.“ brummelte er gelassen. „Außerdem sehe ich mit Freuden dass meine Tochter von dir so beschützt wird.“ Elenas Mutter schob ihren Partner ungeduldig beiseite. „Lasst euch ansehen, Kinder! Geht’s euch gut?“ 

Eine weitere Drachin löste sich aus der Gruppe. Elena quietschte begeistert und stürmte auf ihre Mutter und ihre Tante zu. „Ich hab euch sooooooo vermisst!“ rief sie und verschwand kurz in einer liebevollen Umarmung, ehe sie unsanft beiseite gestoßen wurde. „Jetzt bin ich dran!“ rief Toivo und verwandelte sich Sekunden später in einen übergroßen Schlüpfling der sich an Mutter und Tante kuschelte. 

Elena knurrte belustigt und trat ihrem Vater gegenüber. „Bist… du böse auf mich?“ 

Der seufzte und sah seine Tochter sorgenvoll an. „Nein, nicht mehr. Eigentlich hab ich nur noch Angst um dich. Aber Bernie bringt mir bei, damit umzugehen.“ Bernadette, die von ihrer gesamten Familie nur Bernie genannt wurde, löste sich aus der Umarmung ihres Sohnes und lächelte freundlich. „Und dein Vater macht sich nicht schlecht. Aber sag mal Kindchen, bist du dir sicher, dass es der richtige Weg für dich ist? Du weißt was du aufgibst?“ Sie warf einen kurzen Blick zu Eternity und der nickte. Elena nickte heftig. „Ich weiß es. Und ich bin mir absolut sicher, dass die Dragon Force der Ort ist, an den ich gehöre.“ Bernie nickte und sah Eternity scharf an. „Dir ist hoffentlich klar dass du bei ihr wesentlich mehr Sorgfalt walten lassen musst, als bei unserem Sohn?“ Elena gluckste. Sie mochte ihre Tante, die das Leben an der Seite des Generals mit voller Absicht gewählt hatte. So hatte sie einen Partner mit dem sie das Kind bekommen hatte können, das sie unbedingt hatte haben wollen, dank der offenen Beziehung und der Tatsache dass Eternity für die Armee lebte aber frei genug um zu tun und zu lassen was sie wollte. Toivo wechselte einen Blick mit seinem Vater und unisono brach es aus den beiden heraus: „Keine Sorge, auf die passt inzwischen jeder auf.“ Elena murrte unwirsch. „So schlimm bin ich auch nicht!“ „So schlimm?!“ hielt Toivo dagegen. „Du krempelst noch die gesamte Dragon Force um!“ 

Das schien ihrem Vater zu gefallen. „So ist’s Recht, Töchterchen. Brich nur alte und verstaubte Strukturen auf, vielleicht findest du ja noch einen Diamanten darunter!“ 

Noch bevor jemand etwas erwidern konnte, hörten sie Kels Stimme von unten. „Habt ihr vor den ganzen Tag zu schlafen oder wie?“ „Kel!“ schwungvoll stürzte Elena sich von Turm und riss ihren Bruder in einem kontrollierten Sturzflug von den Beinen. Dieser ließ sich lachend zu Boden fallen und tätzelte verspielt nach seiner Schwester, die auf das Spiel nur zu gerne einging. Wild fauchend stürzten sie sich aufeinander, gegenseitig die Kräfte abschätzend um sich nicht gegenseitig zu verletzen. 

Währenddessen landeten die anderen Familienmitglieder und freuten sich über die Lebendigkeit der beiden, mit der die jungen Drachen über den Platz kugelten. 

Ein Hüsteln schreckte alle auf. Eine Drachin, die offensichtlich einen hohen Rang bekleidete, schien Kel daran zu erinnern wo er war. Mit einem Satz sprang er auf und neigte respektvoll seinen Kopf. Elena, die gerade auf dem Rücken lag, sah die Drachin lange an. Sie war von bläulicher Farbe und schien, als wäre sie es gewohnt dass man ihren Befehlen Folge leistete. Das Räuspern allerdings gehörte definitiv zu Eternity und war ihr Erinnerung genug sich zu benehmen wie es einer Soldatin würdig war. Auch sie war mit einem Satz auf den Beinen und erbrachte ihre Ehrerbietung mit Hilfe einer gekonnten Verbeugung. Die Drachin hob eine Augenbraue. „Scheint so als hättest du übertrieben Kel. Deine Schwester hat offensichtlich gute Manieren und ist folgsam. Ich erkenne hier keine Drachin, welche die Stabilität der Dragon Force gefährdet.“ sie wandte sich an Eternity. „Offensichtlich versteht ihr was von der Ausbildung. Vielleicht sollte ich Kel ein paar Tage zu euch schicken, dann lernt er noch was. Seine Schwester könnte ihn bestimmt excellent vertreten.“ meinte sie liebevoll mit gekünstelter Enttäuschung. 

Toivo konnte sich nicht mehr halten und brach in schallendes Gelächter aus. Als er sich beruhigt hatte, meinte er mit Grinsen: „Nicht falsch verstehen – wenn sie die Hauptstadt brennen sehen wollen, können wir gerne tauschen. Aber ich warne sie vor – fallen sie nicht auf ihre Niedlichkeit oder ihre Kulleraugen herein. Je niedlicher Elena wirkt, desto größer am Ende das Chaos.“ meinte der türkise Drache belustigt. „Hey!“ beschwerte sich Elena beleidigt. „Du tust ja grad so als würd ich andauernd was kaputt machen! Ich hab noch gar nichts kaputt gemacht. Jedenfalls nichts materielles.“ Die Drachin, die offensichtlich Kels Ausbilderin war musterte Elena eingehend, wie sie so dasaß und beleidigt dreinsah. „Habt ihr denn überhaupt viel Gegenstände die man kaputt machen kann?“ Eternity schüttelte den Kopf und die Drachin war einen prüfenden Blick auf Elena. „Kind, bitte lass die Stadt heile, ja? Hier leben viele Lebewesen die ihre Häuser noch brauchen.“ Elena schnaubte beleidigt. „Ich zerstöre nicht, ich erneuere.“ Sie wandte sich an ihren Bruder. „Wie siehts nun aus, du faule Socke? Du hattest mir ne Stadtführung und den leckersten Haferbrei der Stadt versprochen!“ Kel nickte. „Sonst noch jemand an einer Stadtführung interessiert?“ der Rest der Familie nickte und so machten sie sich auf den Weg in die Stadt. Mit Hilfe von Kels Ausbilderin, die darauf bestand dass man die Förmlichkeiten weglassen und sie Claudia nennen sollte, bekamen sie nicht nur einen Eindruck davon wie das Zusammenleben mit den Menschen war, sondern auch, welchen wichtigen Anteil die Drachen im Leben der Menschen hatten. Nicht nur die Post oder die Stadtverteidigung war von den Drachen übernommen worden, auch bei der Feuerwehr waren sie dabei und im Bauwesen waren sie Dank ihrer Größe und Flügel unerlässlich. Und gebaut wurde gefühlt an jeder Ecke. Mal wurde ein bestehendes Haus aus – oder umgebaut, mal wurde ein neues Haus gebaut. Und überall zwischen den Wohnsiedlungen der Menschen gab es vereinzelte Drachenhöhlen, die offensichtlich bewohnt waren. „Drachen können hier auch wohnen wie die Menschen? So mit eigener Höhle, einfach so?“ Claudia nickte. „Natürlich können sie in den Gemeinschaftsunterkünften wohnen, wenn sie das möchten, aber es steht ihnen auch frei eigene Höhlen zu beziehen. Bietet sich gerade für junge Familien an.“ Elena horchte auf. Hier war Vereinbarkeit von Beruf und Familie wohl Standard. Sie nahm sich vor, einen genaueren Blick auf die Unterschiede der Stadtdrachen und der Drachen der Dragon Force zu achten.

Erstmal galt es sich umzusehen. Hier in der Stadt waren nicht nur die Häuser Farbenfroh, sondern auch die Drachenhöhlen. Auch aus Stein gefertigt wie die Häuser der Menschen, waren sie jedoch bunt angemalt und mit allem möglichen Krimskrams geschmückt. Drachenzähne, große Vogelfedern, Hörner – alles fand sich an den Kuppeln, die aussahen wie bunte, in der Mitte auseinander geschnittene Eier.  Während Elena die Höhlen, die, wie sie feststellte, sogar Türen hatten und Namensschilder, mit Argwohn betrachtete, fanden ihre Eltern gefallen daran und überlegten ob sie nicht ihre alte Höhle aufgeben und in die Stadt ziehen sollten. Kel zeigte sich sehr erfreut darüber, Elena war nicht begeistert. „Aber was wird dann aus unserer Höhle?“ sie liebte die Höhle mit den vielen Nestern und die Nähe zum Meer. „Die bekommt dann ein junges Drachenpärchen. Für uns ist der Platz viel zu viel und da wir keine Enkel großziehen müssen, brauchen wir nichts großes mehr.“ Elena knurrte. „Woher wisst ihr denn das schon wieder?“ fragte sie grummelnd und wollte sich gerade hinsetzen, als Claudia sie davon abhielt. Elena sah unter sich und bemerkte zwei Menschen die verängstigt zu ihr hoch sahen, wohl felsenfest der Überzeugung die Drachin würde sie gleich zerquetschen. „Tut mir Leid. Ich bin neu in der Stadt.“ meinte die Drachin zerknirscht und stellte sich an den Rand der Straße um die Menschen vorbei zu lassen. „Die Menschen sind wahrscheinlich nicht nur klein, sondern auch ziemlich zerbrechlich?“ fragte sie und sah den beiden kleinen Gestalten nach, welche die gepflasterte Straße davoneilten. Claudia nickte. „Du darfst nicht vergessen dass wir doppelt so groß sind, wie die größten Exemplare ihrer Rasse, wenn wir nicht aufpassen, können wir alleine durch unsere Masse großen Schaden anrichten.“ Elena nickte und sah sich die menschlichen Behausungen an. „Aber ist es dann nicht kollosale Platzverschwendung, dass ihre Behausungen auf das Zusammenleben mit Drachen ausgelegt ist?“ hakte Elena nach und Kel sah sich um. Sie befanden sich in einem der normalen Arbeiterviertel und die Häuser waren zwar großzügig bemessen, aber in seinen Augen doch eher klein. Meistens hatten die Häuser einen eingezäunten Garten der gerade einmal groß genug war dass ein Drache sich dort einmal umdrehen konnte und nur im unteren Stockwerk war Platz für Drachen. Sechs Meter im Normalfall in der Höhe, hatten die Menschen im unteren Stockwerk meistens nur die Küche, den Essplatz und das große Wohnzimmer. Im zweiten Stock waren dann die Zimmer und Badezimmer der Menschen untergebracht, die auf Menschengröße angepasst waren. Meistens zwei Meter, manchmal auch drei Meter hoch. Kel schmunzelte. „Wenn du das hier schon Platzverschwendung findest, dann musst du dir das Palastviertel ansehen.“ Er ging fröhlich voran und die anderen folgten ihm neugierig. Palastviertel, das klang vornehm.

Die Drachen wurden nicht enttäuscht. Nach einer Weile begannen die Gärten und Häuser  größer zu werden und die Farben blasser. Hier war alles in Pastell gehalten und auch die oberen Stockwerke wurden größer. So groß, dass auch im zweiten Stock ein Drache Platz hatte. 

Auch wurde das geschäftige Treiben hier weniger und die Straßen wirkten friedlich. Die Kleidung der Menschen änderte sich auch. Die Stoffe waren feiner und öfter mit Silber oder Gold durchzogen. Eher Kleidung um den Status zu zeigen als praktikabel um damit zu arbeiten. 

Und hier brauchten die Drachen auch keine Plattformen um zu landen, was gerade demonstriert wurde. Ein Drache mit eleganter Rüstung, die poliert glänzte und mit Edelsteinen besetzt war, landete im Garten. Alle beobachteten den Drachen, der elegant landete und dastand wie eine Statue. Die Muskeln traten klar definiert hervor und alles in allem war er eine sehr imposante Erscheinung. 

Er streckte sich etwas und schob die Schwanzspitze zwischen die Platten die seinen Hals bedeckten. Mit einem zischen löste sich die Rüstung und der Drache streifte sie mit einer einfachen Bewegung ab. Dann nahm er das ganze Gebilde ins Maul und zog es in eine Gartenschuppen. Kel seufzte beeindruckt. „So reich sein dass man nicht nur eine Arbeitsuniform hat!“ Claudia nickte mit wehmütigen Gesichtsausdruck. 

Elena hingegen hatte Glück dass sie sowieso schon eine rote Farbe hatte und außer Toivo niemand merkte wie sehr in Rage sie war. Toivo reagierte schnell und flüsterte ihr ins Ohr „Nicht hier, das hat keinen Sinn.“ Elena sah ihn fragend an. „Morgen sind wir für die Zeremonie eh im Palast.“ Sie sah ihrem Cousin in die Augen und erkannte dass er es ernst meinte. Seine Unterstützung hatte sie schonmal. Die beiden warfen einen Blick auf den General, der bereits die Klauen ausgefahren hatte, was zum Glück keiner merkte. Elena stupste ihn sanft mit der Schwanzspitze an und schüttelte den Kopf als er herüber sah. Augenblicklich fuhr er die Krallen wieder ein und warf seinem Bruder ein perfekt gespieltes Lächeln zu als sich dieser zu ihm umdrehte. Der rote Drache warf einen prüfenden Blick auf die Uniform der Armee und schüttelte den Kopf. „Zumindest ein bisschen aufhübschen könntet ihr eure Rüstung ja schon.“ „Und dann, statt das Land zu verteidigen den verlorenen Edelsteinen nachjagen?“ Eternity schnaubte. „Du hast ja Ideen. Ich seh schon woher deine Tochter das hat!“ 

Elena grinste und machte einen spielerischen Hüpfer nach vorn. „Die Häuser sind ja ganz nett, aber wann bekommen wir nun endlich den Palast zu sehn?“ Sie gähnte demonstrativ. „Immer die gleichen Häuser mit denen die Menschen und Drachen eh nur angeben wollen, sind auf Dauer ziemlich langweilig.“ Sie bekam noch mit wie der Drache, der gerade dabei war, das reich verzierte Holztor zu seinem Haus zu öffnen, zusammen zuckte. Ärgerlich warf er einen Blick zurück und musterte die vorlaute Drachin eindringlich. Danach machte er das Tor auf, schritt hindurch und ließ die Torflügel lautstark zufallen. 

Claudia bedeutete der kleinen Truppe weiter zu gehen. Eine Straßenkreuzung weiter konnte sie sich nicht mehr halten und brach in lautes Gelächter aus. 

„Kel hat ja gar nicht erzählt dass du ein derartiges Treffergeschick hast!“ Elenas Eltern wechselten einen besorgten Blick mit Bernie, während Eternity grinste. „Besonders für Fettnäpfchen, nicht wahr?“ zog er seine Nichte auf, während Kel und Toivo sich bemüßigt fühlten Elena zu verteidigen. „Wenns halt passt?“ meinte Kel und Toivo fügte hinzu „Wenn die Worte nicht gepasst hätten, dann wär er ja wohl nicht so sauer gewesen.“ Claudia grinste. „Du hast erfolgreich den eitelsten Drachen der Palastwache beleidigt. Meinen tiefen Respekt, das hat sich bisher noch keiner getraut.“ Elena schnappte laut nach Luft. „Wirkt sich das irgendwie negativ auf Kel und seine Karriere aus?“ „Meine Karriere kann keiner versauen, außer mir selber.“ brummelte Kel liebevoll. „Außerdem, wenn ich deine Aufmerksamkeit mal nach rechts lenken dürfte?“ Elena folgte mit dem Kopf der Richtung in die sein Flügel deutete und ihr stockte der Atem. In der Entfernung war auf dem Hügel ein riesiger, sonnenbeschienener Prachtbau auszumachen, in dessen goldenen Verzierungen sich die Sonne spiegelte. Zwischen all dem Gold konnte Elena bunte Fenster ausmachen die offenbar mehr als nur eine Farbe hatten. „Das ist dein zukünftiger Arbeitsplatz?“ hauchte sie und Kel nickte unglaublich stolz. 

Für Elena gab es kein Halten mehr. Ihre Flügel breiteten sich aus und sie erhob sich in die Lüfte. So schnell sie konnte flog sie den Hügel hinauf, die Rufe der anderen ignorierend. 

Vor ihr, auf einem Hügel, inmitten eines prachtvoll gestalteten Gartens, erhob sich das Schloss. Eine riesige, lichtdurchflutete Halle bildete das Hauptwerk. Aus weißem Stein erbaut, rankte sich goldener Efeu, der seine kunstvoll geschmiedeten Blätter ausbreitete. Das Kuppeldach, das die Halle bedeckte, die mindestens doppelt so hoch war, wie ein durchschnittlicher Drache, war mit Silber bemalten Tuch abgedeckt. Wer genauer hinsah, der konnte erahnen, dass sich das Tuch an manchen Stellen beiseite schieben lies. 

Das allerschönste an der riesigen Halle jedoch waren die kunstvoll gestalteten Gläser, die sich vom Boden bis zur Kuppel zogen und Szenen aus der Geschichte des Landes zeigten. All die alten Geschichten die Dracheneltern ihren Schlüpflingen zum einschlafen erzählten waren abgebildet und Elena erkannte jede Szene wieder.  

Die anderen hatten sie inzwischen eingeholt und ihre Mutter tätschelte sanft Elenas Kopf, genau wissend dass ihre Tochter derart fasziniert war, dass sie dort am liebsten einziehen würde. 

Die anderen Bauteile des Schlosses beachtete Elena gar nicht. Diese waren aus schönem, weißen Stein gefertigt und so hoch, und breit, dass ein Drache bequem hindurch spazieren konnte.

Von der Halle gingen vier Gänge ab, die zu riesigen Türmen führten, von denen jeweils drei nochmal untereinander verbunden waren. Nur die Seite, an der die Halle ihr Tor hatte, war frei. Das Tor war aus hellem Holz, in das lauter kleine, gläserne Drachen eingebaut worden waren, die mal miteinander flogen, mal miteinander spielten. Elena setzte sich ergriffen hin. Sie hatte das Gefühl sie könnte Tagelang allein auf die Türe starren und würde doch nicht alles erfassen, was dort abgebildet war. Auch den Garten lies sie komplett unbeachtet, obwohl dieser mindestens so prächtig war wie die Halle. 

Schön getrimmter Rasen mit weißen Kieswegen, die einen Menschen zum Lustwandeln einluden. Hier und da standen einzelne Pavillons, aus weiß lackiertem Metall, aus deren Streben all die anderen Kreaturen erwuchsen, welche die vier Königreiche bevölkerten. Da gab es Einhörner, die in Herden über die Balustraden galloppierten, Zwerge, die dort ihr Tagwerk verrichteten, Elfen, die verletzte Kreaturen heilten und Pegasi, die, von Menschen geritten, sich hoch in die Lüfte erhoben. 

Auch hatte Elena keinen Blick übrig für die Kunstvoll geschnittenen Buchsbäumchen, die in großen Töpfen den Garten verschönerten und zu allerlei niedlichen Wesen zurechtgestutzt worden waren. Da gab es niedliche kleine Drachen und verspielte Pegasi- und Einhornfohlen. Und das große Tor zur Straße hin beachtete sie erst recht nicht. Es war ein Meisterwerk der Metallbearbeitung. Unter einem Bogen am oberen Ende fand sich auf der einen Seite die Sonne, auf der anderen der Mond. Darunter konnte man allerlei Drachen und Pegasi sehen, unter denen sah man Einhörner herumtollen. 

Toivo brach Elenas andächtiges Schweigen. „Papa, warum haben wir sowas nicht?“ auch er war stark beeindruckt vom Palast. „Ich meine, klar, Glas ist bei kämpfenden Drachen ein wenig unpraktisch, aber ein bisschen hübscher und weniger praktisch könnten wir unser Zuhause schon gestalten.” Eternity gluckste belustigt. Er kannte das schon. Regelmäßig fragten junge Drachen, die den Prunk der Hauptstadt gewohnt waren, danach die Höhlen der Dragon Force etwas aufzuhübschen.“ Ach und du und Elena, ihr putzt das Ganze dann regelmäßig? Malt die hübschen Wandgemälde wieder nach, wenn sie verblassen?“ während Toivo grummelte sprang Elena wieder auf und sah ihren Onkel ernst an. „Wenn ich erstmal als Soldatin in die Dragon Force aufgenommen wurde, kriegen wir dann unsre feste Höhle zugewiesen?“ Eternity runzelte die Stirn. „Wenn dein Team so bestehen bleibt, dann kommt Toivo als Teamleiter zu euch und ihr bleibt in der Höhle die ihr jetzt habt.“ antwortete er misstrauisch. „Dürfen wir die gestalten?“ Eternity zuckte mit den Schultern. „Wenn du Zeit und die passenden Materialien hast, kannst du die Höhle jeden Tag umgestalten. Musst dich nur mit deinem Team absprechen, schließlich wohnst du da nicht alleine.“ In Elenas Augen trat das wohlbekannte Glitzern. „Sieht so aus als stünden bei euch ein paar Änderungen an.“ stellte Claudia fest. Eternity zuckte mit den Schultern. „Das Schöne ist, dass man sich an ihren Enthusiasmus mit der Zeit gewöhnt.“ „Und damit, liebe Freunde des Augenschmauses, ist unsere kleine Stadtführung beendet. Also zumindest die für alten Drachen.“ Bernie plusterte die Backen auf. „Hast du mich gerade alt genannt, mein lieber Neffe?“ gekonnt wich Kel dem spielerischen Schwanzhieb seiner Tante aus und grinste frech. „Jawohl, hab ich. Es ist später Nachmittag und da gehören alten Drachen langsam aber sicher auf den Weg ins Nest. Den jungen Drachen gehört der Abend und die Nacht!“ 

Während Kel herumflachste, warfen Elena und Toivo einander besorgte Blicke zu. Entweder die weihten Kel ein, oder sie mussten morgen ohne Schlachtplan in den Kampf. Aber würde Kel zulassen dass sie eventuell seine Zeremonie störten? Auf der einen Seite schwer vorstellbar, auf der anderen Seite hatte er damals ja auch Elena unterstützt. 

Eternity, der den Blick der beiden bemerkt hatte, mischte sich ein. „Lassen wir dem jungen Gemüse etwas Zeit für sich. Die haben sich schon so lange nicht mehr gesehen.“ in seinen Augen war das selbe Glitzern zu sehen, das seiner Nichte so gut stand. „Wir werden ja sehen wer eher im Nest anzutreffen ist.“ Seinem Bruder gefiel die Idee sichtlich. „Die Kleinen wissen ja gar nicht, wie man sich die Nacht um die Ohren schlägt! Aber lassen wir Ihnen ihren Spaß und bescheren wir der Stadt einen unvergesslichen Abend.“ 

Nicht nur Claudia zog eine Augenbraue fragend nach oben, aber die beiden Brüder grinsten nur und verabschiedeten sich von ihren Kindern. 

Kopfschüttelnd zogen Elena, Toivo und Kel nach einer kurzen Verabschiedung soweit von dannen, dass sie definitiv nicht mehr zu hören waren. Dann stellte sich Kel seinen Begleitern in den Weg. „Glaubt ihr etwa, ich bin blind? Was habt ihr vor? Plant ihr eine Revolte?“ fragte der dunkelrote Drache misstrauisch. Elena schnappte nach Luft. „War das so offensichtlich?“ Kel schüttelte den Kopf. „Keine Sorge, außer mir hat glaube ich keiner mitbekommen dass du dem Drachen vorhin beinahe an den Hals gegangen wärst, als er seine Rüstung ausgezogen hat.“ Kel kannte seine kleine Schwester einfach viel zu gut. Toivo bedeutete den Geschwistern in Bewegung zu bleiben. Stehen bleiben und einem geheimen Plan schmieden war dann doch etwas suboptimal in seinen Augen. 

„Und auch Onkel Eternity war ein paar mal echt an der Grenze. Was ist das nur mit Soldaten und Rüstungen? Dass sie eher praktisch sind, das seh ich ja ein. Aber ihr legt sie nie ab und sobald ein Drache in der der Dragon Force ist, wird er oder sie nie wieder gesehen. Ihr seid echt seltsam, wisst ihr das?“ kam es verwundert von Kel. Während Elena fast zu platzen schien, blieb Toivo die Ruhe selbst. „Wie würden denn die Stadtlebewesen reagieren wenn plötzlich lauter uniformierte Drachen durch die Stadt spazieren würden?“ Kel musste nicht lange überlegen. „Dann wär hier der Teufel los! Alle hätten Angst vor einem aufkommenden Krieg! Ist ja schon schlimm genug wenn die Stadtwache in ihrer Rüstung einmal am Tag ihre Patrouillen fliegt. Keine Ahnung warum, aber Uniformen scheinen den meisten ein wenig Angst zu machen.“ Kel zuckte mit den Schultern „Aber was ist das Problem sie einfach abzunehmen?“ Es war ein großes Glück dass sie noch nicht so ganz wieder im Stadttroubel angekommen waren, denn sonst hätte Elena mit großer Wahrscheinlichkeit jemanden verletzt, als sie mit einem Sprung in die Höhe geradezu explodierte. „Das Problem ist, dass es schlichtweg unmöglich ist!“ Kel schnaubte ungläubig. „Wieso? Sind sie festgeklebt?“ fragte er spottend. „Festgeschmiedet würde eher passen.“ antwortete Toivo ruhig und kassierte Gelächter. „Willst du mich verarschen? Das wird seid Jahrhunderten nicht mehr gemacht!“ Toivo seufzte. „Dann mach wie deine Schwester den Selbsttest und versuch doch mal mir die Rüstung abzunehmen.“ Kels Blick wanderte zwischen seinem Cousin und seiner Schwester hin und her und langsam begriff er. „Das… Ist doch nicht möglich! Dass das überhaupt erlaubt ist?!“ „Häh, wie erlaubt?“ fragte Elena und wich einem Gespann der Menschen aus während sie ihrem Cousin in eine der belebten Hauptstraßen folgte, nur um kurz danach wieder in eine Seitengasse abzubiegen. Sie versuchte sich nicht in den bunten Farben der Stadt zu verlieren, die sie so anziehend fand. Ihr Blick ging von links nach rechts und zwischendurch auch immer mal wieder auf den gepflasterten Boden, denn sie hatte Angst in ihrer Unaufmerksamkeit einem kleineren Lebewesen Schaden zuzufügen. 

Toivo schien das Ganze nicht so zu beeindrucken wie sie, denn er wich geschickt jedem Hindernis aus und konnte seinem Cousin wesentlich besser folgen. „Ich dachte immer die Menschen haben einfach jedes Lebewesen unterworfen und können nun machen was sie wollen?“ Kel zuckte zusammen. „Das war einmal vor langer Zeit so.“ meinte er und ihm wurde plötzlich bewusst wie sehr sich die Lebensrealität seiner Schwester und die seines Cousins von der seinen unterscheiden musste. Während er in der Hauptstadt ein gemütliches, angenehmes und modernes Leben lebte, schienen die beiden aus der Zeit gefallen – fast als wären sie Zeitreisende. „Inzwischen haben sich die Menschen des Feuerlandes dazu entschlossen jedem Lebewesen den Platz und den Respekt einzuräumen den es verdient.“ 

Toivo knurrte. „Davon merken wir nicht viel.“ Entschuldigend lächelte Kel schüchtern. „Ich fürchte, ihr seid derart abseits stationiert, dass man euch einfach vergessen hat.“ 

Die drei stoppten und Toivo schnaubte empört, während Elena sich etwas nervös umsah. Doch schließlich seufzten die beiden. „Schön wäre es ja nicht, aber ich muss zugeben, das ist nicht nur die einfachste, sondern auch logischste Erklärung.“ meinte Toivo und Elena nickte. „Gefällt mir zwar ganz und gar nicht, aber wenigstens wäre das dann einfacher zu beheben, als wenn irgendjemand, der sich einen Vorteil erhofft, die Strippen zieht.“ 

Kel lotste die beiden noch ein bisschen weiter durch die Gassen, bevor er schließlich bei einem Stand Halt machte und freundlich begrüßt wurde. „Kel! Schön dich nochmal zu sehen, bevor du Palastwache wirst!“ aus dem Stand guckte ein Mensch hervor, der Toivo und Elena freundlich anlächelte. Während Kel und der Mensch noch ein paar Höflichkeitsfloskeln austauschten, sah sich Elena ein wenig genauer um. Inmitten all der bunten Häuser mit den kleinen Vorgärten war dieser kleine Stand, direkt hinter einem Gartenzaun. Unscheinbar, in zum Haus passenden Grün gestrichen stand die Holzhütte da und duftete verführerisch. Elena lief das Wasser im Mund zusammen. Haferbrei hatte sie bisher nur einmal gekostet, als sie als kleines Drachenmädchen einmal mit Kel und ihren Eltern Urlaub in der Nähe der Menschen gemacht hatte. Sie erinnerte sich an den köstlichen Geschmack und freute sich. In der Dragon Force gab es nichts als Gras und Weizen für die Drachen zu essen, denn kochen wie die Menschen, das war noch keinem Drachen gelungen. Deswegen mussten sie von den Vorräten leben, welche die Menschen und Zwerge für sie anbauten und einlagerten. 

„Was darf denn für euch beide mit hinein?“ Wurde Elena aus ihren Gedanken gerissen. Toivo wusste genau was er wollte. „Blaubeeren! So viele Blaubeeren wie nur irgendwie möglich!“ Er mochten den Geschmack der blauen Mini Früchte sehr und freute sich jedes Mal, wenn er mal wieder dazu kam eine zu essen. Leider waren die immer so schnell weg! 

Aber der Mensch war nicht nur herzensgut, sondern auch schlau. Ganz genau schien er zu wissen, dass so eine Blaubeere fast nicht auszumachen war auf einer Drachenzunge, deswegen wanderten nicht nur Blaubeeren, sondern auch Blaubeersaft in den Haferbrei. Sah das lecker aus! Doch Elena hatte sich inzwischen entschieden. „Ich will Äpfel hinein! Und etwas von diesen wundervoll riechenden braunen Stangen!“ „Apfel und Zimt, kommt sofort!“ 

Hungrig starrten die Drachen auf die Töpfe, in denen ihr Abendessen zu brodeln begann, als Kel das Gespräch wieder aufnahm. „Fest steht, dass wir was unternehmen müssen. Und klar ist auch, dass es morgen bei der Zeremonie geschehen muss. Näher kommt ihr nie wieder an die Königsfamilie heran, um euer Anliegen vorzubringen.“ stellte er sachlich fest und Toivo nickte. „Gibt es denn irgendwann in der Zeremonie eine gute Gelegenheit zu intervenieren und unser Anliegen vorzubringen?“ wollte er wissen. „Soweit ich weiß gibt es eine Stelle in der Zeremonie wo gefragt wird ob jemand Einwände dagegen hat dass die vorgestellten Drachen Palastwachen werden. Das wäre die Gelegenheit für euch.“ Inzwischen war das Essen fertig und der Mensch stellte den drei Drachen wohlriechende, große Schüsseln vor die Pfoten. „Wenn ich mich einmischen dürfte -„ begann der Mensch vorsichtig als die Drachen die Schnauze in den leckeren Brei tunkten. „Es ist ein offenes Geheimnis dass die Prinzessin die Ernennungszeremonie übernehmen wird. Sozusagen als Vorbereitung auf ihre späteren Pflichten. Ich schlage daher vor, dass ihr eine Drachin vorschickt. Je lebendiger, offener und ehrlicher, desto besser wird es bei der Prinzessin ankommen, zumindest demnach was man so hört.“ Elena verschluckte sich fast an ihrem Essen. „Hört sich nach nem Job für dich an.“ grinste Toivo und Kel nickte. „Wie für dich gemacht.“ „Na ihr tut euch leicht. Was ist wenn ich es vor lauter Nervosität vermassele?“ fragte Elena und versenkte ihre Schnauze in der großen Schüssel, um diese auszulecken. „Wirst du schon nicht. Außerdem bist du ja nicht alleine da. Ich helf dir im Notfall.“ meinte Toivo und legte sich vorsichtig in die Gasse hinein. Gerade dass der große Drache zwischen die Zäune passte. Genüsslich schleckte er die Schale vor ihm aus. „Ist das vielleicht lecker! Also kulinarisch gesehen bist du wirklich zu beneiden, Kel. Nur dein Job wär mir ein bisschen langweilig.“ „Als wenn deiner spannender gewesen wäre bis Elena ihren Wahnwitz zu euch gebracht hat!“ kam es beleidigt von Kel. „Na ja, die ein oder anderen Schlacht hab ich schon geschlagen. Aber stimmt, seit Elena da ist, ists spannender und lustiger. Nen Drachen wie sie gibt’s kein zweites Mal.“ Elena war sich nicht sicher ob sie geschmeichelt oder beleidigt sein sollte. Sie gab ihre leere Schüssel zurück und bedankte sich. „Und was treibt ihr Hauptstadtdrachen so wenn ihr nicht gerade durch die Stadt patrolliert oder was leckeres esst?“ fragte sie, während sie den Sonnenuntergang betrachtete. Kel grinste. „Oh, wir haben vielfältige Möglichkeiten uns zu beschäftigen. Meistens mit Sport.“ etwas an dem Grinsen ihres Bruders sagte ihr, dass es sich nicht um den üblichen Sport handelte, von dem sie auch schon ihre Kameraden in der Dragon Force hatte reden hören. Oftmals war sie schon aufgefordert worden mitzumachen, aber sie hatte bisher den Sinn dahinter nicht entdecken können. Toivos Augen wurden groß. „Willst du damit sagen die Geschichten der Fight Clubs sind wahr!?“ Kel zuckte mit den Schultern, als würde er dem Ganzen keine große Bedeutung beimessen. „Oh bitte, bitte, bring mich hin! Ich möchte einmal in einer Arena kämpfen!“ Kel hob eine Augenbraue. „Mal sehen ob sie einen einfachen Drachen aus der Provinz nehmen, aber ich wills versuchen.“ Elena guckte verständnislos. „Was ist denn bitte so toll daran sich ohne große Not zu kloppen?“ Kel und Toivo sahen sie mitleidig an. „Mädchen verstehen sowas einfach nicht.“ „Dann nehmt mich mit, dass ich von euch lernen kann!“

Die beiden wechselten einen vielsagenden Blick. „Unter einer Bedingung: Du hältst dich an die wichtigste Regel.“ kam es von Kel. „Und die wäre?“ fragte Elena gelangweilt. „Der Fight Club bleibt geheim. Du erzählst niemandem dass es ihn gibt und auch nicht, niemals, wo die Kämpfe stattgefunden haben.“ meinte Kel streng. „Na wenn’s weiter nichts ist?“ tat Elena das Ganze mit einem Schulterzucken ab und erhob sich mit den beiden gemeinsam in die Luft. Ein kurzes Winken mit dem Flügel als Abschied zur Standbesitzerin und schon folgte sie Kel und Toivo über die Dächer der Stadt, die, je höher sie sich erhob, immer mehr wirkten wie Spielzeug. 

Doch lange dauerte ihre Reise nicht, da hatten sie die Stadtmauern schon hinter sich gelassen und setzten zur Landung in der Nähe einer Talsenke an. 

Die ersten Drachen waren dort schon anzutreffen und Kel wurde freundlich begrüßt. Offensichtlich hatte er die Wahrheit erzählt und hatte schon den ein oder anderen Kampf bestritten. „Heute nicht zum kämpfen hier?“ wurde er gefragt und der dunkelrote Drache schüttelte den Kopf. „Heute hab ich meinen Cousin dabei, der unbedingt ausprobieren will wie leicht ein Hauptstadtdrache einen Soldaten schlagen kann.“ Elena beachtete das Geplänkel nicht sondern schob ihre Nase über den Rand der Talsenke. Neugierig sah sie nach unten. 

Recht schmucklos, der Kampfplatz. Zertrampeltes Gras auf dunkler Erde in einem unförmigen kleinen Tal, das vielleicht Platz für zehn Drachen bot. Sie seufzte. Das würde heute vermutlich kein spannender Abend werden. 

Sie bekam am Rande mit, dass sie noch warten mussten bis ein geeigneter Gegner für Toivo gefunden wurde und ließ sich auf den Boden fallen. Missmutig schnaubte sie. „Müssen wir noch lange warten?“ Kel nahm neben ihr Platz. „Vermutlich schon noch etwas länger. Aber ich habe die perfekte Lösung um die Wartezeit zu überbrücken.“ Elena horchte auf. „Willst du ein kleines Wettfliegen mitmachen?“ „Bin ich ein kleines Kind?“ fragte die Drachin beleidigt doch ihr Bruder grinste verschmitzt. „Ein Hindernis Wettfliegen. Nicht zu vergleichen mit dem, was du sonst so kennst.“ meinte er und weckte endgültig das Interesse seiner Schwester. Die setzte sich auf. „Und wie muss ich mit das vorstellen? Nah am Boden entlang fliegen und Hindernissen ausweichen?“ Kel schüttelte den Kopf. „Nichts mit Boden.“ seine Schwanzspitze deutete nach oben. „Da findet der Spaß statt!“ Elena sah nach oben und konnte es sich nicht vorstellen. Aber es klang danach als wäre es etwas, das sie ausprobieren sollte. 

Sie sammelten Toivo ein und machten sich auf den Weg hinauf bis knapp unter die Wolkendecke, die, wie Kel den beiden erklärte, die Grenze darstellte. Wer in die Wolken eintauchte, schied automatisch aus. 

Nach und nach sammelten sich immer mehr Drachen. Zum Zusehen und um anzutreten. Auch verteilten sich etliche Drachen auf der Strecke und so langsam erahnte Elena was die Hindernisse waren. Einige der Drachen übten sich schonmal im Feuerspucken, einige holten große Stoffbahnen heraus, um damit die Wettflieger abzufangen und auch einige Metallringe unterschiedlichsten Durchmessers konnte die Drachin ausmachen. Und nachdem Drachen nicht einfach auf der Stelle schweben konnten – „Die Drachen auf der Strecke bewegen sich?“ wollte Elena wissen. „Du kannst davon ausgehen, dass dich jeder auf der Strecke vom Himmel holen will. Oh, bis auf die Drachen mit den Ringen, die du durchfliegen musst. Die versuchen dir auszuweichen.“ bestätigte Kel. Das klang wirklich spannend. „Und ist das genauso geheim wie die Kämpfe?“ wollte Elena wissen, die beobachtete wie die ersten Teilnehmer sich am Startpunkt einfanden. „Das nicht… Aber es ist nicht gerne gesehen. Vor allem nicht die Wetten darauf.“ Die rote Drachin schnappte nach Luft und flog einen längeren Kreis um sich das Ganze noch einmal genau anzusehen. Toivo holte sie ein. „Traust du dich? Meinst du, du schaffst das?“ Elena überlegte kurz. „Ich schaffe es bestimmt, aber garantiert nicht unter die ersten drei.“ Toivo nickte. „Alles klar. Dann auf zu den Teilnehmern, Kel und ich klären den Rest.“ 

Mit Grummeln im Bauch gesellte sich Elena zu den Teilnehmern, von denen zum Glück keiner ein Pläuschchen halten wollte. Jeder zog alleine seine Kreise, bis das Zeichen kam sich an der Startlinie einzufinden. 

Ein Band, gehalten von zwei Drachen markierte die Startlinie, die sich langsam in Richtung der Flugstrecke bewegte. Elena reihte sich zwischen den anderen Drachen ein, die brav und ruhig hinter dem Band herflogen. Einige Sekunden später fiel das Band und die Drachen schossen los. Sofort fiel Elena in die alten Verhaltensweisen zurück die ihr Kel im Wettfliegen mit ihm und Toivo beigebracht hatte. Ihr Kopf stellte um auf Tunnelblick und focusierte sich auf den Drachen der schnell näher kam. Dass einer an ihr vorbeischoss, nahm sie kaum wahr. Sie tauchte unter dem ersten Drachen hindurch, der noch versuchte ihren Kontrahenten aus dem Rennen zu befördern und wich sogleich einem kräftigen Feuerstrahl aus, der von der Seite kam. Da, wieder einer der sie überholte. Und ein weiterer Drache, der sich auf sie stürzen wollte. Doch Elena war zu schnell für ihn. Geübt stieg sie in die Höhe und flog einige Sekunden knapp unter der Wolkendecke entlang, bevor sie im Sturzflug den ersten Ring ansteuerte. 

Sie war so schnell, ausweichen war für den Ringträger nicht möglich. Noch ehe er reagieren konnte hatte die rote Drachin den Ring passiert und ihren Sturzflug geschickt abgefangen. Da, der nächste Ring! Davor noch zwei feuerspeiende Drachen. Schnell flog Elena nach vorne und gewann langsam an Höhe. Den ersten Feuerstrahl bekam sie gar nicht mit, da er einen Kontrahenten traf, der gerade hatte überholen wollen. Noch während dieser nach unten trudelte, war Elena dem zweiten ausgewichen und ging wieder in den Sturzflug über. Eine ausgezeichnete Strategie, die sie sicher durch die Strecke brachte. Nach jedem Ring stieg sie wieder bis kurz unter die Wolkendecke, nur um sich dann im Sturzflug durch die Ringe fallen zu lassen. So schaffte sie es tatsächlich als Fünfte ins Ziel. Kel und Toivo feierten sie lautstark. Fünfte, dafür dass sie das erste Mal an einem Hindernisflug teilgenommen hatte, das war schon was! Toivo freute sich umso mehr, denn er hatte auf sie gewettet und nicht schlecht an der Wette verdient. 

Außer Atem steuerte die siegreiche Drachin den Boden an, um ein wenig zu Verschnaufen. Inzwischen war nur noch wenig Restlicht übrig und in der kleinen Talsenke hatten die Kämpfe begonnen. 

Die Geschwister und Toivo kamen gerade rechtzeitig um den letzten Vorkampf mitzubekommen, bevor die beiden Hauptattraktionen des Abends starten sollten. Jubel erklang als die beiden Kontrahenten in die Arena einliefen und sich positionierten. Kel grinste. „Der sieht ja fast aus wie Vater! Elena, kannst du dir vorstellen dass sich unser Vater eine Übungsrüstung schnappt und an nem illegalen Kampf teilnimmt?“ Elena begann zu kichern doch auf den zweiten Blick auf die Fans des roten Drachen, blieb ihr das Kichern im Halse stecken. „Kel – das IST Vater!“ Toivo und Kel fielen fast die Augen aus dem Kopf als der rote Drache unvermittelt den Kampf mit einem geschickten Prankenhieb begann und sich nicht schlecht schlug. Sein Gegner war zwar jünger, unterschätzte seinen massiven Gegner ein ums andre Mal was die Wendigkeit und die Geschwindigkeit anging. 

Gebannt verfolgten Elena und Kel die Szene. Sie hätten nie gedacht dass ihr Vater sich derart gut in einem Kampf schlagen würde. Doch der Drache teilte ordentlich aus und auch wenn er nicht gewann, hinterließ er nicht nur bei seinen Verwandten Eindruck. 

Als er den Kessel verließ, kündigte der Sprecher schon lautstark einen der beiden Hauptkämpfe des Abends an. „Und heute haben wir zwei besondere Kämpfe für euch – begrüßt mit mir in der Arena einen weitgereisten Drachen der uns hoffentlich zeigt, wie die Dragon Force unser Land schützt – begrüßt mit mir Toivo!“ 

Die zusehenden Drachen brachen in Jubel aus, während Toivo in das kleine Tal hinabflog. Elena sah sich um. Wo war denn ihr Bruder mit einem Mal abgeblieben? Gerade eben war er doch noch neben ihr gewesen? 

Da hörte sie schon wieder die Stimme des Ansagers. „Der Herausforderer ist niemand anderes als sein eigener Cousin und Anwärter der Palastwache – Kel!“ 

Da war er also hin! Elenas Krallen bohrten sich in die Erde. Jetzt wurde es spannend. Würde Kel eine Chance gegen Toivo haben? Klar, auch ihr Bruder hatte bestimmt gut trainiert, aber ob Drachen, die „nur“ einen Wachposten hatten genauso gut trainiert waren wie Drachen, die jederzeit mit einem Kampf rechnen mussten, das wagte Elena doch anzuzweifeln.

Erstmal umtanzten sich die beiden und täzelten nacheinander. Fast schon spielerisch, was zu Unmutsäußerungen der umstehenden Drachen führte, die beiden aber nicht zu interessieren schien. Elena kannte beide gut genug um zu sehen dass sie versuchten die Fähigkeiten und die Stärke ihres Gegenübers abzuschätzen. Die beiden hatten zwar als Kinder schon miteinander gerungen, doch das war schon Jahre her und heute waren beide auf einem komplett anderen Stand.

Schließlich wagte Toivo den ersten Angriff. Lautlos sprang er vor und versuchte seinen Cousin umzuwerfen, dieser wich jedoch geschickt aus und gab dem türkisen Drachen einen harten Klaps mit dem Flügel. Toivo knurrte unwillig und erhob sich in die Lüfte. 

Doch auch der gezielte Feuerstoß juckte Kel nicht im geringsten, da er nur seine Rüstung traf. Blitzschnell sprang der rote Drache nach oben und rammte Toivo seine Schulter in den Magen. 

Hier zeigte sich, dass Toivo durchaus härteres gewohnt war – ohne auch nur zu zucken, schnappte er sich Kels Flügel und schaffte es in einer eleganten Drehung um sich selbst, Schwung aufzunehmen und Kel mit diesem Schwung auf den Boden zu befördern. Als krönenden Abschluss stürzte er sich noch mit seinem vollen Gewicht auf seinen Cousin, sodass Rüstung auf Rüstung knallte. Die Menge hielt den Atem an. Das hatte heftig ausgesehen! 

Doch Kel schien es nichts auszumachen. Er schob Toivo beiseite, stand auf als wäre nichts gewesen und schüttelte sich, bevor er mit einem Sprung seinen Cousin erneut angriff. Gezielt biss er ihm in den Kiefer und schleuderte den Kopf seines Gegners derart beiseite, dass die Zuschauer schon beim zusehen Nackenschmerzen bekamen. Dafür landeten Toivos Krallen an Kels Hals und der rote Drache sprang blitzschnell zurück, nur um seinen Cousin mit einem kräftigen Schwanzhieb von den Beinen zu schleudern. 

Toivo grummelte. Er befand sich in einer Zwickmühle. Er wollte ja durchaus zeigen was er drauf hatte, aber dann würde er Kel wahrscheinlich stark verletzen und in Anbetracht seiner Aufnahme zu den Palastwachen am nächsten Tag, schien das nicht unbedingt eine gute Idee zu sein.

Hier mussten andere Tricks her, die Drachen außenrum begannen schon zu tuscheln. Gut, dann eben mit seiner Spezialfertigkeit. 

Fast schon gemütlich stellte er sich wieder hin und ignorierte den fragenden Blick seines Cousins. 

Über den Drachen begannen sich Gewitterwolken zu bilden, die den hell scheinenden Mond verdeckten. Die Szenerie wurde kurzzeitig so dunkel, dass die Drachen nicht in der Lage waren, ihre eigenen Pfoten auszumachen. Dann zuckten die ersten Blitze über den Himmel und erhellten die Umgebung. Fragende Blicke rings umher. Wo war jetzt auf einmal das Gewitter hergekommen? Und warum kämpften die Drachen nicht mehr? 

Da begann das Symbol, das Toivo auf seiner Rüstung trug, zu glühen. Ein gelber Blitz, auf beiden Seiten der Halsrüstung und die Drachen begannen zu ahnen, wer für die Blitze verantwortlich war. 

Mit einem Mal wurde es auch ganz hell am Boden und alle Drachen sprangen erschrocken zurück. Die Intensität der Blitze hatte zugenommen und Toivo stand inmitten der Blitze, die in kleinem Umkreis um ihn herum auf dem Boden einschlugen. 

Nur ein Blinzeln später schlugen sie knapp vor Kels Pfoten ein und der rote Drache hüpfte erschrocken zurück. So etwas hatte er noch nie erlebt. Doch die Blitze folgten ihm und viel hätte nicht gefehlt und er wäre getroffen worden. Auch wenn Kel nicht genau wusste wie es funktionierte, dass Blitze so gefährlich waren, er wusste zumindest dass sie ihn töten konnten wenn er nicht aufpasste. Und er wusste nicht, ob seine Rüstung ihn zuverlässig schützen würde. „Ich geb auf!“ 

Mit einem Mal hörte es auf zu blitzen und die Wolken verzogen sich genauso schnell wie sie gekommen waren. Die beiden sahen sich kurz in die Augen, ein anerkennendes Nicken und schon machten sie sich in Eintracht auf den Weg aus dem kleinen Tal. Der Kommentator war begeistert. „Und so sieht es also aus wenn die Dragon Force ernst macht! Da können die anderen Reiche gleich einpacken!“ Elena hörte nur mit halbem Ohr hin, denn sie gruselte es gewaltig. Nichts davon hatte Toivo im Kampf mit ihr gezeigt und sie war unglaublich froh darum, dass ihr Cousin sie offenbar nicht als richtige Bedrohung empfunden hatte. Sie hatte schon zuvor von den Spezialfähigkeiten gehört, die nicht wenige Drachen in der Dragon Force hatten, hatte jedoch nie eine gesehen. Sie verstand mit einem Mal,warum diese Fähigkeiten nur im absoluten Ernstfall eingesetzt wurden – wer sowas wie Blitze kontrolliert einsetzen konnte, der hatte im Normalfall eines von zwei Zielen: Beeindrucken, oder im Falle einer Schlacht: Töten. 

„Unser nächster Kampf wird nicht weniger beeindruckend. Auch wenn ich glaube, dass unsere nächsten Kontrahenten keine Spezialfähigkeiten brauchen. Begrüßt mit mir einen der Generäle der Dragon Force. Sein Gegnerin ist niemand als die stellvertretende Kommandantin der Palastwache, Carlien!“ 

Während maximal ein Raunen durch die Reihen ging und den meisten Drachen einfach nur der Mund offenstand, rasten die beiden Drachen schon zum Kampfplatz. Toivo und Kel brachten sich gerade noch mit einem Sprung in Sicherheit, während hinter ihnen schon der Kampf losbrach. Eternity schien zu wissen was für eine Kämpferin er vor sich hatte, denn er hielt sich weder zurück, noch hielt er für irgendwelche Höflichkeiten inne. Seine Pranke stieß die rosane Drachin zurück und sein Schwanz wickelte sich um ihr Hinterbein, um sie zu Fall zu bringen. Doch so leicht war Carlien nicht aus dem Gleichgewicht zu bringen. Blitzschnell fuhr sie herum und biss einmal kräftig in den Schwanz, der sich daraufhin löste. Gleichzeitig verpasste ihr Flügel Eternity einen harten Schlag gegen den Kopf. Der wiederum erhob sich nun in die Lüfte. Nicht hoch, jedoch hoch genug dass er mehr Bewegungsfreiheit hatte. So konnte er auch Carliens Feuerstoß geschickt ausweichen und setzte zu einem minimalen Sturzflug an, gerade genug um sein volles Gewicht einsetzen zu können. Doch die rosa Drachin war ebenso flink wie er und sprang im letzten Moment zur Seite, sodass der General ungebremst in den Boden krachte. In der nächsten Sekunde war er jedoch schon wieder auf den Beinen, denn seine Gegnerin hatte sich einen seiner Flügel gekrallt und schien nicht mehr loslassen zu wollen.

Die Drachen die zusahen, starrten gebannt auf den Kampf. Die Atmosphäre hatte sich komplett gewandelt. Während zuvor eher Spaß und die Hoffnung auf schnelles Geld zu spüren gewesen war, konnte man bei diesem Kampf den Ernst des Ganzen spüren. Hier ging es um mehr als nur um ein bisschen Geld, darum gut dazustehen. Hier ging es um die Ehre sie so eine hohe Anstellung mit sich brachte. Hier ging es um die Kampfstile, die Ausbildung der kämpfenden Parteien, die unterschiedlicher nicht sein konnte. Und nicht zuletzt um die alte Frage, wer mehr drauf hatte – die Drachen aus der Stadt, oder die Drachen aus der Armee. 

Mit jedem Biss, jedem Pfotenhieb wurde die Luft gefühlt dicker, bis das Gefühl entstand, nicht mehr atmen zu können auf Grund der Anspannung, die jeder Drache in seinem Körper spürte. 

Endlich kamen die beiden gegenüber von einander zu stehen. Jeder ahnte dass jetzt nur noch eine letzte Attacke fehlte, um den Gegner zu besiegen. Doch keiner der beiden machte Anstalten anzugreifen. 

Eternity nickte respektvoll und Carlien erhob die Stimme. 

„Ich weiß, ihr wartet alle auf den letzten Schlag, den, der diesen Kampf entscheidet und feststellt wer dem anderen überlegen ist. Aber genau so sollte es nicht sein. Egal ob Stadtwache, Palastwache oder Dragon Force. Wir sind alle aus dem selben Land und dieses und seine Einwohner zu schützen ist unsere Aufgabe. Dabei ist keiner besser oder schlechter als der andere. Einfach nur für unterschiedliche Aufgaben besser oder schlechter geeignet.“ 

Mit diesen Worten verließ sie, sichtlich angeschlagen den Talkessel und breitete ihre Flügel aus. Müde erhob sie sich in die Luft und flog langsam Richtung Stadt. 

Elena und ihre Familie sammelte sich um Eternity, der nicht minder erschöpft war. Er ließ sich nur zu gern von seiner Familie bewundern und beglückwünschen und freute sich besonders darüber, dass sein Bruder voll des Lobes für ihn wahr. So nah waren sie sich seit Jahren schon nicht mehr gewesen. 

Der kleine Trupp entschloss sich, auch in die Stadt zurück zu kehren und sich in die bereitgestellten Nester zu kuscheln. 

So lange es auch dauerte bis sie endlich im Turm angekommen waren, umso schneller waren sie eingeschlafen. Die Eindrücke des Tages und die sportliche Betätigung forderten ihren Tribut und so schliefen die drei Soldaten besonders fest. Speziell Elena war am nächsten Morgen kaum wach zu bekommen. Sie hatte sich am Vorabend zu sehr verausgabt und war auch nach dem langen Schlaf derart müde, dass sie sich schwer tat, eine Pfote vor die andere zu setzen. Kel und Toivo blödelten herum, während die anderen Drachen sich für die Zeremonie fertig machten. In ungewöhnlicher Eintracht wurde die Rüstung von Eternity geputzt und auch Toivo entkam seiner Mutter uns seiner Tante nicht. Nur Kel hatte das Glück dass er ohne Rüstung zur Zeremonie antreten sollte. Genug Zeit für Elena sich den Schlaf aus den Knochen zu schütteln. 

Dennoch, so ganz fit fühlte sie sich nicht, als sie zur Zeremonie aufbrachen. Gefrühstückt hatte sie auch kaum, da ihr die Situation auf den Magen schlug. Die Sache war viel zu groß um sie auf die leichte Schulter zu nehmen. Es fiel zwar auf, dass die rote Drachin in sich gekehrt war, doch schoben es alle auf ihre Müdigkeit. Und Kel war sowieso viel zu aufgeregt als an irgendwas anderes als die Zeremonie zu denken. 

Gemeinsam waren sie aufgebrochen, doch vor dem Palasttor wurden sie getrennt. Kel und noch zwei andere Drachen, die mit ihm ernannt werden würden, sowie deren Ausbilder wurden zuerst herein gebeten und wo anders hingebracht. Die Gäste hingegen wurden direkt in die große Halle gebracht in der die frühen Sonnenstrahlen durch die bunten Fenster tanzten und bunte Muster auf den hellen Boden malten. Elena sah sich genauestens um, während sie hinein geführt und zu ihren Plätzen gebracht wurden. Auch im inneren war die Halle wunderschön gestaltet. Durch die Halle verlief auf dem Steinboden ein dunkelroter Läufer vom Tor bis zu einem Podest, auf dem in der Mitte ein Thron stand, der nicht nur golden glitzerte, sondern auch mit hübschen Edelsteinen verziert war. Neben dem Thron waren genug Platz für jeweils einen Drachen, wie sich zeigte, denn als die Gäste Platz genommen hatten, erschien, flankiert von zwei wichtig aussehenden Drachen ein Menschenmädchen, das dem Aussehen nach kurz davor stand als Erwachsen betitelt zu werden. Die roten, krausen Haare fesselten Elenas Blick nur kurz, denn als sie die beiden Drachen wahrnahm, die sich neben dem Thron platzierten, schnürte es ihr die Kehle zu. Hier würde ihre fröhliche, ungestüme Art gar nichts bewirken, hier galt es die leisen Töne zu treffen. Etwas, was sie noch nie so Recht gekonnt hatte. Allerdings erschien es ihr von ungemeiner Wichtigkeit, dass eine Drachin das Anliegen vorbrachte, denn immerhin ging es um alle weiblichen Drachen in der Dragon Force. 

Feierlich begann die Zeremonie und die drei Anwärter wurden hereingeführt. Erst durfte jeder Ausbilder seinen Schützling in den höchsten Tönen loben und herausstellen warum sein Schützling perfekt für die Palastwache geeignet war, anschließend wurde jeder Drache einzeln gefragt ob er überhaupt wollte und ob er wusste worauf er sich einließ. Elena hörte nur mit halbem Ohr zu. Sie war viel zu nervös. Was wenn das hier nicht klappte? Würde man sie dann aus der Dragon Force schmeißen? So ein Quatsch, schalt sie sich selbst – so schlimm konnte es gar nicht laufen! 

Schließlich stand die Prinzessin von ihrem Thron auf und verkündete mit feierlicher Stimme „So sei es und diese drei Drachen mögen von nun an der Palastwache die Treue geloben!“ Elena wurde eiskalt. Aber da fehlte doch noch etwas! Das schien auch der Prinzessin gerade bewusst zu werden und sie räusperte sich. „Es sei denn jemand hat irgendwelche Einwände. Der möge jetzt vortreten und sprechen oder für immer schweigen!“ 

Vortreten konnte man das was Elena tat nicht gerade nennen. Halb hüpfte, halb flog sie auf den Mittelgang und hätte sich beinahe hingelegt, da sie zusätzlich auch noch über ihre eigenen Pfoten stolperte. Doch sie schaffte es stehen zu bleiben und stand nun nervös atmend im Mittelgang während sie ungläubiges Raunen und Wispern um sich herum wahrnahm. Freundlich machte die Prinzessin einen Schritt auf die nervöse Drachin zu. „Du hast also Einwände?“ fragte sie freundlich und lächelte Elena aufmunternd zu. „J…Ja!“ stammelte Elena. „Ich bin der Meinung, keiner der Anwärter sollte der Palastwache beitreten! Eigentlich…“ sie machte eine kurze Pause um wieder zu Luft zu kommen. „Eigentlich sollte keiner der Drachen in der Palastwache sein dürfen und auch keiner in der Stadtwache!“ Raunen um sie herum, offene Münder und eine der Palastwachen, der sich bedrohlich vor ihr aufbaute. „Ach ja?“ fragte er in harschem Ton und er klang so als hätte er nicht gegen ein zweites Frühstück in Form einer ängstlichen kleinen Drachin. Zum Glück war sie nicht alleine, denn hinter ihr hatten sich Toivo und Eternity aufgebaut, bereit sie zu unterstützen. Elena trappelte nervös mit den Vorderpfoten herum. „Na ja… Sollten denn nicht alle Drachen gleich behandelt werden?“ Der Drache vor ihr legte den Kopf schief. „Was soll der Mist?“ 

Unter ihm spazierte die Prinzessin hindurch und sah zu Elena auf. „Aber die Drachen werden alle gleich behandelt, das ist bei uns sogar im Gesetz festgeschrieben.“ Elena sah nach unten und bemerkte trocken „Na dann verhält sich aber keiner in diesem Land Gesetzestreu.“ Nun hatte sie es geschafft die Prinzessin zu verärgern. „Du wagst es?!“ knurrte diese. „Ohne irgendwelche Beweise?“ „Oh Beweise gibt es genug. Ihr verschließt nur alle die Augen davor.“ erwiderte Elena und gewann an Souveränität zurück. Der Drache vor ihr forderte sie mit einer Pfotenbewegung zur Darlegung ihrer Beweise auf. 

Die Drachin atmete einmal tief durch. „Na ja… So wie ich das hier gesehen hab, sind die Drachen hier frei und können tun und lassen was sie wollen. Jobs nachgehen, eigene Höhlen für sie beziehen, mit Menschen zusammenleben, Kinder großziehen, und so weiter. Auch in Uniform rumhüpfen und diese dann bei Bedarf ablegen.“ Ihr Vater verdrehte die Augen. „Als wenn die Dragon Force das nicht könnte!“ 

„Schwierig.“ meinte seine Tochter und setzte sich hin. „Praktisch gesehen ja. Wer will sie denn auch aufhalten? Wenn sie das wollen würden, könnten sies vermutlich durchsetzen. Aber dann hätten wir ne Menge Drachen dauerhaft mit Rüstung rumlaufen und das soll angeblich anderen Lebewesen ordentlich Angst einjagen.“ Die Prinzessin und die Palastwache sahen sich an. „Ich verstehe das Problem nicht. Dann legen die Drachen einfach die Rüstung ab, nehmen sich ein paar Jahre Zeit für ihre Kinder und gehen dann wieder zurück. So wie alle andren Drachen auch!“ kam es von dem Mädchen. Elena seufzte. „Dachte ich eigentlich auch. Allerdings bin ich, als ich meinem Cousin seine Rüstung nur kurz mopsen wollte, weil ich ausprobieren wollte ob ich darin auch so gefährlich aussehe, ziemlich auf die Schnauze gefallen. Ab gehen die Dinger nimmer, wenn die Zwerge sie einem Drachen erstmal aufgeklebt haben.“ „Aufge… WAS?!“ kam es aus den Reihen der Drachen. „Jup, angepasst, dann direkt auf den Körper geschmiedet und verklebt. Und soweit ich das verstanden habe, ist Erziehungsurlaub auch son Ding das im Wortschatz der Dragon Force nicht vorkommt.“ Der Drache vor Elena schnappte nach Luft. „Ja, aber was… Was machen dann Drachen, die aus der Dragon Force austreten? Zu schwer verletzt sind, zu krank sind oder einfach nicht mehr kämpfen können?“ Elena überlegte kurz. „Ich hab jetzt noch nicht den Einblick um die Frage vollumfänglich zu beantworten. Aber ich schätze mal, das gibt es einfach nicht. Entweder du kannst noch kämpfen oder du bist halt einfach tot.“ „Das… Kann doch nicht sein!“ kam es aus den Reihen der anwesenden Drachen. „So grausam sind wir nicht. Wir töten keine Invaliden. Das machen maximal die Schattendrachen!“ 

Eternity lachte lauthals los. „Und gegen wen, glaubst du, verteidigen wir unsere Grenze?“ fragte er spottend und das Raunen verstummte. Die Augen der Prinzessin wurden kurz groß, bevor sie sich wieder beruhigte. „Das geht so nicht. Alle Drachen sind gleich zu behandeln und ich kann es nicht zulassen dass die Drachen, die unsere Grenzen mit ihrem Leben verteidigen, leben wie in finstren Zeiten! Wir sind ein modernes Land in dem die Kreaturen im Einklang leben! Ich werde mir die Umstände in der Dragon Force höchstpersönlich ansehen und sie den modernen Standards anpassen.“ sie seufzte. „Es tut mir Leid dass ich nicht mehr tun kann, aber ich gebe dir hiermit das Versprechen, dass ich mich um diese Ungerechtigkeit kümmern werde. Hier vor sehr vielen Zeugen. Reicht dir das für den Anfang um deine Aussage von vorhin zurück zu nehmen?“ Elenas Augen wurden groß. „Ich muss sie zurück nehmen?“ Die Prinzessin nickte. „Die Statuten schreiben vor, dass keine Vorbehalte gegen die Palastwache vorliegen dürfen, sonst dürfen sie ihre Arbeit nicht machen.“ Elena zuckte mit den Schultern. „Dann nehme ich meine Worte zurück. Ich habe keine Vorbehalte gegen die Palastwache oder die Anwärter. Mögen sie gute Arbeit leisten und Freude an ihrem wichtigen Posten haben!“ die Drachin wandte sich um und wollte gerade an den ihr zugewiesenen Platz zurückkehren, drehte ihren Kopf aber nochmals und sah die Prinzessin lange an, bevor sie sagte: „Allzu lange würde ich aber nicht warten, Prinzessin. Sonst komme ich wieder und lege die Palastwache lahm. Und alles, wozu ich sonst noch in der Lage bin.“ Die Prinzessin hob fragend eine Augenbraue. „Ist das eine Drohung?“ Ein breites Grinsen erschien auf Elenas Gesicht und ein Funkeln war in ihren Augen wahrzunehmen. „Das ist ein Versprechen.“

Kapitel 5

Die junge Drachin hätte das nicht gedacht gehabt, aber die Vorsprache bei der Prinzessin hatte sie alle Kraft gekostet, die sie gehabt hatte. Und so war sie nicht begeistert davon, dass sie schon am Mittag wieder aufbrechen musste. 

“Wir haben leider nur noch heute frei und wir brauchen mindestens einen halben Tag zurück nach Hause.” teilte ihr Toivo mit Bedauern mit. “Wenn ich mir dich so ansehe, dann wahrscheinlich sogar noch länger.” Elena grummelte. “Könnt ihr nicht einfach sagen ich bin krank geworden und muss nachkommen?” 

Auch Toivo gefiel der Vorschlag und er sah seinen Vater an, der dabei war sich von seiner Familie zu verabschieden. Dieser jedoch seufzte und schüttelte den massiven Kopf. “Tut mir Leid Kleines. Aber ich muss dich gleich mit zurück nehmen. Die Änderungen die du bewirkt hast werden einiges an Unruhe nach sich ziehen und da können weder Toivo noch ich ein Auge darauf haben ob du nun wieder nach Hause kommst oder nicht.” 

Elena murrte und setzte sich auf. “Und wenn ich einfach nicht mehr mitkommen wollen würde?” 

Toivo brach in lautes Gelächter aus und der Rest der Familie stimmte mit ein. Die rote Drachin rollte mit den Augen, sah aber selber ein, dass ihr diese Ausrede keiner abkaufen würde. Also verabschiedete sie sich brav von ihren Verwandten und trat mit Toivo und Eternity den Rückweg zum Stützpunkt im Gebirge an. Müde und übellaunig bemerkte sie nicht einmal dass die beiden sie unterstützten wo sie nur konnten – fast wäre Eternity soweit gewesen sie auf seinem Rücken nach Hause zu tragen. Doch das hätte Elena niemals zugelassen, ganz egal wie müde sie war. Sie war eine Drachensoldatin und die hatte, wenn sie unverletzt war, auch von ihren eigenen Flügeln getragen, zurück zu kehren! 

Und so war sie unglaublich froh, als Toivo sie mit liebevoller Strenge in die die Höhle ihres Teams scheuchte und sie sich dort ungehindert einfach fallen lassen und einschlafen konnte. Zwar hatte sie erholsam geschlafen, doch der tiefe, friedliche Schlaf schien nicht die beste Wahl gewesen zu sein, zumindest nicht den Blicken ihrer Teamkameraden nach zu urteilen, die sie mit unterschiedlichen Gesichtsausdrücken musterten, als sie aufwachte.Elena gähnte. “Was hab ich denn jetzt schon wieder angestellt?” wollte sie wissen. 

“Das würden wir gerne von dir wissen.” kam es trocken von Aluka. “Muss was enormes sein, sonst wäre nicht die gesamte Dragon Force einberufen worden.” meinte Kereno. Seine Worte ließen die Drachin mit einem lauten Quieken aufspringen. “Ich wusste es!” rief Aluka triumphierend. “Wir hätten dich nie alleine in die Hauptstadt fliegen lassen dürfen!” “Sie war nicht allein.” erklang Toivos Stimme vom Höhleneingang. “Reg dich ab Aluka. Sie hatte nicht nur meine Zustimmung zur Aktion, sondern auch die meines Vaters.” 

Das war auf jeden Fall schonmal beruhigend. Wenn ein General seine Zustimmung gegeben hatte, dann war es ja nur halb so schlimm. “Ja, aber was hat sie denn getan?” fragte Tommy aufgeregt und hüpfte mit den Augen bettelnd auf seinen Kommandanten zu. Der lachte nur bedeutete ihnen ihm zu folgen. “Du wirst es früh genug erfahren.” 

Toivo führte sein kleines Team zu jenem Tal,in dem er so erbittert gegen Elena gekämpft hatte. Unten im Tal hatte sich die Führungsriege versammelt und an den Berghängen hatten es sich alle anderen Drachen bequem gemacht. Es war schwierig einen Platz zu finden, aber freundlicherweise machten Rowca und sein Team den Nachzüglern Platz und so hatten diese auch noch ein Plätzchen gefunden. Bequem war es nicht gerade, die ganzen Berghänge im gesamten Tal waren mit Drachen vollgestopft, sodass man keinen Stein mehr sah, sondern nur noch bunte Drachen in ihren Rüstungen. Gerade wollte Elena nachfragen warum sie sich denn alle an den Berghang quetschen mussten, erhob sich der Alte. 

“Dragon Force!” erhob er seine mächtige Stimme und Elena verstand, dass es darum ging dass jeder nicht nur alles hören konnte, sondern auch alles sehen konnte. “Uns stehen einige Veränderungen bevor, die jeden von uns betreffen! Deshalb habe ich euch zusammengerufen, dass ihr alle informiert werdet.” Er holte einmal tief Luft und seine Worte erklangen umso lauter und klarer aus seiner Kehle. “Als die vergangen Tage wieder ein paar Drachen in der Hauptstadt waren, ist wieder einmal der Unterschied zwischen der Dragon Force und den anderen Drachen im Land aufgefallen.” 

Eine kurze Pause wurde der Dramatik wegen eingeschoben. “Mir wurde berichtet, dass die Drachen in der Hauptstadt inzwischen abnehmbare Rüstungen haben!” Ein Raunen ging durch die Reihen und einige der älteren Drachen begannen zu protestieren, wurden vom Alten jedoch schnell wieder zum Schweigen gebracht. “Jedoch gibt es wohl auch seit einigen Jahren ein Gesetz, dass alle Drachen gleich behandelt, und vor allem gut behandelt werden müssen.” Die Ruhe im Tal war beinahe spürbar. Es schien, als würde jeder den Atem anhalten. “Und Dank unsrer bekannten roten Unruhestifterin wurde auf den Missstand aufmerksam gemacht, dass wir unsre Rüstungen bis zum Tode behalten.” Alle Blicke wanderten zu Elena, deren satte rote Farbe gerade um die Schnauze herum mit jeder Sekunde immer mehr verblasste. War ihr vielleicht übel! 

“Um es kurz zu machen – eine der Prinzessinnen hat höchstpersönlich versprochen sich zeitnah darum zu kümmern dass auch wir unsere Rüstungen nicht mehr bis zum Lebensende tragen müssen. Auch habe ich gehört dass die Drachinnen in Zukunft ihre Schlüpflinge selber aufziehen dürfen, wenn sie das denn möchten.” Dieses mal war es schon kein Raunen mehr, sondern die Drachen begannen eine rege Unterhaltung miteinander und der Alte hatte Schwierigkeiten, die aufgeregten Gemüter wieder zu beruhigen. “Leider bedeutet das auch, dass wir die Eidzeremonie dieses Jahr ein wenig später abhalten müssen. Denn bevor wir allen Drachen die neue Rüstung anbieten können,müssen wir erstmal mit den Zwergen klären, wie sie die Rüstungen von uns wieder herunter bekommen.” Zustimmendes Getuschel rundum. “Ich bitte daher alle Anwärter noch um ein wenig Geduld. Ihr bekommt eure Eidzeremonie, wir wissen nur noch nicht genau wann.” Die Anwärter nickten, natürlich würden sie warten. Bei so etwas wichtigem war es doch egal ob sie nun einen Tag früher oder später zum vollwertigen Soldaten ernannt wurden!

Noch bevor der Alte die Versammlung auflösen konnte, erhob sich eine weibliche Stimme aus dem Pulk der Drachen und man sah wie Felicitas den Kopf aus der bunten Masse reckte. “Ihr Drachen, hört mich an!” Alle Blicke wanderten hinüber zu Felicitas und Elenas Schnauze verlor jegliche Farbe. Was hatte sie da nur losgetreten? “Es ist wunderbar, dass wir Drachinnen von nun an unsre Schlüpflinge selber aufziehen können wenn wir das möchten.” begann die grüne Drachin. “Jedoch empfinde ich das als ungerecht jedem liebevollen Drachenvater gegenüber, der seine Schlüpflinge auch erziehen möchte. Und was machen wir wenn sich zwei Drachenmännchen gefunden haben, gerne ein Ei ausbrüten und einen Schlüpfling großziehen möchten? Die wurden bei der Lösung leider nicht bedacht. Deswegen fordere ich gleiches Recht für Drachen und Drachinnen!” Von den Hängen wurden Stimmen laut die über den Vorschlag begeistert waren und der Drachin zustimmten. Abermals hatte es der Alte schwer Ruhe in die Drachenmeute zu bringen. “So sei es!” tönte es aus der alten Drachenkehle, gefolgt von einem rasselnden Husten. “Gleiches Recht für Drachen und Drachinnen!” Mit diesen Worten erhob er sich, gefolgt von seinen Generälen in die Luft und verließ das Tal. 

Die restlichen Drachen waren nicht zu halten. Jubelnd erhoben sie sich in die Lüfte und riefen Felicitas und Elena Dank zu. Selbst Rowca war Ausnahmsweise milde gestimmt. “Das hast du sehr gut gemacht!” der lila Drache schenkte Elena sogar ein echtes Lächeln. “Wenn du so weiter machst, erwarte selbst ich noch großes von dir!” Mit einem Zwinkern erhob er sich in die Luft und ließ Elena und ihr Team zurück.Die rote Drachin öffnete den Mund, doch es kam nichtmal ein Quieken heraus. Sie spürte wie ihr sie Pfoten nachgaben und wäre sie nicht von ihren Teamkameraden gestützt worden, dann wäre sie wohl einfach ins Tal gestürzt. Toivo hatte wirklich Mitleid mit seiner Cousine. Vorsichtig lud er sie auf seinen Rücken. “Die Übelkeit ist bestimmt bald vorbei.” tröstete er sie. “Und ich bin wirklich stolz auf dich. Du hast Veränderungen angestoßen, die wir dringend brauchen. Ich bin froh dass du hier bist!”

Die nächsten Tage verliefen Recht ereignislos. Da die Eidzeremonie verschoben worden war, hieß es für alle Anwärter weiterhin Training und Patrouillienflüge. Das galt natürlich auch für Elena und ihren Trupp. worüber weder die rote Drachin, noch ihre Freunde begeistert waren. “Tagein, Tagaus das selbe.” beschwerte sich Aluka. “Ich verstehe ja, dass nur vereidigte Soldaten zu spannenden Missionen aufbrechen dürfen, aber immer nur hinter der Sicherheitslinie bleiben ist langsam echt nervtötend.” und auch Tommy fiel mit ein. “Kämpfen können wir bereits! Tut mir Leid dir das sagen zu müssen, aber du kannst uns langsam auch nichts mehr breibringen, Kommandant.” 

Toivo seufzte und nickte. Da musste er Tommy Recht geben. Alle seine Tipps und Tricks hatte er ihnen bereits verraten und sogar seine Freunde zum Training dazu geholt, dass seine Rekruten zumindest ein bisschen was neues zu lernen hatten. Selbstverständlich war jeder in der Dragon Force froh, wenn sie nicht in heftige Kämpfe verwickelt waren, aber das musste jeder Rekrut erst lernen. Und gerade sein kleiner Trupp, der von Anfang an so viel miterlebt hatte. Er bekam es ja mit, wie langweilig ihnen war! Elena und Aluka kannten die Strecken, die sie flogen inzwischen so gut, dass sie angefangen hatten, den Büschen und Bäumen Namen zu geben. Mitleidig sah er seinen Trupp an. “Ich weiß. Mir hätte es genauso gestunken wie euch zu warten. Aber Kopf hoch, sowie ich das gehört habe ist fast alles vorbereitet und es dauert nur noch ein oder zwei Tage bis die Rüstungen ausgetauscht werden können.” 

“Dann dauert es aber immer noch bis die Eidzeremonie stattfinden kann!” beschwerte sich Kereno, doch Toivo schüttelte den Kopf. “Die Prinzessin hat dafür gesorgt dass die Schmieden überall im Land stillstehen und alle Schmiede die Rüstungen neu schmieden. Eure Zeremonie sollte in ein bis zwei Wochen sein.” Das klang doch schon vielversprechender und die Vorfreude stahl sich auf die Gesichter der Drachen. Das ließ sich ja noch aushalten! Toivo grinste. “Wie siehts aus? Bereit für einen langweiligen Patroullienflug?” “Ausnahmsweise.” meinte Aluka gnädig und stieß sich vom Boden ab. “Lasst uns unsre Flügelchen trainieren!” 

Die anderen folgten ihm und Toivo überließ einmal mehr Aluka die Führung, der schon zu Anfang mit seinem herausragenden Orientierungsgeschick begeistert hatte. Doch diesmal hatte Toivo von Anfang an beschlossen diesen Flug etwas abwechslungsreicher zu gestalten und warf einen dicken Ast in die Mitte der Formation. Automatisch fing Kereno den Ast mit dem Schwanz auf und warf ihn weiter an Elena. Es war ein beliebter Sport in der Dragon Force, das Spiel “Rückball”. Gespielt werden konnte es mit allem was sich werfen ließ, traditionell wurden davon von Menschen gefertigte Lederbälle hergenommen. Die Regeln waren einfach. Es gab zu beiden Seiten des Spielfeldes Tore in die der Ball hinein befördert werden musste, jedoch nur unter zu Zuhilfenahme des Rückens und des Schwanzes. Weder Kopf, noch Flügel, noch Pfoten durften eingesetzt werden um den Ball den Gegnern abzunehmen und ins Tor zu befördern. Im Gegensatz zu anderen Sportarten war diese hier auch einfach in jeglichen Flug einzubauen, egal was man nun statt des Balles hernahm. Es förderte außerdem auch die Geschicklichkeit und war unter den Drachen ein gern gesehenes Zeichen, dass man es etwas langsamer angehen ließ. Vergnügt tollten die jungen Drachen in der Luft herum, immer darauf bedacht den Ast nicht zu Boden fallen zu lassen und dafür zu sorgen, dass Toivo ihnen den Ast nicht abjagte. Derart abgelenkt durch das Spiel, achtete auch Aluka nicht mehr genau wo sie hinflogen und kam erst wieder zur Vernunft als er einen der Grenzsteine am Boden wahrnahm. 

Die Grenzsteine markierten den dünnen Streifen Land, der als hochgefährliche Zone gab und bei Patroullienflügen niemals überflogen werden durfte. Ab dem Grenzstein stieg die Gefahr enorm, dass man sich Ärger mit den Drachen des Schattenreiches einhandelte – und das galt es zu vermeiden. Zwar hatten die Länder des Feuereiches und des Schattenreiches sich schon sehr lange nicht mehr gegenseitig angegriffen, jedoch waren Informationen im Feueerreich angekommen, nach dem sich das Schattenreich wappnete um im Feuerreich einzufallen. Und auch dass vermehrt Drachenkrieger an der Grenze auftauchen und es immer wieder zu Luftkämpfen kam, deutete stark darauf hin, dass an den Informationen was dran war. Erschrocken packte Aluka den Ast mit den Vorderpfoten und stellte sich in der Luft auf. „Zurück!“ meinte er mit ernster Miene und sein Schwanz deutete auf den Grenzstein unter ihm. Den Rekruten war es aus gutem Grund nicht erllaubt so weit an die Grenze zu fliegen. Man wollte sie nicht gefährden.
Der kleine Trupp wollte gerade abwenden, als ihnen ein lauter Schrei in die Köpfe fuhr. Laut und durchdringend dass der Ton die Wirbelsäule hinabfuhr und sie fast bis zur Schwanzspitze durchdrang. 

“Was… Was war das denn?” fragte Elena verwirrt. So etwas hatte sie noch nie zuvor gehört. Allerdings konnte es nichts gutes sein, so groß wie Toivos Augen wurden. Nur schnell zurück ins sichere Inland! Doch daraus wurde nichts, denn als sie gerade ein paar Flügelschläge gemacht hatten, krachte etwas auf Kerano und hätte ihn beinahe zu Boden gerissen. Ein kurzer Blick und das “etwas” wurde klar als Felicitas erkennbar, der Blut von den Krallen troff und die schon einiges hatte einstecken müssen. Ihr folgte ein dunkelbrauner Drache, unschwer erkennbar aus dem Schattenreich, der sich auf ohne Rücksicht auf Verluste auf seine Gegnerin stürzte und diese weiter attackierte. In der Ferne waren weitere Drachen auszumachen, die sich einen erbitterten Luftkampf lieferten. 

Toivo knurrte und gab seinem Team den Befehl sich in den Kampf einzumischen. Ja, sie würden es ohne Rüstung schwerer haben und eventuell schwere Verletzungen mit nach Hause bringen. Aber die beiden Drachen, die dem Braunen gefolgt waren, zeigte ganz klar dass die Drachen des Feuerreiches in der Unterzahl waren. Und wenn man diese Bestien aus dem Schattenreich nicht an der Grenze abblockte, wer wusste wie weit sie vordringen möchten und welche Schäden sie im Feuerreich anrichten würden? Während sich Tommy zur verletzten Felicitas gesellte, übernahmen Aluka und Kereno die beiden Drachen, die Felicitas Angreifer gefolgt waren und nach einigen Sekunden war ein erbitterter Kampf im Gange. Toivo schnappte sich seine Cousine und flog mit ihr hoch in die Luft, um einen besseren Überblick zu erhalten.  Schnell stellten sie fest, dass ihre Freunde ganz gut mit den Gegnern zurandekamen und sie konzentrierten sich auf den Mittelpunkt des Kampfes, der in einiger Entfernung stattfand. 

Da lief ein zittern durch Elenas ganzen Körper. Dieses orange kannte sie. “Toivo, du kannst dir schnappen wen du willst, aber Grewan gehört mir!” Mit diesen Worten stieß sie aus der Luft herab und verwandelte sich in ein gefährliches Geschoss. Geschickt trennte sie Grewan mit einem Feuerstrahl vom Rest der Gruppe ab. Heute würde sie sich endlich für die verlorene Flügelspannweite rächen können. Auch ohne Rüstung fühlte sie sich überlegen. Sie hatte wirklich hart trainiert und ihr kam nicht in den Sinn, dass sie dem orangenen Schattendrachen nicht gewachsen sein könnte.  Mit Schwung rammte sie ihm Zähne und Klauen in den einen Flügel den sie zu packen bekam und war amüsiert über den kleinen Schrei, der seinem Mund entwich. Schon war sie unter ihm und rammte ihm ihre Hörner und ihren Kopf in den Bauch, sodass dem Schattendrachen erstmal die Luft wegblieb. Doch zu ihrem Kummer erholte er sich schnell und hätte sie beinahe mit seiner Pranke erwischt – in der letzten Sekunde ließ sie sich fallen und wich seinen Klauen aus. Sie flog eine große Kurve um Grewan herum der sie misstrauisch beobachtete, bevor sich Überraschung auf seinem Gesicht breitmachte. “Du!” stieß er hervor und wich Elenas nächster Attacke geschickt aus. “Der rote Kollateralschaden vom Rekrutierungstag!”  “Kollateralschaden?” Das warf Elena so aus der Bahn dass sie seinen nächsten Angriff nicht kommen sah und zu spät auswich. Ein stechender Schmerz in der Schulter. “Kollateralschaden, ich glaub ich spinne!” murmelte sie empört. “Ich bin kein Kollateralschaden! Ich bin Elena!” brüllte sie ihm entgegen und schaffte es ihn am Schwanz zu packen und dort einen wunderschönen Bissabdruck zu hinterlassen. Grimmig lächelnd betrachtete sie ihr Werk und wich Grewans nächstem Angriff mit einem leichten Flügelschlag aus. 

Grewan sah sich um. Die anderen Drachen waren alle in ihre Kämpfe verwickelt, so hatte er die Möglichkeit die Drachin zu fragen, was ihn beschäftigte, seitdem er das Gerücht gehört hatte. Nahe flog er an die junge Drachin heran und tätzelte eher nach ihr, anstatt wirklich zu kämpfen. “Elena also…” Elena war verwirrt. Was sollte denn das werden? Verärgert schob sie seine Pfote beiseite und entfernte sich ein Stück von ihm. Doch Grewan gab nicht auf. Egal wie viele Schleifen sie flog, der Schattendrache rückte ihr immer wieder auf die Pelle und zwar ohne sie anzugreifen. “Was willst du?” fragte sie unwirsch. “Stimmt es dass die Uniformen bei euch ausgewechselt werden? Dass ihr sie dann ablegen könnt wann ihr wollt?” Neugier strahlte aus den Augen des orangenen Drachen. Ach darum ging es! Hatten sich die Gerüchte also schon über die Landesgrenze hinweg verbreitet. Elena drehte sich auf den Rücken und flog ein paar Momente in Rückenlage weiter. Keinerlei Angriffslust Grewans Augen. Wollte er sich wirklich nur unterhalten? “Ja, die Vorbereitungen werden gerade getroffen. In den nächsten Tagen werden die Rüstungen ausgetauscht.” Das war doch bestimmt keine wichtige Information, oder? Wenn man im Schattenreich bereits davon gehört hatte… Und die Schattendrachen hätten das bestimmt auch so bald herausgefunden! Grewan nickte und wollte offensichtlich gerade noch etwas fragen, als er von seinem Truppführer gerufen wurde. “Oh, sieht so aus als würden wir uns zurückziehen!” Grewan schenkte ihr ein Lächeln. “Hast dich gemacht, Kleine. Wird nicht einfach für uns mit so einer fähigen Drachin auf der Feuerseite.” Mit diesen Worten drehte Grewan ab und ließ eine verwunderte Elena zurück. Sie wurde aus diesem Drachen einfach nicht schlau.

Kapitel 6

Auf dem Rückflug überließ Elena das sich Freuen ihren Freunden und dümpelte eher als Schlusslicht hinterher, was keinen zu stören schien. Ja, es schien sogar so zu sein dass ihr keine Beachtung geschenkt wurde – immerhin waren alle damit beschäftigt, voreinander damit anzugeben, wie gut sie im Kampf gewesen waren und wie gekonnt sie die Gegner zurückgeschlagen hatten. 

Dementsprechend sahen sie auch aus und mussten bei ihrer Ankunft als allererstes ihre Wunden versorgen. Wobei sie keinerlei Hilfe duldeten. Immerhin hatten sie auch Schattendrachen erfolgreich in die Flucht geschlagen, wer würde da denn Hilfe brauchen, um sich selber zu verarzten? 

Elena schmierte sich ein wenig Kräuterpaste auf ihre Schulter und beobachtete wie ihre Kameraden sich vor lauter Übermut in spielerische Kämpfe verwickelten. Sie schüttelte den Kopf. Was für Kindsköpfe! Anstatt sich auszuruhen und den Wunden Zeit geben zu verheilen alberten sie hier so rum! 

“Bist du denn gar nicht stolz auf dich? Immerhin hast du dich mit Grewan angelegt!” hörte sie eine Stimme hinter sich und fuhr herum. Hinter ihr hatte es sich Felicitas bequem gemacht und sah dem lustigen Treiben der Rekruten amüsiert zu. 

Unruhig begann Elena mit ihren Pfoten den Boden zu kneten. 

“Aha, irgendwas beschäftigt dich also.” stellte Felicitas fest und sah mit sanften Augen zu Elena hinauf, die gar nicht wusste wohin sie gucken sollte. 

“Meinst du die Schattendrachen wissen dass wir andre Rüstungen kriegen?” brach es aus ihr heraus und die hellgrüne Drachin stutzte einen Augenblick bevor sie herzhaft loslachte. 

“Na ich hoffe es doch! Mögen sie eifersüchtig sein und in ihrer Eifersucht schmoren, dass wir es so viel besser haben als sie!” 

Elena erstarrte und beugte sich vorsichtig hinunter. “Ist das nicht ein bisschen fies?” 

Erneutes Gelächter von Felicitas, welches Elena so vorkam, als würde sie ausgelacht. 

“Schätzchen, die auf der andren Seite der Grenze trachten uns nach dem Leben! Die Schattendrachen wollen uns tot sehen! Da kann man gar nicht fies genug sein!” 

Die grüne Drachin sprang auf. “Jetzt ist’s aber genug Jungs. Zeit sich auszuruhen, die Wunden sollen ja schließlich heilen.” 

“Die Schattendrachen wollen uns tot sehen!”

Der Satz hallte in Elena auch noch einige Tage später nach, als die Wunden schon fast verheilt waren und die Drachen wieder ihre langweiligen Patroullienflüge flogen, zwischen verschiedenen Trainingseinheiten und vergnügtem Spiel. 

Sicher war das zu einem gewissen Teil wahr, aber das kam ihr irgendwie viel zu einfach vor. Viel zu einseitig gedacht. 

Aber nicht nur das waberte durch ihren Kopf wie ein Nebelfetzen, auch hätte sie zu gerne darüber nachgedacht, ob sie wirklich das Richtige tat. Natürlich hatte sie immer in die Dragon Force gewollt, aber jetzt, wo sie so knapp davor war, vereidigt zu werden, lohnte es sich, nochmal einen genauen Blick auf das Für und Wider zu werfen. 

Doch hatte sie nie die nötige Ruhe dazu. Egal was sie tat, irgendwo waren immer andere Drachen, die sie störten, ihr den Raum nahmen, den sie brauchte, um nachdenken zu können. Alle Drachen waren die letzten Tage so lebendig und redselig, so kurz vor der Eidzeremonie. 

In zwei Tagen sollte es soweit sein und alle hatten Gedanken dazu, dass sie laut in die Welt hinausschreien schienen. Auch heute, als sie von ihrer Abendpatroullie zurückkehren. Sie hatten auf dem Rückweg eine andere Patroullie getroffen und wie üblich wurde überall geplaudert, waghalsig geflogen und schiere Lebensfreude versprüht. Elena schien allein mit ihrem Bedürfnis nach Ruhe zu sein. 

Erstaunlicherweise wurde es aber zumindest wahrgenommen, denn Toivo drängte sie ein Stück weit von dem Pulk an Drachen weg und musterte sie. “Dir ist das zu viel und du willst in Ruhe nachdenken?” fragte er geradeheraus und Elena hob nur erschöpft und fragend eine Augenbraue. Toivo grinste. “Familienschicksal. Das wollte bisher noch jeder aus der Familie der sich kurz vor der Eidzeremonie befand. Diese aufgeweckte Atmosphäre ist nicht für jeden etwas, um sich über seine Gefühle klar zu werden.” 

Elenas Gemüt hellte sich auf. Nicht nur dass Toivo es gesehen hatte, er verstand sie auch noch! Ihr Cousin grinste noch breiter. “Du weißt noch wo wir heute langgeflogen sind? Etwas weiter die Grenze entlang findest du einen kleinen Waldsee, grad groß genug, dass ein paar Drachen drinnen baden können. Dort ist es sehr ruhig und normalerweise sind dort um diese Tageszeit keine Drachen, welche dir auf die Nerven gehen können.” Elena sah sich um. Beäugte die anderen Drachen. Sollte sie sich etwa jetzt absondern? “Jetzt flieg schon, um das daheim kümmer ich mich. Aber versprich mir eines.” Der türkise Drache sah seine Cousine ernst an. “Kein Kampf. Wenn du Schattendrachen dort triffst, dann versteckst du dich entweder, oder fliehst.” Die Augen der roten Drachin wurden groß. “Normalerweise sollten dort keine Schattendrachen sein, denn der See liegt auf unsrer Seite der Grenze. Allerdings ist es dort echt schön und so nah wie die Grenze dort langläuft, kann ich nicht mit Sicherheit sagen, dass dort kein Schattendrache ist.” Elena nickte. “Alles klar. Kein Kampf. Maximal verstecken oder flüchten.” Auch wenn sie inzwischen eine gute Kämpferin war, sah sie es ein, dass es sinnlos war jetzt, am Abend nach einem Patroullienflug noch gegen wen antreten zu wollen, der eventuell auch noch besser ausgeruht war als sie. 

Mit einem Nicken entließ ihr Cousin sie und die rote Drachin machte kehrt und flog in Richtung des Sees zurück. Sie glitt durch die Lüfte und fing an, ihre Gedanken zu sammeln, die so verstreut in ihrem Kopf lagen, als hätte ein Orkan darin gewütet. Die Fragen, die sich angesammelt hatten, die Ideen der letzten Tage. Der eigene moralische Kompass, der ihr immer wieder dazwischen quatschte und sie fragte, ob sie im Ernstfall bereit wäre, zur Verteidigung des Landes auch zu töten. 

Da, da lag auf einmal der See unter ihr und Elena schoss hinunter, im Sturzflug auf das Wasser zu. Kurz vor dem Wasser breitete sie die Flügel aus und bremste ab, betrachtete ihr Spiegelbild auf der Oberfläche. Das war also sie. Eine starke, muskulöse Drachin, gestählt, trainiert und bereit jederzeit zu kämpfen, wenn nötig. 

Ein Flügelschlag, und sie ließ sich am Ufer nieder. Erst setzte sie sich hin, dann stand sie wieder auf, ein paar Schritte umhertapsend, nur um sich dann wieder ihr Spiegelbild anzusehen. War das wirklich sie? War es das, was sie hatte werden wollen? 

“Liebeskummer?” hörte sie eine spöttische, aber wohlbekannte Stimme hinter sich. Sie fuhr herum. Grewan! Was machte denn der hier? 

Sie legte den Kopf schief und zögerte einen Moment. Eigentlich war er ja ein Schattendrache. Aber es hatte sich gezeigt, dass man mit ihm wohl reden konnte. Und wer war besser geeignet, ihre Fragen zu beantworten, als ein Drache der Armee, gegen die sie zu kämpfen in zwei Tagen schwören sollte? Einen Versuch war es zumindest wert.

Sie schüttelte den Kopf. “Nein… in zwei Tagen ist die Eidzeremonie.” sie setzte sich. “Und ich möchte meine Gedanken sortieren.” 

Grewan schnaubte spöttisch. “Ach, ist sich das Fräulein Drache nicht sicher, ob sie sich ihre Pfoten im Kampf schmutzig machen will?” Erneutes Kopfschütteln. „Nein, ich bin mir einfach nicht sicher, ob es das Richtige für mich ist.” “Das Richtige?” Grewan war überrascht und setzte sich ebenfalls. “Was ist denn wichtiger und richtiger, als sein Land zu verteidigen?” Er grinste selbstbewusst. “Ich meine – du hast schon mitbekommen, gegen was für fantastische Drachen ihr eure Grenze verteidigen müsst?” Elena verdrehte die Augen. Fantastische Drachen, ja klar. “Ja aber was, wenn ich nicht dafür gemacht bin? Ich meine – dank dir weiß ich, wie schnell man Gliedmaßen verlieren kann, wenn man nicht aufpasst. Und wie schnell man sich verletzen kann, habe ich die letzten Wochen auch schon mitbekommen. Und nicht zu vergessen – man muss nicht nur bereit sein selber sein Leben zu opfern, man muss auch bereit sein zu töten. Und ich bin mir nicht sicher, ob ich es übers Herz bringen würde, einem andren Drachen einfach so die Kehle aufzuschlitzen.” Sie hielt kurz inne. “Hast du schonmal jemanden getötet?” fragte sie, und in ihrer Stimme lag Betrübnis und Neugierde zugleich. 

Der orangene Drache pulte ein Blatt zwischen den Zähnen heraus und meinte beiläufig “Klar, das ist so Standard bei uns. Wir verhandeln gar nicht erst mit unsren Gegnern, wir töten sie einfach alle. Und wenn jemand aus unsren eigenen Reihen nicht gehorcht, dann ist es auch ne Art der Disziplinarmaßnahme, Drachen, die aus der Reihe tanzen, zu töten. Ist ganz normal, jeder vereidigte Drache hat schonmal jemanden getötet.”

Elena hielt den Atem an und hätte sie die Augen noch weiter aufgerissen, wären bestimmt ihre Augen aus den Höhlen gefallen. Grewan konnte sich nicht mehr halten und brach in lautes Gelächter aus. “Vogelhirn! Du glaubst auch alles, was man dir erzählt, oder?” Beleidigt rollte Elena den Schwanz um ihre Pfoten. „Ja, woher soll ich wissen, was bei euch so abläuft? Ich kenn halt auch nur das was mir andre an Gerüchten erzählen!” 

Der orangene Drache stoppte und wurde wieder Ernst. “Aber du musst schon lernen, die Gerüchte nach Sinnhaftigkeit zu hinterfragen. Ein bisschen Logik, wenn ich bitten darf. Überleg mal. Wenn die Drachenarmeen wirklich so blutrünstig und mörderisch wären, dann wären bald mal keine Drachen mehr übrig, welche die Grenze sichern und im Notfall kämpfen können. Da macht es doch nicht wirklich Sinn eine Blutfehde anzufangen.” Elena sah ihr Gegenüber misstrauisch an. “Aber du bist am Rekrutierungskampf gekommen um Tommy umzubringen.” “Das war was persönliches, das hatte nichts mit der Armee zu tun.” 

Die rote Drachin überlegte kurz. “Du wolltest einen Rekruten umbringen, der an dem Tag da war, um sich mustern zu lassen. Was kann Tommy denn schon angestellt haben, dass du ihn umbringen wolltest?” Grewan knurrte. “Nicht er, Vogelhirn. Sein Vater!” Der orangene Drache krallte in den Boden und Elena konnte sehen, dass seine Wut auf den General noch immer sehr stark war. “Aber ich verspreche dir, auch unter uns Schattendrachen wird das Leben als kostbar erachtet. Ja, wir sind bestimmt um einiges grausamer als die verweichlichten Feuerdrachen, aber auch wir spielen nicht leichtfertig mit dem Leben unserer Artgenossen. Und zu deiner Frage – Nein, dank dir kam ich noch nicht dazu, einen Drachen zu töten. Ich kann dir also nicht sagen, ob es schlimm ist, jemandem das Leben zu nehmen.” Mit einem Mal sank er in sich zusammen. “Ich kann dir nur berichten, dass es schlimm ist, wenn du zusehen musst, wie ein andrer jemandem, der dir wichtig ist, das Leben nimmt.”

Die rote Drachin stand auf und ging ein Stückchen näher an Grewan heran. Sie legte sich auf den Boden und sah ihn von unten herauf an, studierte sein von Trauer gezeichnetes Gesicht. “Was ist?” fauchte der orange Drache nach ein paar Minuten ungehalten. “Dann sind Verbrennungen und Kratzer eher das, was ich fürchten muss?” “Wenn du auf deine Flügel und deine Beinchen aufpasst, dann ja. Und vergiss nicht, auf deinen Schwanz aufzupassen. Mit einem Stummelschwanz kann man nicht mehr so schnelle Wendungen machen.” 

Der Unterkiefer der roten Drachin klappte nach unten und holte Grewan aus seiner schlechten Laune heraus. Mit dieser Drachin in der Nähe konnte er einfach nicht lange schlecht drauf sein. Sie war so herrlich naiv und schnitt unabsichtlich die lustigsten Grimassen. 

“Es gibt Drachen mit Stummschwänzen?“ Grewan verdrehte die Augen und klappte den aufgerissenen Mund wieder zu. “Nicht auf natürliche Weise. Aber wir haben einen alten Drachen in der Armee, der hat einen Großteil seines Schwanzes in einem Kampf verloren. Er trainiert inzwischen die Rekruten und ist nur noch selten bei Patroullienflügen dabei, denn er ist nicht mehr wendig genug, um ungeschoren aus einem Kampf herauszukommen.” 

Grewan ließ sich neben Elena nieder und klappte die Vorderpfoten ein, um zu zeigen, dass er nicht vorhatte, in irgendeiner Weise eine Bedrohung für sie zu sein. “War das alles, was dich beschäftigt?” Elena schüttelte den Kopf. “Wie kann ich mir sicher sein, dass ich mein Leben wirklich der Armee widmen will? Also ich weiß schon, dass ich keine Kinder will. Zu anstrengend. Aber… Die Dragon Force ist eine ähnlich verpflichtende Bindung und mindestens genauso nervenaufreibend und wesentlich gefährlicher! Wie kann ich mir sicher sein, dass ich nicht irgendwann mal sage: “So, jetzt ist es genug, ich hab keine Lust mehr?” und dann kann ich aber nicht einfach so gehen. Immerhin verlässt sich die Dragon Force auf mich!” 

Grewan lächelte. “Schonmal einen Senior in der Dragon Force gesehen?” Die rote Drachin überlegte kurz. “Also einen Alten haben wir, der will einfach nicht gehen. Aber sonst…” in ihrem Gesicht zeichnete sich Traurigkeit ab. “… sind alle bereits gestorben.” Der orangene Drache stutzte kurz und lachte dann lauthals los. “Also ich glaube, wir haben es weitaus schlechter als ihr, was die Regelungen angeht. Und selbst bei uns gibt es Rentner und Drachen, die irgendwann nicht mehr kämpfen.” Er schmunzelte. “Nur ist es bei uns so, dass diese Drachen noch zu anderen Diensten herangezogen werden. Sie arbeiten dann bei den Zwergen oder eben in anderen Aufgaben, wie zum Beispiel in der Nahrungsbereitstellung. Aber nachdem ihr es besser habt als wir, so sagen zumindest die Gerüchte, gehe ich davon aus, dass man nach seiner Zeit bei der Dragon Force einfach ein gemütliches Leben als Rentner lebt. Allerdings, ob man einfach gehen kann, wenn man feststellt, dass das Ganze nichts für einen ist, das weiß ich nicht. Mir ist nur der Fall eines eurer Drachen bekannt, der sich in ein andres Land abgesetzt hat, als er aufs Kämpfen keine Lust mehr hatte.” 

Elena stockte der Atem. “WIE BITTE?!”   

Grewan grinste breit. “Was erzählen die euch eigentlich in der Dragon Force?” fragte er amüsiert. “Bei uns ist die Geschichte bestens bekannt, versehen mit der Drohung, dass wir uns sowas nicht einfallen lassen brauchen, denn dann würden keine Landesgrenzen mehr gelten und wir würden verfolgt und zurück gezerrt werden.” Die rote Drachin schnappte nach Luft. Wenn sie nachher heimkommen würde, würde sie dringend mit Toivo und Onkel Eternity sprechen müssen. Sie rutschte etwas näher an Grewan heran, sodass sie direkt neben ihm lag. “Also, mir liegt es fern, eine Bedrohung für dich sein zu wollen oder dir erzählen zu wollen wo du dich aufhältst oder nicht, aber – du weißt schon, dass das hier Feuer Territorium ist?” fragte sie freundlich. “Also nicht, dass dich das interessieren wird, so wie ich dich kenne.” fügte sie spottend hinzu. Sie sah den orangenen Drachen an und entdeckte das erste Mal, seit sie ihn gesehen hatte, Angst in seinem Gesicht. “Der See ist sehr wichtig für mich, bitte nimm mir das nicht weg. Bitte verrat mich nicht!” Elena grinste und ein Hochgefühl der Macht stieg in ihr auf. “Nur wenn du mir erzählst warum er so wichtig für dich ist!” forderte sie.

“Ich bin hier geschlüpft.”

Elena stockte abermals der Atem. Das wurde ja immer noch verrückter. “Dann… Bist du ja eigentlich ein Feuerdrache! Was machst du dann bei den Schattendrachen?!” fragte sie verwirrt und beobachtete wie sich Grewans Gesicht abermals verfinsterte. Er sah zur Seite und Elena stupste ihn vorsichtig mit dem Flügel an. “Komm schon. Ich hab dir vertraut – jetzt kannst du mir vertrauen. Dein Geheimnis ist bei mir sicher, ich sorg dafür, dass du immer wieder hierher kommen kannst.” 

Grean zögerte noch etwas, fing dann aber an, ihr seine Geschichte zu erzählen und Elena lauschte gespannt. “Ich bin hier, dort drüben in einem Erdloch unter diesem Gebüsch geschlüpft.” Er deutete mit seinem Schwanz in Richtung des Gebüsches. “Als ich aus dem Ei kam, war ich erstmal ganz alleine. Meine Mutter kam erst nach einiger Zeit vorbei, um nach mir zu sehen und mich zu füttern. Ich weiß nicht, wie lange das so ging, aber ich hatte eine wundervolle Zeit hier am See. Meine Mutter und mein Vater kamen mich immer mal wieder besuchen, immer wenn sie die Zeit hatten. Mein Vater muss in der Dragon Force gewesen sein, denn er trug eine Rüstung. Meine Mutter hatte keine und war immer sehr bedacht darauf, dass uns niemand finden würde. Ich hörte sie einmal sagen, dass sie vorsichtig sein müsste, würde uns jemand entdecken, würde es den Tod für uns alle bedeuten.” Grewan seufzte. “Meine Mutter war genauso schön orange wie ich, mein Vater war ein gelber Drache. Beide hatten mich sehr lieb, auch wenn sie nie viel Zeit für mich hatten. Aber das machte nichts, denn ich hatte ja viel Platz zu spielen und den Wald zu erkunden, langweilig wurde es mit nicht. Immer wieder haben sie mir versprochen, dass wir bald als Familie zusammenleben können. Doch der Tag kam nie. Denn an einem Tag, mein Vater hatte sich verspätet, tauchte plötzlich ein anderer Drache hier am See auf. Er wartete geduldig darauf, dass meine Mutter auftauchte. Ich saß verängstigt in einem der Büsche und konnte den Drachen studieren. Von tiefer, lilaner Farbe war er und trug eindeutig das Emblem des Feuereiches auf seiner Rüstung. Als meine Mutter dann kam, brannten sich noch seine Stimme und Sprechweise in mein Gedächtnis. Er beschuldigte meine Mutter eine Spionin zu sein, und meinte er Sorge dafür, dass sie nie wieder Geheimnisse des Feuerreiches stehlen würde. Noch bevor sie sich verteidigen konnte, brachte er sie um und versenkte ihre Leiche im See.
Mit sich selber sehr zufrieden flog er wieder fort. Ich traute mich nicht, mich zu bewegen und wartete auf meinen Vater. Die Zeit verging und es wurde immer später, aber mein Vater kam nicht. Dafür jedoch Drachen des Schattenreiches, die eine Rekrutin von ihnen suchten. Einer von ihnen war ebenfalls gelb und ich hielt ihn im ersten Moment für meinen Vater. Er war es nicht, wie sich später herausstellte, aber dafür war meine Mutter die gesuchte Rekrutin. Deshalb nahmen die Schattendrachen mich mit und sorgten dafür, dass ich aufgezogen wurde und für den Eintritt in die Dragon Force garantierten sie mir, dass ich mich am Mörder meiner Mutter rächen können würde.” 

Elena hatte ruhig zugehört und es war nicht so, als würde ihr Grewan nicht Leid tun. Aber Tommy war ihr Freund und sie würde es nicht zulassen, dass ihn der orangene Schattendrache umbringen würde. “Heißt das, sie haben dich aktiv unterstützt am Rekrutierungstag?” fragte sie mit ruhiger Stimme. “Ja, das war ja die Abmachung. Ich hatte es mir in den Kopf gesetzt, dass ich dem Drachen, der mir meine Mutter genommen hatte, etwas wegnehmen würde, was ihm genauso viel bedeutete. Deswegen hatte ich es auf deinen Freund abgesehen. Tommy, so heißt er doch, nicht wahr? Aber dann kamst du mir dazwischen. Meine einzige Chance auf Rache. Die hast du zerstört.” 

Wütend kam die Anschuldigung. Er spuckte sie aus und Elena sah Schmerz, Wut und Verzweiflung in seinen Augen. Und sie wunderte sich. “Und da bist du so ruhig und auch noch so freundlich zu mir?” Sie fand die Beherrschung wirklich erstaunlich und überlegte, ob sie an Grewans Stelle so ruhig bleiben könnte. 

Der orangene Drache lächelte. “Nun ja, du wusstest davon ja nichts, also trifft dich da überhaupt keine Schuld. Außerdem mag ich dich irgendwie. Du bist dezent verrückt und du bist lustig. War bestimmt lustig dich auszubilden, von dem was ich gehört hab.” Die Traurigkeit schien ein wenig zu weichen und Grewan stand auf. “Und nachdem Tommy in der Armee aufgenommen wurde, hab ich mitbekommen, das General Aaron nicht so sehr an seinem Sohn hängt, wie ich es gehofft hatte. Also wird ihn Tommys Tod nicht so sehr treffen, dass meine Rachegelüste damit befriedigt werden.” Er streckte sich. “Aber ich finde schon noch eine Möglichkeit, mich an ihm zu rächen.” 

Die orangenen Flügel wurden ausgebreitet. “Mach dir keine so großen Sorgen ob du in die Dragon Force passt, Elena.” meinte Grewan mit einem traurigen Lächeln. “Erstens ist nicht alles so schwarz und grausam wie es dir vorkommen mag und zweitens bin ich mir sicher, dass du das, was nicht zu dir passen wird, passend für dich machst.” Der Drache erhob sich in die Luft. “Außerdem würde ich dich vermissen, wenn du nicht der Dragon Force beitrittst!” 

Elena sah ihm noch eine Weile nach und sah dann in den Sternenhimmel. Inzwischen war es Nacht geworden. Doch was sie erfahren hatte, das war wichtig. Ihre Pläne ließen keinen Aufschub zu. 

Sie stand auf und startete mit einem gekonnten Sprung in die Lüfte. So schnell ihre Flügel sie trugen, kehrte sie zurück, dorthin wo sie aktuell zuhause war. Toivo hatte sein Versprechen gehalten, denn niemand sprach Elena darauf an, wo sie gewesen war, oder was sie so spät alleine draußen machte. So fiel es ihr nur noch schwerer, ihren Cousin aus seinem wohlverdienten Schlaf zu reißen – doch es musste sein. Selbstbewusst spazierte sie in die Höhle, in der Toivo zur Zeit noch schlief und weckte ihn unsanft. 

Der türkise Drache sah auf und sah seine Cousine verwundert an, die mit einem strengen und unerbittlichen Gesichtsausdruck auf ihn herunter sah. “Komm mit.” “Mensch du Irre, hat das keine Zeit bis morgen?” Ungeduldig packte die rote Drachin ihn am Horn und zerrte ihn hoch. “Offensichtlich nicht.” grummelte Toivo und folgte Elena nach draußen und hinein in die Höhle ihres Onkels. Als General hatte er das Privileg einer gemütlichen Einzelhöhle, die geräumig und abgelegen war, ein ideales Plätzchen um wichtige Informationen auszutauschen. 

Auch Eternity hatte sich gerade eben erst hingelegt und war nicht gerade begeistert, von seiner Nichte genauso unsanft wie sein Sohn geweckt zu werden. “An deiner Definition von Respekt müssen wir noch arbeiten.” murrte er, setzte sich jedoch auf. “Was gibt es?” 

“Was macht das Feuerreich mit Drachen, die zu alt zum kämpfen sind?” fragte Elena ernst. Angst stand ihr ins Gesicht geschrieben. Hatte sie die Prinzessin etwa ohne es zu wollen angelogen? Toivo seufzte. “Ich hatte dir gesagt, das kommt irgendwann noch auf uns zu.” Eternity rollte mit den Augen. “Gehts dir um das, was du damals im Schloss gesagt hast?” Elena nickte. “Ach Kindchen.” Eternity ließ sich wieder hinfallen. “Selbst die Prinzessin weiß, dass die Drachen bei uns nicht ewig in der Armee bleiben. Ja, Invaliden, die zu schwer verletzt sind, bei denen sorgen wir selber für einen kurzen, schmerzlosen Tod. Aber es gibt durchaus Drachen, die zu alt zum kämpfen sind, die ziehen meistens irgendwo an die Küste und haben ein schönes Restleben dort. Macht nur keiner son großes Geschrei drum wie du.” Er wollte schon in den Schlaf zurückkehren, doch Elena ließ nicht locker. “Und was ist mit Drachen, die zum Beispiel einen Flügel verlieren und nicht mehr fliegen können? Oder Drachen, die nach der Eidzeremonie feststellen, dass die Armee doch nichts für sie ist?” aufgeregt kneteten ihre Pfoten den Boden. Toivo legte den Kopf schief. “Sowas gibts bei uns doch gar nicht. Ich meine… Überleg mal! Dann hätten wir die Invaliden doch gesehen. Und ein Drache ohne Flügel ist doch kein Drache. Was will der noch unter den Lebenden? Was soll der machen? Durch die Gegend laufen?” 

Eternity seufzte. “Kind, du machst mich fertig.” Sah so aus, als gäbe es keinen Schlaf heute für ihn und so setzte er sich erneut auf. Er grummelte zu Toivo. “Also von dir hätte ich echt mehr Sensibilität erwartet und dass du dein Hirn anstrengst.”  Toivo zog eine Augenbraue fragend nach oben. “Natürlich gibt es Drachen die aus der Dragon Force wieder ausscheiden. Ob nun verletzt oder unverletzt. Himmel, wir hatten sogar schon Drachen da, die nur ein paar Jahre ihren Dienst getan haben und dann zu den Sportlern gewechselt sind. Aber das hängen wir natürlich nicht an die große Glocke. Wie sieht das denn aus, wenn das bekannt würde, dass wir so locker mit unseren Kämpfern umgehen? Dann nimmt uns doch keiner mehr Ernst!” 

Elena fiel ein riesen Stein vom Herzen. Die Dragon Force bedeutete doch nicht, dass man für immer hier gefangen war! Da fiel ihr etwas auf. “Eh… Aber warte Mal… Wieso hab ich dann noch nirgends Drachen mit Rüstungen außerhalb der Dragon Force oder der Hauptstadt rumlaufen sehen?” fragte sie misstrauisch. Eternity sah sie müde an. “Na ja, das ist der Preis dafür, dass du aus der Dragon Force ausscheidest. Du kannst dich nicht mehr so frei bewegen und bist dazu verpflichtet, dich an nur wenigen Orten im Königreich aufzuhalten, um den Lebewesen keine Angst zu machen. Gehst du zum Sportteam, dann wird es immer damit erklärt, dass die Drachen halt von der Dragon Force abberufen wurden, auf Grund ihres unglaublichen Talents. und dass sie ihre Rüstung noch tragen, das ist, weil sie ihren Kameraden trotzdem noch Tribut zollen.” 

Elena nickte und auch Toivo fand das einleuchtend. “Bleibt nur noch eine Frage offen: Was ist dieses ominöse Sportteam?” fragte die rote Drachin. Sie konnte sich darunter einfach nichts vorstellen. Toivo und Eternity sahen einander ungläubig an. Das konnte doch nicht wahr sein! Toivo fragte ungläubig: “Hat dir Tante Jamie nie davon erzählt, dass wir Drachen auch Sport machen? Dass alle drei Jahre eine Meisterschaft stattfindet, zu der sich alle Länder im Wasserreich treffen, um sich zu messen und herauszufinden, wer die sportlichsten Drachen hat?” Tante Jamie? Elena schüttelte verwirrt den Kopf. “Warum sollte Mama mir das erzählt haben?” Eternity klappte die Kinnlade herunter und auch sein Sohn konnte es nicht fassen. “Weil deine Mutter früher, noch bevor du geboren wurdest, selber zum Sportteam gehört hat! Ich erinnere mich noch, wie wir alle zusammen mehrmals ins Wasserreich gereist sind, um zuzusehen und sie anzufeuern!” “Mama ist was?!” Elena fiel aus allen Wolken, ebenso wie ihr Onkel und ihr Cousin. “Aber warum hat sie mir nie davon erzählt?” fragte die rote Drachin erschüttert und in Eternity stieg eine Erinnerung auf. “Ich erinnere mich, als dein Ei geboren wurde, waren alle so begeistert, dass sie noch einen Versuch wagte und ein weiteres Kind bekam. Immerhin war Kel von der sportlichen Seite her eine Enttäuschung gewesen und hat nie den hohen Ansprüchen der Lehrmeister genügt… Und kurz darauf hörte man Gerüchte, dass eine der wertvollen Sportdrachen verschwunden war… Unauffindbar… Und kurz darauf sind Jamie und Vagn an die Küste gezogen, ganz weit weg von allen möglichen Lebewesen. Jamie sagte damals, sie habe den Trubel satt und wolle ihre Tochter einfach in Ruhe aufziehen. Ich hatte mich damals schon gefragt, wie sie es geschafft hatte, dass man sie einfach gehen ließ, denn sie war wirklich gut und Ersatz für sie zu finden muss sehr schwierig gewesen sein.”

Elena schluckte und Toivo schnaubte ungläubig. “Tante Jamie hat sich einfach verdrückt?!” “Ja… Aber…” die rote Drachin versuchte die Worte in ihrem Kopf zu sortieren. “Warum überlegen sich Mama und Papa dann, in die Hauptstadt zu ziehen? Wird sie dann nicht angeklagt wegen… Entfernung vom Dienst oder irgendsowas?”  Eternity schüttelte den Kopf. “Das ist jetzt so lange her, keiner erkennt Jamie mehr. Vor allem, weil sie damals unter einem anderen Namen bekannt war. Nur ihre engsten Vertrauten nannten sie damals Jamie. Denn eigentlich war das ihr unbekannter zweiter Name.” 

Elena sank in sich zusammen, erleichtert und erschrocken zugleich. “Und wie heißt meine Mama mit erstem Namen?” “Justina.” kam es von Toivo, der sich wieder gefangen hatte. 

Eternity sah die beiden mit ernstem Blick an. “Euch beiden ist bewusst, dass Jamie in riesige Schwierigkeiten kommt, wenn das rauskommt? Ihr dürft niemandem ein Sterbenswörtchen davon erzählen!” Toivo und Elena sahen einander an und nickten. “Das ist unser Familiengeheimnis.” sagte Elena feierlich und Toivo grinste. “Jede Familie braucht doch ein Geheimnis!” Eternity grinste und sah stolz von Toivo zu Elena. Ja, doch, die beiden hatten sich hervorragend zusammen gerauft. 

„Apropos Familiengeheimnis!” fiel es Elena wieder ein. “Ich weiß jetzt warum Grewan Tommy am Rekrutierungstag umbringen wollte!” Erneut wechselten Toivo und Eternity Blicke. Diese Nacht wurde nicht nur länger und länger, es wurden auch immer mehr Geheimnisse aufgedeckt. Wie viele Geheimnisse würden ihre Schultern noch tragen können? “Und… woher genau weißt du das?” fragte Toivo vorsichtig, darauf gefasst, dass Elena irgendetwas aus der Gerüchteküche aufgeschnappt hatte. “Woher?” Elena grummelte. „Ja, woher wohl! Von Grewan natürlich!” 

Diese Antwort erschütterte die beiden Drachen so derart, dass beide hintenüber fielen. “Jetzt stellt euch nicht so an!” fauchte Elena erbost. “Ich hab ja nicht das Feuerreich verraten! Ich hatte nur einen kleinen, gemütlichen Plausch mit dem orangenen Drachen, der im übrigen auch sehr nett sein kann.” “Du…” stammelte Eternity. “Du hattest einen kleinen Plausch mit einem Drachen, der als einer der blutrünstigsten Drachen der Schattenarmee bekannt ist?” Elena nickte bestimmt, ignorierend was ihren Verwandten ins Gesicht geschrieben stand. Nämlich die Frage, ob sie noch ganz bei Sinnen war und wie zum Teufel sie die Begegnung mit diesem Drachen unbeschadet überstanden hatte. “Ja, und er hat gesagt, dass er mich mag. Und traurig wäre, würde ich nicht der Dragon Force beitreten!” fügte die rote Drachin selbstsicher hinzu und sonnte sich in der Erinnerung an die netten Worte. 

Toivo und Eternity waren knapp davor Elena zu für verrückt zu erklären und sie zum Arzt zu bringen, entschieden sich jedoch dagegen. Lieber erstmal hören, was die Irre da zu berichten hatte. 

Und zu berichten hatte sie viel. Sie gab Grewans Geschichte wieder, ohne zu verraten, dass der Drache oft an dem See war, an dem er geboren worden war. Sie schloss mit den Worten “Aber Tommy ist nicht mehr in Gefahr. Hat Grewan selber gesagt, dass er gesehn hat, dass Tommy für General Aaron wohl keine große Bedeutung hat und er sich deswegen einen andren Weg suchen muss, sich zu rächen.” 

Toivo schnaubte ungläubig und lachte herzhaft. “Da hast du dich aber ordentlich an der Nase herumführen lassen, Kleines! Was für eine Geschichte!” Doch sein Vater brachte ihn zum Schweigen. Mit einer Stimme, die eine ungeahnte Trauer mit sich führte und einem Gesichtsausdruck der auch Elena und Toivo fast zum Weinen gebracht hätte, sagte er: “Grewans Geschichte ist war. Und ich möchte nie wieder von dir hören, dass du diesen Drachen einen Lügner nennst, meinen Sohn.” Verunsichert nickte Toivo. “Bitte geht jetzt zu ihr beiden. Was von dieser Nacht noch übrig ist, sollten wir alle nutzen, um noch etwas Schlaf zu bekommen.” 

So höflich, wie sie aus der Höhle hinaus geschmissen worden waren, zogen sich Toivo und Elena zurück. “Was weiß mein Vater nur, was er nicht sagen will?” fragte sich Toivo und Elena zuckte hilflos mit den Schultern. “Ich kann es dir nicht sagen. Aber ich denke, er wird es uns dann mitteilen, wenn er so weit ist. Wir sollten uns zuerst einmal auf die Eidzeremonie konzentrieren, bevor wir uns über irgendwelche Geheimnisse Gedanken machen!” 

Das hellte Toivos Stimmung auf. “Das heißt, du trittst der Dragon Force bei?” fragte er erfreut und Elena nickte. “Bei all dem, was hier so los ist, wärs mir woanders glaub viel zu langweilig. Abgesehen davon gibts bestimmt noch viele Geheimnisse aufzudecken!”

Kapitel 7

Einen Tag noch bevor die Eidzeremonie anstand. Der Gedanke schlich sich durch Elenas Gehirnwindungen, während sie noch dabei war aufzuwachen. Um sie herum Gähnen, sich streckende Drachen und leises Geplänkel zwischen Aluka und Kereno, die sich bereits ausmalten, wie es war, heute Abend die Rüstungen angepasst zu bekommen. 

Man hatte den kleinen Trupp heute extra lang schlafen lassen, dass sie in der Nacht wachbleiben konnten – mehr hatte ihnen keiner verraten. Tommy hatte ihnen allerlei interessantes über die Eidzeremonie erzählen können, aber wie die Drachen zu ihren Rüstungen kamen, darüber wurde nichts erzählt. Das war irgendsoein seltsames, geheimes Ritual, über das Stillschweigen bewahrt wurde. 

“Tommy, bist du so weit?” Im Höhleneingang stand Rowca, der seinen kleinen Bruder tatsächlich liebevoll ansah, so wie Elena das durch ihre halb geöffneten Augenlider wahrnehmen konnte. Rowca und liebevoll? Etwas, das nicht wirklich zusammen passte, zumindest wenn es nach ihr ging. Als sie sich nochmal umdrehte, um den freigewordenen Platz zum Strecken zu nutzen, bemerkte sie, dass auch Aluka und Kereno abgeholt wurden. Zu ihrem großen Bedauern hatte Aluka Toivo als Begleitung für diesen wichtigen Abend bekommen. Wieso bekam denn bitte Tommy seinen Bruder und sie durfte keinen Verwandten dabei haben? Das war irgendwie gemein! 

Sie stand auf und schüttelte den Schlaf aus ihren Knochen, als sie eine ihr bekannte Stimme hörte. “Ist alles vorbereitet?” Das war ja Felicitas! War es etwa aufgefallen, dass sie die grüne Drachin mochte? Ach was dachte sie da vor sich hin, natürlich war das aufgefallen dass Elena sie regelrecht anhimmelte. Die grüne Kampfheldin, die sich gegen alle andren Drachen durchzusetzen wusste, jedoch immer den richtigen Ton traf und und edel und anmutig wirkte, wie kein andrer Drache das schaffte. Da brauchte sich Elena keine Illusion machen – für alle in ihrer Umgebung war sie nicht ansatzweise so geheimnisvoll wie sie gerne gewesen wäre. 

Die rote Drachin steckte den Kopf aus der Schlafhöhle und linste um die Ecke. Ja, das Felicitas, und eine andere Drachin, die auf dem Absatz kehrt gemacht hatte. Felicitas musste schmunzeln. “Ah, da ist jemand schon neugierig, nicht wahr?” Natürlich war sie das! “Und wie! Da machen ja alle soooo ein Geheimnis daraus, was jetzt dann passiert, wie kann ich da nicht neugierig sein?” Felicitas lachte ihr glockenhelles, ansteckendes Lachen und drehte sich elegant in dem engen Gang um. “Dann sollten wir keine Zeit verlieren und uns auf den Weg machen!” Elena folgte ihr neugierig und gut gelaunt. “Darfst du mir denn schon irgendwas im Vorfeld verraten?” Felicitas schüttelte den Kopf. “Leider nicht, es ist wichtig, dass kein Anwärter weiß, was auf ihn zukommt.” Elena legte den Kopf schief. “Dementsprechend darf ich auch mit keinem Außenstehenden darüber sprechen, was heute Abend und Nacht passiert?” Felicitas grinste und lotste ihren Schützling durch die Gänge zu einem anderen Ausgang, den die rote Drachin zuvor noch nie bemerkt hatte. “Ein schlaues Köpfchen bist du auf jeden Fall. Ungewöhnlich, aber sehr schlau. Du hast mit deiner Vermutung Recht. Heißt, das brauchen wir nicht extra abklären. Selbstverständlich gilt eine Verschwiegenheitspflicht gegenüber allen Außenstehenden. Allerdings darfst du dich gerne mit deinen Teamkameraden über das, was heute passiert ist austauschen. Die werden eh sehr Neugierig sein, denn die erleben heut Abend was anderes.” Elena stoppte, bevor sie in die Abendsonne hinaustrat, um die Flügel zu öffnen. “Warum werden Drachen und Drachinnen heute Abend unterschiedlich behandelt?” Felicitas seufzte. “Kann ich das etwas zurückstellen? Vielleicht kannst dus dir heute Abend selber erschließen, wenn nicht, dann reden wir da einmal in einem ruhigen Moment darüber, wenn das für dich in Ordnung ist.” 

Elena sah die grüne Drachin mit hochgezogener Augenbraue an. “Das ist aber kein so ein Fall von – die Rüstung wirst du nicht mehr los, oder?” Felicitas grinste. “Nein, eher so ein Fall, wenn du dich mal in einen Drachen verliebst oder dir ein Drache Avancen macht.” Elena trat hinaus in die Abendluft. “Also der uninteressante Kram. Keine Ahnung, ob das bei mir jemals kommt.” Sie schüttelte sich und breitete die Flügel aus, bereit abzuheben. “Allerdings, Aufklärungsarbeit hat meine Mama dann schon geleistet. Das braucht ihr hier nicht nachholen.” Felicitas stieß sich ab und ihr kräftiger Flügelschlag hob sie hoch in die Lüfte. “Davon bin ich ausgegangen. Wärs nicht so, hätte ich mir echt Sorgen gemacht, wie das noch werden soll. Immerhin wirst du morgen offizielles Mitglied der Dragon Force. Da solltest du so grundlegende Sachen schon wissen.” Als wäre nichts, folgte Elena Felicitas in die Lüfte. Innerlich ärgerte sie sich aber, dass ihr Wissen als normal abgetan wurde. Sie hatte die letzten Wochen in ihrer Rekrutenzeit nicht nur viel in Bewegung gebracht, sondern auch sehr viel dazu gelernt und bisher hatte das noch keiner honoriert. Auch nicht das breitgefächerte Wissen, welches ihre Mutter ihr mit auf den Weg gegeben hatte. Leicht verstimmt folgte sie der grünen Drachin, die sie mit hoher Geschwindigkeit über die Bergspitzen führte und konnte aber nicht lange ärgerlich sein. Sie spielte mit der Thermik unter ihren Flügeln wie ein junges Drachenkind und tat so, als würde sie die Sonne fangen, die langsam am Horizont verschwand. Felicitas ließ sie zuerst machen, holte sie dann aber wieder in den Ernst der Lage zurück, indem sie am Ufer eines Gebirgsbaches landete und Elena anwies, es ihr gleich zu tun. 

Dort warteten schon andere Drachen und Elena bot sich noch für einen Moment die Möglichkeit, sich umzusehen. Um sie herum ragten nur die Felswände in den Himmel und blockierten die letzten Sonnenstrahlen. Es war kühl hier in der Schlucht und es begann auch schon dunkel zu werden. Viel interessanter waren die anderen Drachinnen. Wie Felicitas schon angedeutet hatte, waren nur Drachinnen anwesend. Neben Elena waren dort noch fünf andere Anwärterinnen, die je neben einer erfahrenen Drachensoldatin saßen und sich verwundert umsahen. Elena kannte sie vom Sehen, mit noch keiner hatte sie bisher ein Wort gewechselt, geschweige denn zusammen trainiert. Sie hatte mitbekommen, dass die anderen Teams von Anwärtern miteinander trainiert hatten, das hatte Toivo allerdings rundheraus abgelehnt. Anfangs weil es ihm peinlich gewesen war, dass er ein spezielles Team bekommen hatte, später weil er gerne behauptete, dass die andren wesentlich schwächer waren als sein kleines Team und das gemeinsame Training Elena und ihren Kameraden nichts bringen würde. Ob es wahr war, das konnte sie nicht beurteilen, sie fand es jedoch schade. Gerne hätte sie die andren Drachinnen kennen gelernt. 

Die kraftvolle Stimme einer der Drachinnen erscholl von irgendwoher. “Soldatinnen, sind eure Schützlinge bereit?” Ein Nicken und dann bahnte sich die Sprecherin einen Weg durch die anwesenden Drachen. Alle Augen ruhten auf ihr. “Anwärterinnen!” begann sie und ihre Stimme klang so bedeutungsvoll, dass Elena fast aufgehört hätte zu atmen. Es lag etwas in der Luft, ein Gefühl von Wichtigkeit, welches Elena fühlen ließ, als wäre sie zu höherem Berufen, etwas ganz spezielles. 

“Ihr werdet jetzt im Flug diesem Gebirgsbach folgen, hintereinander fliegen. Ihr werdet so tief fliegen, dass die Gischt euren Bauch berührt.” 

Still war es, keiner wagte auch nur einen Mucks zu machen. Diese Drachin strahlte so eine Überlegenheit aus, dass keine der Anwärterinnen sich traute, sich auch nur zu bewegen. “Auf eurem Weg liegen drei Wasserfälle. Bei jedem Wasserfall werdet ihr aufhören zu fliegen und euch fallen lassen.” Das war keine Frage, das war eine klare Anweisung, die zu befolgen war. Es lag in der Stimme der Drachin, dass es kein “wenn” oder kein “aber” gab. Die Anwärterinnen würden tun, wie ihnen geheißen.

Ohne weitere Anweisung wurden die Drachinnen nacheinander losgeschickt. Immer mit genügend Abstand, dass sie sich nicht in die Quere kommen würden.  

Elena war die letzte, die startete. Gemäß den Anweisungen hielt sie sich so tief über dem Wasser wie es ihr möglich war und versuchte nur einmal Schwung zu holen und ihre Flügel ins Wasser zu tauchen. Der Fluss hatte eine sehr starke Strömung, mit der die junge Drachin nicht gerechnet hatte und die sie straucheln ließ. Beinahe wäre sie ungebremst ins Wasser gestürzt. Keine gute Idee, denn sie wusste nicht, wie tief das Wasser hier war und ob am Grund des Flusses scharfkantige Steine waren, die sie verletzen konnten. Ihr blieb nichts anderes übrig, als kurze, schnelle Flügelschläge zu machen und das Gleichgewicht zu halten, während sie im immer mehr schwindenden Licht langsam Schwierigkeiten hatte zu erkennen, wohin sie überhaupt flog. 

Zumindest erkannte sie den ersten Wasserfall vor sich. Sie erinnerte sich und als sie über die Kante hinwegschoss, hörte sie auf, mit den Flügeln zu schlagen. 

Sie fiel wie ein Stein, keine Zeit sich abzufangen. Jetzt konnte sie nur noch hoffen, dass sie sich nicht verletzen würde, wenn sie in das wirbelnde Wasser eintauchen würde. 

Da spürte sie festen Stoff unter sich. Trockenen, festen Stoff. Sie wagte es, die Augen zu öffnen, die sie in Angst zugekniffen hatte, und sah nach oben. Sie war in ein riesiges, aufgespanntes Tuch gefallen, das von einigen Drachinnen getragen wurde. Kein eintauchen in unbekanntes Wasser, keine Schwierigkeit, wieder hinaus zu kommen. Erfreut sammelte die rote Drachin sich, breitete die Flügel aus und sprang mit einem kräftigen Flügelschlag aus dem Tuch heraus in den nächsten Abschnitt, den sie genauso bewältigte wie den ersten. 

Auf die zweite Auffangaktion war sie bereits vorbereitet und traute sich die Augen auf zu lassen. Sehenden Auges stürzte sie in das Tuch hinein, nur um im nächsten Moment wieder hinaus zu springen und voller Vorfreude den Fluss entlang zu sausen. Fast schon schade, dass es nach dem dritten Wasserfall zu Ende sein sollte! Da kam er, der letzte Wasserfall. Wagemutig drehte Elena sich auf den Rücken und schoss über die Kante. Sie legte die Flügel an und ließ sich vertrauensvoll fallen. 

Die Enttäuschung war groß, als sie ungebremst in das kalte Wasser fiel, das tief genug war, einen Drachen komplett untergehen zu lassen. Sie spürte die Steine am Grunde des Baches und drehte sich um. Bekam die Steine zwischen ihren Pfoten zu fassen und schaffte es, sich ans Ufer zu kämpfen, ungeachtet der Strömung, die an ihr riss. Sie trottete zu den anderen Drachinnen, die auch noch tropften und deren Enttäuschung auch auf ihrem Gesicht abzulesen war. 

Schweigend erhoben sich die ersten Drachinnen in die Luft und immer mehr folgten. Auch die Anwärterinnen erhoben sich in die inzwischen kühle Abendluft und folgten still dem Drachenschwarm, der sie auf einen Bergrücken führte, auf ein kleines Grasfeld, gerade groß genug, dass die Drachinnen Platz hatten sich nieder zu lassen, die Anwärterinnen in der Mitte. 

Hinter ihnen saßen die, welche sie aus ihren Höhlen abgeholt hatten, vor Ihnen die Drachin, die ihnen zuvor die Anweisungen erteilt hatte. “Anwärterinnen!” erhob sie wieder die Stimme. 

“Ihr habt vorhin erfahren, wie angenehm es sein kann, wenn man aufgefangen wird. Wir…” hier hob sie die Flügel und deutete auf alle Drachinnen rings um sie herum “… bieten euch an, euch aufzufangen, wenn ihr einmal strauchelt. Wenn ihr euch einmal alleine fühlt, fernab der Heimat und getrennt von den Freunden, die euch euer bisheriges Leben begleitet haben. Wir werden euch schützen, als wärt ihr unsere Schlüpflinge oder Schwestern. Alles was wir dafür verlangen, ist, dass ihr uns genauso schützt, genauso für uns da seid, wenn wir einmal Hilfe benötigen. Ihr habt selbst gespürt, wie es ist, wenn man erwartet, aufgefangen zu werden, dann aber ins kalte Wasser fällt. Ähnlich fühlt es sich an, verraten zu werden, wenn man auf die Drachen um sich herum vertraut. Wollt ihr, dass sich andere Drachen so fühlen müssen?” Die Anwärterinnen schüttelten den Kopf. “Dann frage ich euch: Versprecht ihr für alle Drachinnen der Dragon Force da zu sein, sie zu schützen und zu stützen?”

Noch ehe die Anwärterinnen eine Reaktion zeigen konnten, sprang eine hübsche, gelbe Drachin auf und sah sich unsicher um. “Ich möchte niemandem jetzt auf die Pfoten treten aber…” sie schluckte lautstark. “Ich glaube, das ist doch nichts für mich.” man sah ihr an, dass ihr das schon länger auf der Seele brannte. Wie erleichtert sie wirkte, dass sie es nun ausgesprochen hatte! 

Keine der Drachinnen zeigte Ärger oder eine andere negative Emotion. Nur Mitgefühl für die gelbe Drachin, die sich die Entscheidung offensichtlich nicht leicht gemacht hatte. Ihre Begleiterin stand auf und nickte mit freundlichem Lächeln. “Dann ist es so. Dann bringe ich dich jetzt in deine Höhle zurück, du kannst dich morgen von deinen Freunden verabschieden.” Gemeinsam erhoben sie sich in die Lüfte und waren wenige Augenblicke später in der Dunkelheit der Nacht verschwunden.

“Wie sieht es mit dem Rest von euch aus? Wollt ihr dableiben? Wollt ihr in die Gemeinschaft aufgenommen werden?” Elenas vorwitzige Art meldete sich. “Na klar will ich!” kam es aus ihrer Kehle, noch bevor ihre Gedanken hinterher kamen. Sie hörte Felicitas hinter sich kichern und die andren Drachinnen nickten begeistert, angesteckt von dem Enthusiasmus der roten Drachin. 

Schnell waren sie von Drachinnen umringt, die sie begrüßten und ihnen zujubelten, sichtlich hoch erfreut vier weitere Kämpferinnen in ihren Reihen begrüßen zu dürfen.

Nach und nach zogen die Drachinnen sich zurück und nur noch die vier Anwärterinnen und ihre Begleitungen blieben übrig. “Zeit, dass ihr eure Rüstungen bekommt!” meinte Felicitas und erhob sich in den Nachthimmel. “Wenn die Damen mir bitte folgen wollen?”

Nach und nach erhoben sich auch die anderen Drachen in die Luft, Zuerst, zögerlich die Anwärterinnen, dann die bereits vereidigten Soldatinnen. Stillschweigend folgten sie Felicitas, die sie über das Gebirge hinweg führte. 

Elena hatte das stille Fliegen bald satt. Nach dem Erlebnis von gerade eben kam ihr die Stille äußerst langweilig vor. Sie schob sich neben Felicitas und brachte ihren Kopf an den der grünen Drachin heran. “Haben wir eigentlich auch ein Schweigegelübde abgelegt?” raunte sie gerade so laut, dass es Felicitas hören musste, aber hoffentlich nicht die anderen Drachinnen, nur für den Fall, dass Elena etwas nicht mitbekommen hatte. Doch zu ihrem Glück hatte sie nichts verpasst und Felicitas grinste sie an. “Nö. Normalerweise hängen wir in diesem Teil der Nacht unseren eigenen Gedanken nach, aber du scheinst da andre Pläne zu haben.” “Natürlich! Ich meine – wie kann ich nicht!” kam es überrascht von der roten Drachin, welche die Augen verblüfft aufriss. “Ich meine – klar, dass man im Vorfeld nicht über den Fluss spricht, das verstehe ich. Es würde die Überraschung am dritten Wasserfall komplett zunichte machen. Aber wir haben eine Drachin, die ausgeschieden ist, was ist jetzt mit der? Wird die einfach wieder ins normale Leben entlassen und darf halt über heute Nacht nicht reden oder wie? Was wird jetzt mit der, wird sie morgen einfach heimgeschickt? Und was ist mit ihren Eltern und Verwandten? Werden die,wenn sie denn morgen kommen, einfach so im Regen stehen gelassen und wundern sich, wo ihre Verwandte denn hin ist? Und nicht zu vergessen diese Gemeinschaft – das wirkt wie so eine ganz geheime Schwesternschaft. Aber – ich dachte ich muss mich als Dragon Force Mitglied auf alle Drachen verlassen? Warum wird das denn so abgespalten, in Jungs und Mädchen? Treibt man da denn nicht einfach nur nen Keil zwischen die Geschlechter? Ist das denn überhaupt nötig, das Ganze so abspalten? Also mir kommt das reichlich altbacken vor. Erst lässt man alle zusammen trainieren, auch hinterher teilen sie sich Höhlen und sollen friedlich miteinander leben, und dann wird man aber in einer Nacht komplett getrennt und auch unterschiedlich behandelt. Ich versteh das einfach nicht!” 

Felicitas wusste nicht, wo sie mit Erklärungen anfangen sollte und war froh, dass sich eine der Anwärterinnen zu Wort meldete. “Ich weiß ja, dass euer Kommandant dein Team etwas abgeschottet hat. Aber ist dir denn noch nie ein andrer Drache zu nahe gekommen?” die dunkelgrüne Drachin versucht die richtigen Worte zu finden. “Ein Drache, der körperliche Zuneigung bei dir gesucht hat und dabei etwas zu… übermütig war?”

Es dauerte etwas, doch dann begriff Elena worauf die Drachin hinaus wollte und sie verstand auch mit einem Mal, warum Toivo sie explizit im Auge behalten und so abgeschirmt hatte. Auf einmal machte schlichtweg ALLES einen Sinn. Ihr war durch ihre privilegierte Situation einfach nicht bewusst gewesen, dass es diese Situationen in der Dragon Force überhaupt gab. Sie schnaubte. “Übermütig is aber n ganz schöner Euphemismus für diese Übergriffigkeit, oder?” “Eu… Was?” fragte die grüne Drachin verwirrt. Elena seufzte. “Du beschönigst hier einen sexuellen Übergriff. Ist das weil du mich für ein Landei hältst oder ist das in der Dragon Force üblich, Übergrifflichkeiten generell schön zu reden?” fragte Elena rundheraus und sah verärgert nach hinten. Felicitas packte sie am Horn und zerrte sie unsanft durch die Luft. “Du reißt hier ja ganz schön die Klappe auf, gerade für jemanden, der so geschützt wird. Kannst du dir denn nicht vorstellen, wie es ist, in die Ecke gedrängt zu werden und nicht zu wissen, was du tun musst? Wenn dein Gegner größer und stärker ist als du? Dass es nicht so leicht ist, darüber zu reden? Nicht alles bezieht sich auf deine mangelnde Sozialisierung!” Harte Worte, aber wenigstens ehrlich. Langsam ging Felicitas in den Sinkflug und die anderen Drachen folgten ihr. Sie warf Elena einen unmissverständlichen Blick zu, der besagte, dass die hellgrüne Drachin gerne eine Antwort hätte. Elena sortierte ihre Gedanken und wählte die Worte mit Bedacht. “Nein, ich kann mir nicht vorstellen wie das ist, sich in so einer hilflosen Situation zu befinden. Denn sobald ich laufen konnte, hat meine Mutter meinen Bruder und meinen Vater regelmäßig dazu genötigt, mit mir zu trainieren, wie man aus solchen Situationen entkommt. Die Kratzer und Verbrennungen, welche die beiden erlitten, seien es wert, mir eine sorgenfreie Zeit als Erwachsene zu garantieren.” Elena hörte anerkennendes Gemurmel hinter sich und ihr dämmerte es langsam, dass nicht alle Mütter ihre Töchter auf diese Weise vorbereiteten. Und offensichtlich war Felicitas nicht überzeugt, denn statt normal zu landen, setzte sie all ihre Kraft ein, um Elena zu Fall zu bringen und sie an einer Felswand in die Ecke zu drängen. Dieses Mal war die rote Drachin schnell genug im Denken, um zu verstehen, was hier vor sich ging. Die grüne Drachin wollte sie testen! Gut, wenn Felicitas so wollte? Sie würde verletzt werden. Hier gab es keine Gnade, denn hier ging es darum, etwas zu beweisen.  

Elena ging in Verteidigungsposition, wie sie es von ihrer Mutter gelernt hatte. Ob das auch etwas mit der Sportkarriere ihrer Mutter zu tun hatte? schoss ihr durch den Kopf, als sie sich groß machte und die Flügel aufstellte. Ein nutzloser Versuch, Felicitas wich nicht einen Millimeter. Sie kam sogar noch näher an sie heran und versuchte, Elenas Körper mit beiden Vorderpfoten nach unten zu drücken. Doch keine Chance, Jamie hatte ihre Tochter gut instruiert. Blitzschnell schoss mit einem Fauchen eine Pfote nach oben und verhakte sich im Nasenloch, riss daran. Felicitas schnaube und versuchte die Pfote wegzuschlagen – darauf hatte Elena gewartet. Der Kopf schoss vor und biss in die Pfote, die sich soeben von ihrem Rücken gelöst hatte. Kraftvoll biss die rote Drachin zu und ließ nicht locker, bis sie Blut schmeckte. Frisches Blut, da ihr über ihre Zunge rann. Felicitas knurrte, ließ Elena aber nicht entkommen. Auch wenn der Biss in der Pfote schmerzen musste, so zeigte sie es nicht und war immer noch davon überzeugt, dass sie Elena heute Nacht noch etwas beibringen konnte. Nur sah Elena das ganze anders und bescherte ihrem Gegenüber eine Brandwunde, welche die grüne Drachin wohl noch länger beschäftigen würde. Vom Kieferknochen gezielt über das Auge hatte Elena ihr Feuer gelenkt, nur um gleich hinterher dem Auge noch eine weitere Beeinträchtigung in Form eines Prankenhiebes zu verpassen. 

Als Felicitas damit beschäftigt war fluchend sich das Auge zuzuhalten, ließ Elena sich auf den Rücken fallen und hakte sich mit ihren Krallen in Felicitas Bauchdecke ein, zog sich damit unter die grüne Drachin, bis sie zwischen den Hinterbeinen war. “Muss ich noch ausführen, was ich hier veranstalten würde?” fragte sie mit übertrieben freundlicher Stimme und Felicitas sprang beiseite. Elena richtete sich wieder auf und sah die Drachinnen vor sich an. “Ich sage nicht, dass mich niemand belästigen wird. Ich sage auch nicht, dass nicht doch vielleicht eines Tages ein Drache daherkommt, der größer ist als ich und stärker und gegen den ich mich nicht so gut zur Wehr setzen kann. Aber ich werde mich niemals kampflos ergeben. Zum einen habe ich das Kämpfen gelernt, in den letzten Monaten auch professionell, und zum anderen gilt immer – wer nicht kämpft, hat schon verloren.”

Damit hatte sie zumindest die anderen Anwärterinnen auf ihrer Seite, die ganz begeistert von ihr forderten, ihr Wissen zu teilen und sie ebenfalls zu trainieren. Die Soldatinnen waren jedoch skeptisch. “Und dann hast du den einen Drachen in die Flucht geschlagen, sehr schön. Aber was danach? Der haut dann ab und kann fröhlich behaupten, dass du vollkommen überreagiert hast, wenn er das seinem Kommandanten meldet.” Elena schnaubte. “Abhauen? Den pack ich mir an den Hörnern und schleif den hinter mir her, bis ich zu nem General komme. In meinem Fall, bis ich meinen Onkel erwische. Der darf sich dann drum kümmern. Immerhin ist es unter anderem seine Aufgabe für die Sicherheit aller Drachen der Dragon Force zu sorgen! Und da fällt sowas ja wohl auch drunter.” 

Der Tumult war nicht unbemerkt geblieben. In der Nähe der Drachinnen öffnete sich eine Tür in der Felswand und ein Zwerg steckte seine Nase heraus. “Was ist denn…” die Worte blieben ihm im Hals stecken, als er Felicitas sah. Er wandte sich nach innen und rief jemanden zu sich. Kurz darauf sah man auch den Kopf eines Elfen, der aus der Tür ragte und zu Felicitas hinaufsah, deren Verbrennung im Mondlicht gut zu erkennen war. 

“Sollen wir jemanden rufen?” fragte der Elf erschrocken, doch Felicitas schüttelte den Kopf. “Ich bin komplett selber Schuld. Lasst uns hineingehen, dann können meine Wunden dort behandelt werden, während die Anwärterinnen ihre Rüstung bekommen.”

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